Nein... Coleman...
»Cole, komm da weg!«, augenblicklich reiße ich ihn noch weiter von der Infizierten weg, die mich nun irritiert aus ihren grauen, fast leblosen Augen mustert.
»Sie ist Infiziert!« Coles Augen, die bis eben noch teilnahmelos schienen, weiten sich vor Besinnung und sein Blick wandert zu seinem One Night Stand.
»Nein, dass kann nicht sein.«, wispert Cole und scheint, genauso wie ich, alles um sich herum auszublenden. Es ist, als hätten die Musik und die Anwesenden den Raum gewechselt. Mein Griff um Colemans Arme verstärkt sich und mit einem Ruck reiße ich ihn aus seiner traumatischen Starre heraus.
»Wir müssen hier weg!«, rufe ich über die Musik hinweg, die soeben wieder in den Vordergrund gerückt war. Mit einem Nicken signalisiert er mir, dass er verstanden hat und keine Sekunde später tauchen wir in die schwitzige Menschenmasse ein. Coles Hand ergreift meine und er überholt mich mit einem großen Schritt, um die Führung zu übernehmen. Mit seinen breiten Schultern hat er es leichter, uns Platz zu machen und wir kommen schneller voran. Ohne, dass ich es gemerkt habe, hatte ich angefangen zu zittern und eine Gänsehaut hatte jeden Faser meines Körpers überzogen. Ich schlinge schützend meinen freien Arm um mich, in der Hoffnung die Kälte, die mich erfasst hatte, so auf Abstand zu halten.
Gegen jeden Willen entkommt eine Träne meinem Auge, die sich wie eine Flamme meine Wange entlang brennt. Wieso hat es Cole erwischt?
Wir erreichen den Ausgang des Clubs und mit Schwung wirft sich mein infizierter Freund gegen die Eisentür, während er den Hebel nach unten drückt. Die kalte Nachtluft schlägt uns entgegen und lässt meinen Körper erstarren.
»Es tut mir leid.«, flüstert Coleman und zieht mich in eine Umarmung. »Es tut mir leid.«
Meine Tränen befeuchten seine Lederjacke. Unter seinen starken Armen bebt mein Körper unaufhaltsam und ein undefinierbarer Schmerz beginnt mich von innen heraus zu zerfressen. Gleichzeitig bin ich wütend. Wütend auf Cole und diese dumme Blondine. Gott, es tut so weh. Was soll ich machen? Er ist infiziert und mir ist kein Infizierter bekannt, der die Seuche je überlebt hat. Schon spüre ich, wie mein Herz bricht und sich eine gähnende Leere in mir ausbreitet. Was soll ich ohne Cole machen?
Coleman drückt seine weichen Lippen in meine Haare und setzt einen federleichten Kuss auf meinen Scheitel. Dann schiebt er mich leicht von sich weg, um mich ansehen zu können.
»Bitte hör auf zu weinen. Komm wir gehen nach Hause.« Stumm nicke ich und blicke zu ihm auf, was ich im selben Augenblick bereue. Seine Augen! Seine Augen sind grau! Er scheint zu merken, was mich erschreckt und wendet seinen Blick ab.
»Tut mir leid.«, murmelt Cole und läuft los. Schlotternd folge ich ihm und umschlinge meinen Körper, was sich als nicht wirklich effektiv erweist. Mit einem schuldbewussten Lächeln entledigt Coleman sich seiner Jacke und legt sie mir um die Schultern. Augenblicklich wird mein Körper von einer wohligen Wärme umhüllt, die Cole auf den Stoff übertragen hat und sein angenehmer Geruch nach Karamell und Marijuana steigt mir in die Nase und übt sofort eine beruhigende Wirkung auf mich aus.
Er zieht mich an meiner Schulter zu sich heran und Arm in Arm schwanken wir durch die Londoner Straßen. Genießen gemeinsam die sternenklare Nacht und versuchen noch letzte gemeinsame Erinnerungen zu schaffen.Ich schnelle im Bett auf. Mein Kopf brummt und mit meinem Handrücken wische ich kleine Schweißperlen von meiner heißen Stirn. Mein Atem beruhigt sich langsam und ich brauche einen Moment, bis ich realisiere, dass ich nur einen Albtraum hatte. Doch mein größerer Albtraum, darüber bin ich mir bewusst, spielt sich in der Realität ab. Ich kneife meine Augen zusammen, wegen dem Stechen in meiner Stirn, und nehme meine Hand schützend hoch, um sie gegen meine pochende Haut zu drücken. Mit wackeligen Beinen schwinge ich aus meinem Doppelbett und wanke aus dem dunklen Zimmer. Vom hellen Licht geblendet, stolpere ich weiter in die Küche, um die Kaffeemaschine einzuschalten. Ich höre nackte Füße über das Paket klatschen und als ich aufsehe, steht vor mir ein verschlafener Coleman, der sich müde mit den Fäusten die Augen reibt.
»Morgen.«, murmele ich. Er sieht auf und mein Blick wird von grauen, leblosen Augen erwidert. Ich zucke zusammen und wende mich schnell ab.
»Ich.. ich geh mich schnell fertig machen.« Meine Worte verlassen stotternd meinen Mund und keinen Moment später, steht Cole alleine in der Küche.
Im Bad angekommen, befördere ich das eiskalte Wasser in mein Gesicht und stütze mich anschließend mit meinen Händen am Rand des Waschbeckens ab, um den halt nicht zu verlieren. Diese neuen Ereignisse sind wie ein unzerkautes Stück Brot, das mir im Hals stecken geblieben ist. Doch ich bin nicht bereit dazu, es aus zu würgen. Ich bin nicht bereit dazu, Cole gehen zu lassen. Ich werde es Stück für Stück verdauen und mir anschließend Medizin besorgen, um Coles Problem zu lösen. Dumm nur, dass es diese nicht gibt.Ich mache mich fertig und komme angezogen ein paar Minuten später wieder in der Küche an. Cole sitzt auf dem Sofa und sieht starr aus dem Fenster, die heiße Kaffeetasse in der Hand. Abwesend nippt er an der Brühe. Er scheint mich nicht wahrgenommen zu haben. Ich schnappe mir meine volle Tasse, die unter der Maschine steht und lasse mich neben Coleman nieder. Nachdem ich ein paar Schlucke getrunken habe, stelle ich meine Tasse neben die halbvolle von meinem lustlosen Freund.
»Kommst du mit in die Stadt?«, frage ich ihn, unsere beiden Blicke auf die Welt hinter den großen Fenstern gerichtet.
»Mir egal.«, seufzt er und legt seinen Kopf in den Nacken. Für einen Moment schließe ich meine Augen, um vor Schmerz nicht laut zu schreien. Gestern wäre seine Antwort noch ein freudiges Ja gewesen.
»Wie du willst.« Ich beuge mich vor, um nach meiner Tasse zu greifen und lehne mich dann wieder zurück. Ich will die Tasse gerade an meine Lippen ansetzten, als mich Coles Stimme inne halten lässt.
»Das würde ich nicht tun.«, meint er, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Irritiert sehe ich ihn an. »Das ist meine Tasse. Schon vergessen; der Speichel.«
»Oh.«, ist alles was mir dazu einfällt und ich stelle das mittlerweile kalte Getränk auf den überfüllten Tisch zurück. „Also... dann gehe ich. Kommst du nun mit?", frage ich dann zögernd.
»Wen interessiert das schon?«
»Mich! Mich interessiert das. Jetzt reiß dich zusammen. Du hast die Seuche erst seit Gestern. Normalerweise sollte es dir heute noch einigermaßen blendend gehen.«
»Aber es nützt doch eh nichts. Jane, ich werde sterben! Ich werde mich umbringen, gleich nachdem ich mit meinen unerklärlichen Depressionen nicht mehr klar komme.« Nun wird auch seine Stimme lauter, doch die Frustration in seinem Unterton lässt mich stocken.
»Wir haben noch Zeit. Bitte gib nicht auf. Ich brauche dich. Und ich verspreche dir, ich lass nicht zu, dass dich dieses Schicksal wiederfährt. Ich werde ein Heilmittel finden!« Cole lacht auf und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen ungläubig an.
»Du willst ein Heilmittel finden? Mhm, ja klar und ich bin Batman.«
»Cole...«
»Jane, es ist hoffnungslos. Ich bin hoffnungslos.«
»Sag sowas nicht.«, wispere ich weinerlich. Seine Worte verletzten mich mehr, als die Tatsache, dass er infiziert ist. »Bitte...«
»Lass mich doch einfach in Ruhe.« Wie ein Schlag ins Gesicht. Mein Visage verzieht sich und eine Träne, die all meine Liebe und Hoffnung beinhaltet, verlässt meine Augen und lässt mein trauerndes Herz alleine zurück. »Geh!«, schreit er mich an. Ich springe auf, renne aus der Tür und werfe die Tür mit einer solchen Wucht zu, dass das ganze Gebäude zu beben scheint. Ich kann das nicht. Vielleicht sollte ich mir doch einfach den Finger in Hals stecken und das Stück Brot auskotzen.
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Jane is alive
Teen FictionMein Nachbar: Ist vom Dach gesprungen Mein Busfahrer: Hat sich, samt Insassen, in seinem Gefährt in die Luft gejagt Meine Tante: Hat sich ein Messer in den Bauch gerammt Meine Eltern: Verschwunden Ich hab echt Glück ein Bewohner Londons in diesen Ze...