SIXTEEN

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"Also, wir brauchen... 10... Nein warte, nimm einfach alle Töpfe die da sind. Und dann noch..." Cole verschwindet im nächsten Gang und seine Worte mit ihm. Verwirrt stehe ich wie angewurzelt auf dem ekligen Plastikboden und versuche mir zusammen zu reimen, was Cole vor hat. Möchte er Blumen pflanzen, um das depressive London zu verschönern? Halt! Ich hab's! Er möchte einen Gemüsegarten anpflanzen, damit wir nicht mehr einkaufen gehen müssen.

"Hey, Cole! Warte auf mich.", schreie ich durch den Baumarkt und renne irrend durch die Gänge, um Cole einzuholen. Ich finde ihn im nächsten Seitengang, wo er gerade die Töpfe auf unserem Wagen stapelt.
"25...26..."
"Magst du lieber Paprika oder Tomaten. Weil ich hab gehört, Tomaten sollen relativ schwer zu halten sein." Verwirrt hält Cole in seiner Bewegung inne und sieht mich mit zusammengekniffenen Brauen an, als würde er versuchen einen Zusammenhang aus meinen Wörtern zu schließen. Fragend starre ich zurück und eine unangenehme Stille hat sich um uns gehüllt. Mich würde es nicht wundern, wenn gleich irgendwelche Grillen zu surren anfangen würden.
"Also... Keine Tomaten?", frage ich unsicher. Cole sieht mit offenen Mund  einmal nach links und dann nach rechts, um sicher zu gehen, dass niemand diese Situation verfolgt, bevor er ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz kehrt macht und eilig davon geht.
"Dann warte ich draußen.", meine ich, zu leise, als das es an seine Ohren gelingen konnte, und kratze mich verlegen am Kopf. 

Ich kratze mit den Fingernägeln über den Asphalt, da ich nichts besseres zu tun habe. Mein Blick fällt auf meine Convers, die so ranzig aussehen, als wären sie seit fünf Generationen ein Familienerbstück und meine Urgroßoma im Krieg gewesen. Immerhin haben sie ein Feuer überlebt. Also meine Schuhe. Bei meinen Urgroßeltern bin ich mir da nicht so sicher. Ich sollte mir einen Familienstammbaum zulegen. 

Die Sonne strahlt unwiderstehlich auf mich herab und vor langweile beginne ich zu gähnen. Wo bleibt Cole nur? Als hätte Gott meine stille Bitte nach Befreiung aus meiner Todes-langweile erhört, öffnet sich die Tür des Baumarktes und Cyrian kommt, angeführt von einem vollgeladenen Wagen durch die Tür getreten. 

"Na endlich. Weißt du, ich bin fast gestorben. Denkst du meine Urgroßoma war im Krieg?" Ich stehe auf und setze mich auf den Haufen von Erde Säcken wieder hin.

"Hast du einen Sonnenstich?"

"Wie kommst du darauf? Ist ja auch egal. Was fangen wir mit diesem Krempel hier an? Offensichtlich hast du ja nicht vor, einen Gemüsegarten anzupflanzen.", meine ich und Coleman schiebt den Wagen die Straße hinunter.

"Gras." Oh. Das ergibt Sinn. Wieso bin ich da nicht früher drauf gekommen? Ich glaube, ich habe einen Sonnenstich. Um der Peinlichkeit meiner Dämlichkeit zu entgehen, halte ich meinen Mund und genieße die Fahrt nach Hause. Beim Hochtragen der Dinge muss ich nach einer fünf Minütigen Diskussion dann doch helfen, aber auch das bringen wir relativ schnell hinter uns. Fertig mit der Welt setzte ich mich auf die Couch und schließe die Augen. Mein Körper schmerzt und ich sehne mich nach etwas, dass dieses Brennen betäuben kann. 

"Ich brauche Hilfe!", rufe ich und kurz darauf tritt Cole in das Zimmer.

"Was ist los?"

"Rauch mit mir. Wir brauchen es beide.", schmunzle ich und Cyrian tut wie befohlen. Er setzt sich neben mich und sieht mich aus seinen grauen Augen an. Dann entzündet er das Heilmittel, nimmt einen tiefen Zug und ich meine, sehen zu können, wie sich die ersten Partikel in seinen Augen wieder bunt färben. Von der Faszination gepackt, merke ich nicht, wie er mir den Joint entgegen hält und so nimmt er selbst einen weiteren Zug. Er pustet mir den Rauch ins Gesicht und meine Augen beginnen zu brennen, mein Rachen zu kratzen. Angenehme Gefühle. Ich lächle.

Cole und ich mussten auf der Couch eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen öffne, ist draußen tiefste Nacht. Mein Kopf liegt in seinem Schoss und vorsichtig, damit ich ihn nicht aufwecke, erhebe ich mich, um zu der Fensterfront zu gehen. Es ist eine klare Nacht. Der Himmel Wolken frei und die Sterne strahlend hell. Es scheint alles so friedlich, so gelassen, so ausgeglichen, dass es mir einen Stich ins Herz versetzt. Ich wäre die Letzte in diesem Familienstammbaum. Es gibt niemanden mehr und die Wahrscheinlichkeit, dass ich diese Seuche überlebe, ist nicht gerade sehr hoch. Auch wenn ich das nur ungerne zugebe. Wir sind nun mal nicht für die Unendlichkeit geschaffen. Wir sind Vergänglich, wie alles andere auch. Mehr zu verlangen, wäre gegen die Naturgewalt. Cole sein Leben zurück zu geben, ebenso. Eine heiße Träne läuft über meine Wange und tropft von meinem Kinn auf mein Bein. Ich will Cole nicht verlieren! Nicht jetzt schon! Er ist alles, was ich habe. Er ist meine Luft, meine Nahrung, mein Leben. Er ist meine Freiheit, meine Gefangenschaft, meine Liebe und mein Untergang. Wer bin ich ohne ihn? 

Auf eine Träne folgt die nächste, bis mir das Salzwasser in Strömen die Wangen hinab fließt. Später in der Nacht erhebe ich mich, decke Cole auf dem Sofa zu und verkrieche mich in mein eigenes Zimmer, um noch ein bisschen Schlaf zu bekommen, bevor morgen das Leben von neuem beginnen würde. Dieses Leben...      

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 21, 2017 ⏰

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