Komischer Kerl

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Jetzt

Caty

Meine Tasche reichte ich Mike, dem Barkeeper. Dann machte ich mich auf den Weg zur Bühne. Im Moment stand ein Mädchen oben, sie sang einfach grauenhaft. Ihre Klamotten schlabberten um ihren Körper und ihr Gesichtsausdruck war so verkniffen, fast als müsste sie dringend aufs Klo.

Ein kleines Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen, einfach weil ich wusste, dass zwischen uns Welten lagen. Ich meine ich war...hübsch. Blond, zierlich, große blaue Augen und zarte Züge. Und mein Selbstbewusstsein wirkte anziehend auf die meisten Männer in dieser Bar. Klar einige hatten mit ihren Freundinnen zu tun. Doch ich konnte fast schon spüren wie die Blicke auf mir lagen. Probehalber schaute ich kurz über die Schulter, nur um zu sehen was ich schon erwartet hatte. Der junge Kerl, der an der Bar saß beobachtete mich. Ausnahmsweise lag sein Blick nicht auf meinem, ganz ausergewöhnlich gut aussehenden, Po, sondern ruhte auf meinem Rücken, meinen Haaren, meinem Gesicht.

Er besaß doch tatsächlich die Frechheit zu zwinkern. Ich meine okay, was hatte ich schon erwartet, so wie er aussah war er zu hundert Prozent einer dieser Herzensbrecher. Groß,  sportlich, braune verwuschelte Haare, strahlende Augen und seine Arme...

Aber ich war genau dasselbe. Eine Herzensbrecherin. Mir konnte niemand was, weil die Meinung der anderen mich einen feuchten Mist interessierte. Sie waren alle weit unter mir. So tief, ich konnte sie schon fast nicht mehr erkennen.

Aber so bist du doch gar nicht.

Doch, genau so bin ich. Die Stimme in meinem Inneren die mich vom Gegenteil hatte überzeugen wollen, verstummte. Genau, hier hatte ich das Sagen.

Endlich hatte die Kleine ihre Show beendet und verließ mit zitternden Knien die Bühne. Offensichtlich ihr erster Auftritt. Als sie an mir vorbei lief, hätte ich sie wahrscheinlich fies anlächeln müssen um auch ihr zu zeigen wie wenig ich von ihr und ihrer Meinung hielt. Aber hey, die Mühe konnte ich mir auch sparen.

Sicher stöckelte ich die Bühne hoch, zog vorsichtig mein Shirt zurecht und stellte mich dann breitbeinig in die Mitte der Plattform. Nicht dass der Raum leiser geworden war, doch gleich würde er still sein. Dafür konnte ich sorgen. Heute hatte ich mir ein besonders Lied ausgesucht. Eines von Emelie Sande. Es war ein ruhiges Lied, doch die Botschaft schien mich bis in den letzten Winkel meines Herzens zu erfüllen. Schon die ersten Töne von "clowns" entfachten eine Wut in mir die ich so nicht erwartet hätte.

Liebend gern hieß ich sie willkommen.

Die Gesichter einiger Menschen schwebten vor meinem inneren Auge, ich schob sie beiseite. Mit mehr Kraft als verlangt sang ich die Strophen der Menge entgegen. Schon klar, es wirkte fast als hätte ich aufgegeben und würde weiterhin aktzeptieren was man mit mir machte. Aber nein, dieses Lied war meine persönliche Wahrnung. Niemand sollte es noch einmal wagen mich einfach so beseite zu schieben. Nie wieder und vorallem nicht heute.

I'll be your clown, behind the glas

I'll be your clown, your favourite channel.

Fast war ich traurig als die letzen Worte des Lieds verstummten und die Stille mich umschloss. Wie so oft. Um mich zu beruhigen öffnete und schloss ich meine Faust. Ich warf ein leuchtendes Lächeln in die Runde. Konnte den Applaus trotzdem nicht genießen. Mal wieder spürte ich etwas in meinem inneren. Etwas das drohte mich nach unten zu ziehen.

Du bist Einsam. 

Flüsterte die Stimmte in meinem Kopf. Aber nein, das stimmte nicht, ich brauchte nur einfach niemanden außer mir selbst. "Danke", rief ich den Leuten da unten zu, "Vielen Dank und einen schönen Abend noch". Als hätte ich ihre Zustimmung gebraucht um zu wissen, dass ich gut war.

Mit einem leichten Lächeln macht ich mich auf den Weg zur Bar zurück. Mike lachte mir schon fröhlich entgegen: "Du hast dich schon wieder selbst übertroffen! Das war hervorragend Caty!"  Ich konnte mir ein neckisches Lächeln nicht verkneifen: "Du alter Schleimer,  dir ist nicht zu glauben!"                                                  

"Oh, aber du warst wirklich gut."

Die tiefe, sanfte Stimme ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. So was mochte ich doch. Ich strich mir eine blonde Strähne hinter die Ohren und drehte mich dann ganz zu dem Fremden um. Musterte ihn genau. Eindeutig ein Tourist, doch scheinbar fühlte er sich hier zu Hause. Die Lässigkeit mit der er auf seinem Hocker saß, die Ellbogen auf den Oberschenkeln abgestützt. Lecker!

"Woher kommst du? Ich tippe mal auf...Deutschland?" Na gut, schon beim ersten Wort hatte ich gewusst woher der Kerl kam. Der Aktzent war einfach noch zu deutlich.

Ein Grinsen betonte seine kantigen Wangenknochen: "Ja, man hört es sehr deutlich was?"                         Leise lachte ich auf: "Ja, ja da hast du wohl recht."

Sein Grinsen verblasste etwas, sein Blick wurde forschend: "Wie alt bist du?"                                                     Spöttisch hob ich eine Augenbraue und rutschte dann auf den Barhocker neben ihn, dankbar für das Wasser welches mir Mike reichte: "Ganz falsche Frage mein Freund. Damit bekommst du keine rum." Er schnaubte amüsiert: "Wahrscheinlich hast du da Recht Caty, doch das einzige zu dem ich heute noch fähig bin ist irgendwie mein Hotel zu finden und zu schlafen."

Das Zusammenzucken meinerseits als dieser Deutsche so selbstverständlich meinen Namen aussprach hätte mich fast vom Hocker gehauen. Das hatte mir vielleich gerade gefallen. Und ich meine damit wirklich, wirklich gefallen. "Dann mach das mal Großer. Ich will ja nicht das du morgen ganz knatschig bist weil du nicht genug geschlafen hast. Am Ende frägst du dann noch eine Frau nach ihrem Alter."

Über meinen gespielt entsetzen Blick lachte er nur, doch tatsächlich stand er auf, griff nach einem schwarzen Rucksack der auf dem Boden gelegen hatte und rief Mike ein: "Schön dich kennen gelernt zu haben" zu.

Ich beobachtete ihn bei seinen Bewegungen. Er musste einfach ein Sportler sein, eine andere Möglichkeit gab es einfach nicht. Als sein Blick auf mich fiel, hob ich hastig meinen Augen nach oben und staunte nicht schlecht als ich in warme, schokobraune Augen sah. Gott, warum gefiel mir der Kerl nur so. Sein hässlicher Aktzent wirkte bei ihm einfach nur charmant.

Als er mich anlächelte, fühlte ich mich einen winzigen Moment furchtbar jung und unbeschützt: "Es war auch schön dich kennen gelernt zu haben Caty. Ich hoffe du wirst weiter singen."

"Darauf kannst du dich verlassen."

"Das freut mich" ,warum flüsterte er denn schon fast? Einige Sekunden sah er mich einfach nur an, bevor ich mich unbehaglich fühlen konnte, reichte er mir seine Hand. Langsam, ganz langsam legte ich sie in seine und hätte fast ein Lachkrampf bekommen als er sie vorsichtig schüttelte.

"Viel Glück in deinem Leben."

Ich nickte zustimmend, seine Worte raubten der entspannten Atmosphäre die Ruhe.

"Dir auch." sagte ich lahm. Glück war das Letzte was ich gebrauchen konnte.




The nice guyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt