Streit

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Joey

Gegenwart

Müde lag ich au fmeinem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt starrte ich ausdem Fenster und beobachtet die tausend Regentropfen die gegen dasFenster krachten. Meine kleine Schwester hatte mich angerufen, sieund unsere Eltern hatten sich ein Flug gebucht, nächste Woche kamensie schon und besuchten mich. Und dann...dann war es nur noch einhalbes Jahr. Ein halbes Jahr noch um Amerika zu erforschen, ich warnoch nicht besonders weit gekommen. Hatte meinen Plan aufgegeben,nachdem ich Caty ein zweites Mal getroffen hatte. Vielleicht sollteich das ändern, nicht das ich später noch bereute nichts gesehen zuhaben. Außerdem gefiel mir der Gedanken in einem 67 Chevey Impaladurch das Land zu fahren. Doch noch viel besser wäre es, wenn Catyauf dem Beifahrersitz sitzen würde.
Natürlich ging das nicht,sie hatte schließlich Schule, außerdem war ihr Dad auf dem Weg derBesserung, sie konnte ihn nicht einfach hier lassen, nicht nach allemwas die zwei durchgemacht hatten.
Ich verstand das vollkommen, nur hieß das für mich wohl auch, dass ich hier blieb. Nicht das Catymich nicht gehen lassen wollte, nein, wenn sie von meinen Plänenwissen würde, hätte sie mich vermutich mit einem Fußkick in das Auto befördert und mich los geschickt, damit ich auch ja nichtsberäuen konnte. Im tiefen Innersten wusste ich schon, dass ich esnicht bereuen werden würde, bei ihr geblieben zu sein. Denn wenn meine sechs Monate abgelaufen waren, lag die halbe Welt zwischen uns und das was wir gerade hatten, war schneller vorbei als ich Amerikasagen konnte. Und das obwohl sich diese Sache zwischen uns soverdammt gut anfühlte.
Vielleicht wäre es schlauer von mir jetzt gleich zu gehen, eine weite Reise zu machen. Mit dem Geldwelches ich bei meinem Onkel verdient hatte, war ein Monat bestimmtmachbar. Doch auch dann würde mir der Abschied nicht leichterfallen.
Wäre nicht diese riesige Entfernung zwischen uns, Catyhätte sicherlich die Richtige sein können. Die Richtige um einLeben mit ihr zu teilen.
Aber so sah es in der Realität nunmalnicht aus. Und jetzt musste ich überlegen was meine Optionen waren.
Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Überlegungen.Ohne auf die Nummer zu schauen, wusste ich dass es Caty war. IhrGesicht leuchtete mir schon entgegen. Sie hatte gerade gelacht, einEis in der Hand, die Sonnenbrille in ihre blonden Locken geschoben.
Ich nahm ab: „Hey Sparkle."
„Joey",sie klang atemlos,ihre Stimme zitterte und bebte. Besorgt setzte ich mich auf undverstärkte meinen Griff um das Handy: „Caty, was ist los? Was istpassiert?"
„Sie...", ein Schluchzer unterbrach sie, „sie,meine Mutter, sie ist wieder da. Kannst du kommen Joey?"
Schonwar ich vom Bett aufgestanden, die Schuhe in der einen Hand, hektischden Schlüssel meines Motorrads suchend: „Wo bist du? Ich komm undhol dich."
Ich konnte sie schniefen hören: „Ich ähm...ichsteh vor dem Haus, kannst du mir entgegen kommen?"
„Schon aufdem Weg, Sparkle."
„Okay, okay. Dann bis gleich."
Ichlegte auf und öffnete meine Zimmertür.

Caty

8 Stunden zuvor
Mom,meine...Mom...sie war hier. Hier bei uns Zuhause.
„Jenna",hörte ich meinen Vater murmeln, so viel Freude und Entsetztenzugleich in der Stimme das mir ein kalter Schauer den Rücken runterlief. Mein Dad war noch lange nicht über sie hinweg, er liebte sieimmer noch. Das hatte sie nicht verdient. Weder meine noch Dads Liebehatte sie verdient, meine würde sie auch nicht bekommen. Niemalswieder.
„Hallo Henry" wie eine Kugel traf mich ihre Stimme,ihre Worte. So fröhlich, so vertraut als wäre nie etwas passiert.Als hätte sie uns beide nicht betrogen und zurück gelassen, alshätte sie mich nicht zurück gelassen. Ihr eigenes Kind, ihre eigeneTochter.
Mein Atem glitt zu schnell durch meinen Körper, ichkonnte keinen Sauerstoff aufnehmen, ich konnte mich nicht bewegen,ich konnte nicht einmal mehr denken.
Im nächsten Moment war esum mich herum schwarz.

„Caty, Baby,komm wach auf."
Schwach flatterten meine Lieder, ich spürteeinen Hand in meinem Nacken, einen Körper neben mir. Es war nichtmein Dad.
Meine Augen flogen auf, ich wollte nicht...das sie...sonah war. Sie war gegangen, jetzt sollte sie auch verschwundenbleiben.
Ihre grünen Augen schauten mir entgegen, waren mir aufkomische Weise fremd geworden. Ihre Haare waren immer noch hellbraun,doch einzelne graue Strähnen konnte auch sie nicht leugnen. KeineFalte, keine Tränen, keine Freude.
„Wo ist Dad? Wo istmeinVater?"
„Ich bin hier Caty."
Ich richtete mich einStück weiter auf, bis ich an der Lehne des Sofas saß, mein Kopfschmerzte und ich konnten nicht klar denken.
„Daddy",ichhasste die Schwäche und die Unsicherheit in meiner Stimme. Die ganzeZeit war ich stark geblieben und jetzt kam sie und ich klapptezusammen: „Dad, was macht sie hier?"
Die Frage der Fragennehme ich an, ich bekam keine Antwort darauf.
Ich setzte michweiter auf, fand meine Kälte, meine Schutzmaske wieder: „Naja, istja auch egal" ,wisperte ich mir eher selbst zu. Stand schließlichauf um über ihr stehen zu können. Ich blickte sie an, diese Frau,meine Mutter.
„Denn sie wird gehen. Gleich jetzt."
Dannrauschte ich aus dem Zimmer, ich hatte einen Plan. Anziehen, fertigmachen, wenn sie immer noch da war sie endlich los werden und einen schönen Tag mit meinem Dad verbringen.
Wie ein Krieger zog ichmeine Rüstung an, ich hatte sie schon seit einiger Zeit nicht mehrgebraucht. Kurze Shorts, schwarzes T-Shirt, goldene Armbänder undKetten, ein hoher Pferdeschwanz und dunkelrote Lippen.
Ich hatte das Gefühl zu träumen, zu schweben, nicht mit dieser Welt verbundenzu sein. Sie hatte mich aus dem Gleichgewicht gebracht, schon wieder.
Polternd lief ich die Treppe hinunter, weil sie es immer gehasst hatte, wenn ich das tat. Und tatsächlich war sie noch da, beide,meine Mutter und mein Dad kamen aus der Küche und blickten mirentgegen, meine Mutter emotionslos, mein Vater besorgt.
Ich hatte nicht vor auch nur ein Wort mit ihr zu wechseln: „Was macht sieimmer noch hier Dad?"
Und da war sie wieder, meine Stimme, kalt und arrogant und gleichzeitig stark und nicht zu brechen.
„Caty",meine Mutter redete niemals laut, auch jetzt nicht, „Ich bin direkthier, rede doch mit mir."
Ich hatte nicht vor sie zu beachten,schlüpfte an meinem Vater vorbei in die Küche und schnappte mireinen Teller mit Ei und setzte mich.
Beide setzen sich zu mir,ich hatte wohl keine andere Wahl als das jetzt genau hier mit ihrauszufechten, den Hunger hatte sie mir eh versaut.
„Caty",probierte es diese Frau wieder, in diesem leisen Ton der mich ganzaggressiv werden ließ, „willst du nicht mit mir reden? Wir habenuns doch schon so lange nicht mehr gesehen. Du hast mir gefehltBaby."
Nur ganz langsam ließ ich die Gabel sinken: „Undwessen Schuld ist das?"
„Ich weiß doch Baby, ich weiß dasich den größten Teil der..."
Ich schnaubte auf: „Den größtenTeil ?" ,meinte ich zynisch.
Ich konnte sie ebenfalls lautausatmen hören, ihre Stimme klang nur mühsam beherscht. Gut.
„Ja den größten Teil. Schließlich hättest du dir auch die Mühemachen können mich und deine Brüder zu besuchen."
DieseFrau...diese Frau war doch wirklich die Höhe: „Ich hätte mir auchdie Mühe machen können?! Hörst du eigentlich was du sagts Jenna? Denkst du nach bevor du sprichst oder handelst?"
Zornig sprang meine Mutter auf: „So kannst du nicht mit mir reden! Henry was hastdu mit unserer Tochter gemacht dass sie es sich erlaubt so mit mir zusprechen?"
Ich ließ meinen Vater gar nicht erst zu Wort kommen,hier ging es nicht um ihre zerstörte Ehe oder darum dass sie meinenVater betrogen und vollkommen zerstört zurück gelassen hatte, hierging es um ihr komplettes Versagen als meine Mutter.
„Oh nein Jenna komm mir gar nicht so. Und lass Dad mal schön aus dem Spiel.Du bist wenn schon diejenige die Schuld hat. Du hast uns einfach hiergelassen und bevor du gegangen bist, hast du mir noch meine Brüdergenommen. Du hast mich einfach aus deinem Leben geschnitten wie einTumor und das ist der Preis den du hier zu zahlen hast. Verstanden!
Weder brauch ich dich noch in meinem Leben, noch will ich dich darin. Geh einfach dahin zurück wo du hergekommen bist und richteden Zwillingen aus, sie können mir auch gestohlen bleiben. Ich kanndiesen Scheiß echt nicht gebrauchen. Kapiert?"
Bevor ichüberhaupt vollkommen begreifen konnte, was ich das gerade gesagthatte, nahm mein Körper reiß aus und lief quer durch die Straßen.
Nicht drüber nachdenken, nur nicht drüber nachdenken. Ich hatteecht genug mit ihr gekämpft um zu wissen dass sie so schnell nichtaufgeben würde. Ich hatte das hier wirklich satt und wenn Dad ihrerlaubte zu bleiben, dann konnte er es vergessen mich heute nochmalzu Gesicht zu bekommen.
Das nächste Mal, dass ich wirklichkomplett realisierte was um mich herum passierte, war als ich imströmenden Regen und in aufkommender Dunkelheit vor meinem eigenenHaus stand und nicht wusste was zu tun war. Wo ich hin sollte wennsie immer noch hier war.
Ich griff nach meinem Handy, es gabeigentlich nur eine Option.
Es klingelte kurz, im nächstenMoment wurde auch schon abgehoben: „Hey Sparkle."
Seine Stimmezu hören, brach die Bande und erste Tränen entwischen mir undvermischten sich mit dem Regen auf meinen Wange: „Joey."

The nice guyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt