Was macht er denn hier?

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Basketballspiel

Caty

Genervt stand ich vor meinen Schrank und starrte in seine Tiefen. Was zog man den bitte zu einem Basketballspiel an? Vorallem interessierte ich mich einfach nicht für diesen Sport, ich kannte zwar die gröbsten Regeln aber ich wollte weder Ethan sehen, noch mich länger als nötig in dieser Schule aufhalten.

Paradox ich weiß. Aber was sollte ich schon machen?

Seufzend schaute ich kurz in meinen Spiegel bevor ich mich wieder auf meinen Schrank konzentrierte, ich  musste noch meine Haare föhnen, mich schminken, endlich etwas anziehen. Fast vermisste ich mein altes Ich. Das hätte einfach seine Lieblingshose, den flauschigen Pulli und ein wenig Mascara benutzt und wäre vollkommen zufrieden in die Schule gegangen. Doch das alte Ich war verlassen worden, verraten worden, verletzt worden. Es hatte sich elend und alleine gefühlt. Keines von all den Sachen wollte ich je wieder sein.

Ich schlüpfte in eine helle Skinnyjeans und zog mir ein dunkelrotes Langarmshirt über. Dann föhnte ich mir die Haare zu wilden Locken. Harmlos? Klang vielleicht so, doch ich hatte das Gefühl meine Brüste wären kurz davor aus meinem Ausschnitt zu kugeln und einmal Hallo zu sagen. Knallroter Lippenstift, dunkel geschminkte Augen. Das war das neue Ich. Das kalte, selbstsichere, nicht verletzbare Ich. 

Für heute sollte es reichen.

Seufzend griff ich nach meiner Handtasche und lief die Stufen nach unten. Zu dem perfekten Bild hätten noch High Heels gefehlt, doch auch darauf verzichtete ich heute und fühlte mich irgendwie schrecklich klein. Doch ganz ehrlich, lieber einmal klein fühlen als peinlich zu stürzen und sich den Knöchel zu brechen.

"Dad?" ,rief ich in das Wohnzimmer. "Ich fahr jetzt los. Ich nehme das Auto okay?"

Natürlich bekam ich keine Antwort. Verwirrt lief ich durch den Gang in Richtung Küche: "Dad?"

Das hätte ich mir auch gleich sparen können. Mein Vater lag schnarchend auf den Küchentisch, einige Bierdosen und eine Schnapsflasche neben sich. Als gute Tochter hätte ich ihn wecken sollen und in sein Bett bringen. Doch das hatte er nicht verdient. Er wusste genau das ihn die Sauferei umbringen konnte, seine Leber war furchtbar schlecht und konnte den ganzen  Alkohohl den er in sich reinkippte nicht vertragen. Doch hey, warum sollte er auf seine Gesundheit achten? Es gab ja niemanden auf den er eigentlich hätte aufpassen müssen, niemanden der ihn vielleicht gebraucht hätte.

Also bitte, wenn er wollte sollte er sich doch zu Tode saufen.

Wütend lief ich in den Gang, schlüpfte in meine schwarzen Stiefel und ließ die Haustür krachend ins Schloss fallen. Nicht das mein Vater davon aufgewacht wäre, selbst wenn ich vor seiner Nase erschossen worden wäre, der hätte seelenruhig weiter geschlafen. Und das alles nur weil meine Mutter plötzlich dachte zu gut für uns zu sein. Zu gut für Dad, für mich...nur meine Brüder die hatte sie nicht so einfach gehen lassen wollen. Hatte beide sogar dazu überredet mit ihr zu kommen, sich eine Wohnung in ihrer Nähe zu suchen.

Möglicherweise fuhr ich ein bisschen schneller als erlaubt, deshalb schaffte ich es sogar noch vor Spielbeginn in die Halle und schlüpfte auf den Platz den Natalie und Bianca den sie  mir frei gehalten hatten. Für andere wirkte es wahrscheinlich so als wären wir gute Freundinnen, so als würden wir uns gut verstehen und sogar zusammen halten. Tja, die Wahrheit sah etwas anders aus. Was wir hatten war eine politisch wichtige Beziehung. Wenn wir jedoch etwas wollten was eine der anderen hatte, keine würde zögern und es sich ungefragt holen. 

"Hey meine Süßen" sagte ich etwas atemlos und küsste beide kurz auf die Wangen. Natalie strahlte mich an und Bianca grinste nur spöttisch. Dieses Mädchen war einfach nicht zu verstehen. Genau in diesem Moment wurde die Musik in der Halle leiser gedreht und einer der Schülerzeitung brüllte in sein Mikrophon: "Heißen sie alle unser Basketballteam willkommen!"                                                               Einige der Zuschauer sprangen sogar jubelnd von ihren Plätzen auf, so sehr freuten sie sich. Oh man.     "Als erstes unser Captain und Aufbau: Ethan Conner!"

Möglicherweise kam es mir ganz kurz hoch als ich Ethan lässig über das Feld laufen sah. Chloe sprang hysterisch auf und er warf ihr eine Kusshand zu. uähhäää. Musste das wirklich sein. Ich meine ehrlich Leute, die zwei waren weder im Kindergarten noch fünzig Jahre verheiratet. Sie hatten also keinerlei  Recht sich so komisch aufzuführen.

Nacheinander rief Mark, ich glaube ich hatte mal kurz was mit dem Kerl, alle Spieler auf. Und leider musste ich zugeben das Ethan mit Abstand der Attraktivste war. Und derjenige mit dem meisten Selbstbewusstsein, überhaupt schien er den meisten seiner Mitspieler überlegen zu sein. Bianca neben mir hatte auch ihr Augen auf meinen Exfreund gerichtet. Das hungrige Glitzern in ihrem Blick erinnerte mich an einer Raubkatze.

Dann war die gegnerische Mannschaft an der Reihe, ich versuchte mich wirklich auf die Jungs zu konzentrieren, vielleicht fand ich ja jemanden der mir den Abend versüßen konnte, doch eine andere Stimme jagte mir eine Gänsehaut auf den Rücken. Diese Stimme, diese tiefe Stimme mit dem schrecklichen Aktzent, wahrscheinlich hätte ich sie überall erkannt.

Es war der Kerl aus der Bar in New York. Dieser Kerl an den ich die ganze restliche Nacht hatte denken müssen, dieser wahnsinnig gutaussehender Kerl. Der tatsächlich dann einfach gegangen war.

"Mann Jess" ,sagte er gerade, "du musste mir nicht erklären wie man Basketball spielt. Ich weiß durch aus wie das geht." Er klang nicht wirklich genervt, eher amüsiert.

Ich konnte nicht wiederstehen und warf einen Blick über meine Schulter. Ich hatte recht gehabt, natürlich hatte ich recht gehabt. Er saß zwei Stufen über mir, direkt hinter mir. Und ja, ich war definitiv nicht die Einzige die bemerkt hatte wie gut er aussah. Seine Ellbogen hatte er wieder lässig auf die Oberschenkel gestützt. Die braunen Haare standen ihm etwas wirr vom Kopf ab und die hochgeschobenen dunkelblauen Pulloverärmel betonten seine kräftigen Arme. Ich konnte sein amüsiertes Lächeln sehen, welches er der Person neben sich zuwarf.

Diese Person kannte ich auch. Jessica Conner, die kleine  Schwester von Ethan.

Ich konnte ihr fröhliches Kichern hören, war sie nicht noch etwas jung? Doch die beiden gingen so vertraut miteinander um. Ein Gefühl machte sich in mir breit, ein Gefühl welches ich schon Ewigkeiten nicht mehr gefühlt hatte. Ich weigerte mich es zuzulassen. Eilig drehte ich mich um. Den forschenden Blick von Bianca ignorierte ich. Eine Frage hatte von mir besitz ergriffen.

Was machte er denn hier?

Und während ich Ethan dabei zusah wie er seine Mannschaft zum Sieg führte, sicher Korb um Korb warf und die Gegner mit seiner Defence einschüchterte, beherschte mich zum ersten Mal etwas anderes als Leere. Als Gleichgültigkeit.

Ich versteckte mich hinter meiner Maske aus Eis, versuchte mich irgendwie unsichtbar zu machen doch gleichzeitig wünschte  ich mir nichts mehr als dass er mich sah, sich erinnerte. An das Mädchen auf der Bühne. Ich lauschte seinen Scherzen die er mit Jessica Conner austauschte, lauschte seinem und ihrem Lachen. Sein deutscher Akzent war so irritierend und trotzdem erwischte ich mich selbst dabei wie ich gerne über seine Witze gelacht hätte.

Die Zeit des Spiels lief ab, nur noch zwei Minuten. Kein einziges Mal hatte ich mich zu ihm gewandt und ihn beobachtet. Ich hatte bewiesen das er mich faszinierte doch das ich nicht davon beherscht wurde. Einmal wollte ich mich noch umdrehen, wer wusste schon ob ich ihn überhaupt noch einmal zu Gesicht bekommen würde. Und ja, genau so wie ihn hatte ich mir immer meinen Traummann vorgestellt, warum also nicht einen weiteren Blick riskieren?

Bianca und Natalie jubelten unseren Jungs zu, feuerten sie in der letzten Minute noch an. Jetzt war der beste Augenblick, jetzt würde auch er so gebannt vom Spiel sein, er würde es nicht bemerken. Mit pochenden Herzen drehte ich mich um...

...

...

...

warme, brauen Augen starrten zurück, schienen mir sanft zuzulächeln. Verdammt.

Verdammt, verdammt, verdammt!



The nice guyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt