TWELVE

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Die Sonne prallt ohne Erbamen auf uns herab. Würde ich an Gott glauben, hätte ich jetzt ein stilles Gebet in den Himmel geschickt. Vielleicht wäre es aber schlauer die Sonne anzubeten, die könnte mir dann doch eher weiterhelfen.
"Nächste Kreuzung links oder rechts?", fragt Cole, auf dessen Stirn sich bereits Schweißperlen gebildet hatten.
"Links und dann rechts in die Westminster.", lese ich von der Papierkarte ab, ein Wunder, dass wir solch eine noch gefunden haben. Klar besitze ich ein Handy, aber ohne High Speed kommt man nicht so weit. Wir befolgen meine Wegbeschreibung und kommen vor dem Metropolitan zum stehen. Das selbe Revier, wo ich auch den lebensmüden Cole rausgeholt habe. Ich knittere die Karte zusammen und stopfe sie in meine Jackentasche, die leider nicht genügend Platz für die ganze Karte spendet, sodass die Hälfte raushängt.
"Hallo, ich bin Jane.", begrüße ich den Beamten, der vor dem Gebäude platziert ist.
"Peter Parker." Irritiert sehe ich zu Cole auf.
"Wie der aus Spiderman?"
"Genau wie der."
"Coole. Also was wollt ihr?", fragt der Polizist, der immer noch beeindruckt von Coles neuem Namen drein schaut.
"Also eigentlich ist das geheim. Können wir ihnen vertrauen?" Ich hebe meine Augenbrauen, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen.
"Wahrscheinlich mehr, als jedem anderen. Depressive haben es nicht so mit Loyalität." Ein schelmisches Grinsen umspielt seine Lippen und er schiebt seine Sonnenbrille, die bis eben noch auf seiner Nase gelegen hat, auf seinen Kopf. Seine grünen Augen, die uns bestätigen, dass er noch klar im Kopf ist, funkeln uns belustigt an.
"Wir wollen die Menschheit retten. Deshalb wäre es sehr hilfreich zu wissen, wo sich die meisten Infizierten befinden." Seine Augen versteinern.

"Wie wollt ihr das anstellen?", fragt er verbittert. Seine unerklärliche Stimmungsschwankung bleibt mir fraglich, weshalb ich nun doch etwas verunsichert erklären will, was wir herausgefunden haben. Doch mitten im Satz werde ich unterbrochen.

"Wissen wir noch nicht genau. Es war eher so eine spontane Idee. Sie wissen schon, einem kann hier relativ schnell langweilig werden.", beendet Cole und wirft mir einen warnenden Blick zu, der mich von jeglicher Widerrede abhält. Der Beamte gibt ein verächtliches Schnaufen von sich, bevor er uns antwortet: "Constitution Hill, Green Park. Betreten auf eigene Gefahr."

"Vielen Dank." Coleman greift nach meinem Arm und zieht mich vom Officer fort. Eingetaucht in den Häuserreihen und verborgen von dem Polizisten, reiße ich mich von ihm los.

"Was sollte das?", stelle ich ihn zu rede.

"Ich hatte das Gefühl, dass er nicht ganz so vertrauenswürdig ist, wie er vorgibt zu sein. Ich weiß auch nicht... So ein Bauchgefühl eben." Cyrian zuckt mit den Schultern und setzt seinen Weg fort, ich ihm hinterher.

"Ok. Wenigstens haben wir unsere Antwort. Green Park, da sollten wir in einer Viertelstunde da sein. Hast du hunger?"

"Ich glaube, mein Magen hat bereits angefangen meine Innereien zu verschlingen, weil er nichts anderes bekommt."

"Ih, das ist eklig." Ich verziehe das Gesicht und krame dann aus meiner Tasche die zwei in Alufolie gepackten Brote heraus. Eins davon reiche ich Cole. "Bleib mal kurz stehen." Er befolgt meine Anweisungen und sieht mich verwirrt an.

"Was ist?"

"Scheiße..."

"Sag, was ist los?"

"De...deine Augen sind fast wieder tief grau.", stammele ich und kann meinen Blick nicht von ihm abwenden. Wie gebannt starre ich in dieses dunkle grau, dass mich zu verhöhnen scheint. Aber wie kann das sein? Ich dachte, wir haben ein Heilmittel gefunden? Meine neu geschöpfte Hoffnung entweicht meinen Körper und macht erneut Platz für diesen unerträglich grausamen Schmerz. Er ist nicht gesund, ist alles woran ich denken kann. Marihuana ist kein Heilmittel sondern einfach nur ein vorübergehendes Betäubungsmittel. Wieso? Wieso können wir nicht einmal Glück haben? Man spricht doch immer davon, dass Gut und Böse im Einklang schwimmen, so wie Ying und Yang. Aber bei dem ganzen Elend, das wir ertragen müssen, wo bleibt da das Gute? Wo ist unser rettendes Boot in der Flut. Oder eher in unserem Tsunami.

Coles Augen weiten sich verzweifelt, als er die Bedeutung meiner Worte erfasst. Ich reiße mich zusammen und hole aus meiner Tasche einen Joint, den ich ihm reiche. Mit zittrigen Händen nimmt Coleman ihn mir ab und zündet ihn apathisch an. Wie eine lang eingeübte Bewegung, die schon so in seinem Blut liegt, dass es eher wie ein Reflex funktioniert. Er inhaliert einen tiefen Zug und als der giftige Rauch ihn einnimmt, verschwindet das düstere aus seinen Augen. Erleichterung macht sich in mir breit. Immerhin lässt uns dieses wundervolle Ding nicht im Stich.

"Also müssen wir genaugenommen die ganze Stadt Drogenabhängig machen.", schnaubt Cole kopfschüttelnd.

"Genaugenommen, ja." Seufzend lasse ich mich an dem erhitzten Stein zu Boden gleiten und fahre mit meinen Händen durch die Haare. "Was ist schlimmer: Eine Drogenabhängige Stadt oder eine Stadt voller Selbstmordgefährdeter?"

"Kommt nicht beides beim gleichen raus?", lacht Cole verbissen und setzt sich neben mich. Ich packe die Brote wieder ein, die von dem einen auf den anderen Moment unwichtig geworden sind, wie die Tatsache das die Erde rund ist. Alles erscheint in diesem Moment so bedeutungslos geworden zu sein, dass es schon fast erschreckend ist. Geld, Zufriedenheit, Familie und Liebe. Alles Dinge, die nicht wichtig sind. Denn was brauche ich all das, wenn die Welt dem Untergang geweiht ist und wir noch nicht mal eine einzelne Stadt retten können, weil es nichts gibt, mit dem man sie retten kann. Man hätte ja denken können, dass die Erde bei einem Atomkrieg oder so ihr Ende finden würde. Aber nein. Was kann bei einer Explosion von Chemikalien so schief laufen, dass eine Seuche entsteht, die in einem den Wunsch erweckt sich selbst umzubringen? Wie ist das möglich? So wie jede finstere Nacht zu Ende geht, wird auch alles andere vorüber gehen. Denn die Sonne wird kommen und dann wird all der Schmerz vorüber sein. So wird es sein. Ich glaub es auch. Der Tod nimmt uns den Schmerz, den wir davor als Depressive empfunden haben. Also trifft dieser Spruch selbst auf unsere beschissene Situation zu. Alles eine Frage der Ansichtssache.

Und genau in diesem Moment fühle ich mich, und das, obwohl ich nicht infiziert bin, so, als würde eine unheimliche Schwärze mich in ein tiefes Loch ziehen, um mich zu foltern, bis ich am Ende meiner Kräfte bin und schließlich nachgebe. Mich dem Tod hingebe.

"Lass es uns beenden. Ich kann nicht mehr."

Jane is aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt