Bruchstücke

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Jetzt

Caty

Neugierig folgte ich den Stimmen in die Küche. Ist es nicht seltsam, das ich nicht eine einzelne Sekunde daran dachte es könnte mein Vater sein der da sprach. Der Postbote schien mir da die logischere Wahl zu sein.
Doch nein, es war tatsächlich mein Vater. Mein Vater der zusammen mit meinem Freund am Küchentisch saß und ihm ein Fotoalbum vor die Nase hielt, er zeigte auf einzelne Bilder und erzählte irgendeine Geschichte dazu, während sich Joey vor lachen kaum halten konnte.
Ich weiß für manche Mädchen ist das nichts besonders, ihren Vater so von sich schwärmen und erzählten zu hören, nein im Gegenteil es ist ihnen sogar peinlich.
Ich, ich konnte es in diesem Augenblick einfach nicht fassen. Passierte das wirklich? War das auch wirklich mein Dad?
Der da so saß und lachte, lebendig und klar. Es erschien mir wie eine Unmöglichkeit. Verblüfft, verwirrt ja hilflos stand ich im Türrahmen und beobachtete das Geschehen, ich war immer noch nicht davon überzeugt, dass das wirklich passierte.
War er nicht noch vor einigen Wochen ein saufendes Wrack gewesen? Und jetzt saß er hier und lachte? Ich wusste einfach nicht wie ich auf die ganze Situation reagieren sollte. Klar, ich hatte das Recht wütend zu sein und ihm meinen Kummer und meinen Schmerz entgegen zu schleudern, doch mit erschreckender Klarheit wusste ich in diesem Moment das das niemanden helfen würde. Weder mir noch meinem Dad. Wir würden nur beide darunter leiden, unter meiner Kälte.
Doch konnte ich es anderseits riskieren meinen Vater an mich heran zu lassen? Konnte ich es wagen auf seine Rückkehr zu hoffen, wenn der Alkohol bestimmt genauso laut nach ihm rief wie ich.
Ich wollte es nicht riskieren wieder verletzt zu werden, auf dem kalten Boden der Tatsachen zurück gelassen zu werden. Keine Ahnung ob ich das ein zweites Mal überleben konnte.
Joey bemerkte mich als erstes, sein warmes Lächeln war Balsam für meinen verwirrten Geist. Fast hätte ich nämlich vergessen, dass ich durch dieses Chaos nicht alleine durch musste.
„Hey Sparkle. Bist du schon fertig?"
Ich nickte, seltsam schüchtern und befangen. Dad lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sein Blick konnte ich nicht entziffern. Er lag schwer auf mir, erinnerte mich jedoch an ein Zuhause, dass ich lange Zeit für verloren gehalten hatte.
Jetzt musste ich nur irgendwie herausfinden, ob es einen Weg für seine Rückkehr gab.
Joey stand von seinem Stuhl auf, kam zu mir herüber und blieb eher vor mir als neben mir stehen. Er machte keine Anstalten etwas zu sagen, beugte sich nur zu mir herunter und plazierte einen sanften Kuss auf meine Stirn: „Wir sehen uns heute abend okay? Dein Dad hat mich zum Essen eingeladen."
Mehr als ein Nicken brachte ich nicht zusammen, zu stark war der Drang mich zu zwicken um zu sehen ob diese Situation auch wirklich real war.
Dad sahs am Tisch, beobachtete uns beide und ich betrachtete ihn, sein müdes Gesicht, sein abgemagerter Körper, seine traurigen Augen. War das wirklich mein Dad?
Joey ging an mir vorbei und war schon zur Tür draußen als ich aus meiner Erstrarrung erwachte und mich beeilte zu ihm aufzuschließen.
Er stand da, den Schlüssel seines Motorrads schon in der Hand, seine Fliegerbrille auf und bereit zu gehen. Als ich kam schaute er auf und sein Blick wurde fast schon streng: „Caty du solltest wirklich da rein gehen. Es ist wichtig."
Ich marschierte auf ihn zu und legte meine Arme um seinen Bauch, das Gesicht an seine Schulter.
„Keine Sorge Sparkle" ,seine Stimme war schon fast unerträglich weich, „alles wird gut gehen."

Jetzt

Henry

Johannes, Joey...

Ich war mir noch nicht ganz sicher was von ihm zu halten war. Er war ein selbstbewusster, junger Mann der gut aussah und wusste was er wollte. Solche Typen waren die Besten und die Gefährlichsten zu gleich. Vorallem für einen Vater.
Ich muss es wissen, dachte ich bei mir und legte meine Hände auf den Küchentisch, ich war auch mal so ein Kerl gewesen. Inzwischen war ich ein wandelnder Toter der nicht gehen konnte. Ein Zombie.
Das Gesicht von Jenna in meinen Gedanken ließ mich gequält seufzen. Ich hatte viel verloren in meinem Leben, teils durch meine eigene Schuld, teils durch Zufälle, Schicksal, die Schuld von Anderen.
Jenna war gegangen. Sie hatte mich verlassen für einen anderen Mann. Sie hatte mich, einen erwachsenen Mann, blutend am Boden liegen lassen und meine kleine Tochter neben mich gesetzt um mir beim sterben zuzusehen. Ich war nicht stark genug gewesen um sie bei mir zu halten. Ich war noch nicht mal stark genug gewesen um mich um Caty zu kümmern.
Mein Herz blutete noch immer, wegen dieser Frau. Und das schlimmste, ich konnte sie nicht hassen, dazu hatte ich sie zu sehr geliebt. Dazu liebte ich sie immer noch zu sehr. Für andere ein Stolperstein im Leben, für mich ein Loch im Boden das hunderte von Metern weit reichte. Ich hatte es nicht wieder auf die Füße geschafft. Ich hatte es nicht verkraftet das meine Söhne, das Noah und Paul nicht zu mir gehörten, dass sie nicht meine Jungs waren. Ich hatte es nicht verkraftet dass Jenna auch sie mit sich genommen hatte.
Dieses Monster hatte mir nicht nur das Herz aus der Brust gerissen, sie hatte es in den Schmutz geworfen und war darauf herum getrampelt. Grausamkeit, die besaß sie.
Und zu meiner Schande war ich nicht Manns genug gewesen um darüber hinweg zu kommen und mich meiner Tochter anzunehmen, mein kleines Mädchen hatte so viel besseres verdient.
Jenna hatte sie hier gelassen, hatte sie gar nicht mit sich nehmen wollen, weil sie ein Teil von mir war, weil sie meine leibliche Tochter war.
Damit hatte sie nicht nur mir weh getan, sondern auch meinem Engel und ich hatte schon wieder nicht die Kraft gehabt mich schützend vor sie zu stellen.
Ich hatte versagt, auf ganzer Linie.
Denn Eltern waren dazu da, ihre Kinder vorsichtig auf die Kälte des echten Lebens vorzubereiten, auf die Angst wenn die nächste Welle Probleme auf einen zu schwappte und die Schmerzen die man hatte wenn man vor lauter Hilflosigkeit nicht mehr atmen konnte. Ich hingegen hatte dafür gesorgt dass Caty gefallen war, tief und hart.
Diese Gedanken erweckten in mir den Wunsch zum nächsten Supermarkt zu laufen und nach einer Flasche Schnaps zu greifen um die Selbsvorwürfe in wunderbarere Gleichgültigkeit zu verlieren.
Aber das war jetzt keine Option mehr, nicht wenn ich mein kleines Mädchen nicht komplett verlieren wollte, und das war etwas was ich nicht zulassen durfte, nicht zulassen konnte.
Sie war mein Licht in der Dunkelheit und ich hatte beschloßen nicht mehr das Tuch zu sein welches sie verdeckte.

Jetzt

Joey

Mit meinen Gedanken bei Caty und Henry, wusste ich was ich als nächstes tun musste. Ich musste diese komische Situation mit Ethan aus der Welt schaffen, bevor sie mir über den Kopf wuchs.
Schon konnte ich die Einfahrt des Hauses meines Onkels vor mir sehen und parkte mein Motorrad vor der Garage.
Jess saß auf einer der Treppenstufen vor der Haustür und lächelte mir zu als ich von meiner Maschine abstieg: „Hey Joey."
„Hi Cousinchen. Alles klar bei dir?"
Jess warf zwei Haarsträhnen über ihre Schulter und warf mir einen gespielt arroganten Blick zu: „Sicher."
Meine hochgezogene Augenbraue quittierte sie mit einem Kichern.
Dann wurde ihr Gesicht ernster: „Wenn du ins Haus gehst warne ich dich besser vor. Ethan ist eben nach Hause gekommen und er noch schlechter gelaunt als die letzten Wochen."
Irgendwie war das nicht gerade hilfreich, es bestärkte mich auch nicht in meinen Vorhaben.
„Okay, dann weiß ich bescheid danke Kleines. Ist er in seinem Zimmer?"
Diesmal war Jessys Blick nicht gespielt: „Woher soll ich das den bitte wissen?"
Da war jemand wohl zickig. Aber sicher, woher sollte sie das wissen? Dumme Frage, dumme Antwort, ich hatte es irgendwie verdient gehabt.
„Jaja, schon gut." rief ich ihr zu und lief an ihr vorbei ins Haus.
Ich beschloss es zuerst in seinem Zimmer zu probieren und die laute Rockmusik die gegen seine Tür hemmerte war Antwort genug.
Klopfen konnte ich mir wohl gleich sparen, er hätte mich eh nicht gehört. Kurzerhand riss ich die braune Holztür auf und sah meinen Cousin auf seinem Bett liegen, den Blick an die Decke gerichtet. Als er mich sah, setzte er sich auf und machte die Musik leiser. Seine Haare waren zerstruppelt und unter seinen blauen Augen lagen deutliche Schatten: „Was willst du?"
Ethans Stimme war rau und voller Zorn.
Ich machte einen Schritt ins Zimmer und schloss die Tür hinter mir, dann lehnte ich mich dagegen und verschränkte meine Arme vor der Brust, darauf bedacht meine Gesicht ausdruckslos zu halten: „Ich will wissen was dein Problem ist."
Ethan sprang von seinem Bett auf und fauchte mich zornig an: „Ich habe kein Problem!"
„Tut mir leid dir das sagen zu müssen, doch so ganz hast du mich nicht überzeugt."
Genervt warf er seinen Arme in die Luft: „Ach scher dich doch zum Teufel Johannes. Seit du da bist geht bei mir alles den Bach runter. Zufrieden mit dieser Antwort?"
Dieser schienheilige Bastard.
„Was geht bei dir bitte den Bach runter? Deine Beziehung? Daran bist du komplett selbst schuld, schieb das nicht mir in die Schuhe!" Hoffentlich war niemand da, der uns hören konnte.
Ethan, der am Fenster gestanden hatte, wirbelte zu mir herum und seine Augen blitzen wütend auf: „Und ganz ehrlich Joey, du kannst von mir aus allen Weiß machen du würdest es ernst mit Caty meinen, ich weiß es besser! Du bist nicht besser als irgendein anderer Player an meiner Schule, du wirst ihr das Herz herausreißen und..."
Ich hatte ja nicht wirklich gedacht der Streit würde um Caty gehen aber gut.
„Was redest du für einen Mist Ethan? Was soll der Scheiß? Du hast doch keine Ahnung von meiner Beziehung! Ich liebe dieses Mädchen verdammt noch mal und ich würde ihr niemals freiwillig weh tun."
Wütend zeigte ich mit dem Finger auf ihn: „Doch du hast damals nicht nur Caty mit Chloe weh getan, jetzt verletzt du Chloe indem du dich so eifersüchtig wegen Caty aufführst. Du hast sie betrogen verdammt noch mal und sicher wir sind jung und bleiben mit unserem jetzigen Partner nicht für immer zusammen, doch das ist kein Grund einem Mädchen dermaßen weh zu tun. Hast du das kapiert?
Du als großer Bruder solltest das doch verstehen! Mann Ethan hör auf dich wie ein Vollidiot aufzuführen und kapier endlich das sich nicht alles um dich dreht! Wenn du ein Problem mit Chloe hast dann klär es, bevor sie es aufgibt und sich jemanden sucht, der nicht ganz so bekackt ist wie du.

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Irgendwas was ihr loswerden wollt oder Ideen für alles weitere?

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LG Queenelizabeth1

The nice guyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt