FOURTEEN

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Ein besonderes heißes Kapitel an diesem wunderschönen Pfingstmontag :)

Ohne eine Antwort abzuwarten, hechte ich los doch versuche mich so lautlos wie möglich zu bewegen, damit das braungefleckte Tier nicht davon eilt.

"Jane! Was soll das? Komm zurück.", brüllt mir Cole gequetscht hinterher. Doch auch das wird kaltblütig von mir ignoriert. Ich drossle mein Tempo und schleiche mich geduckt an die Ziege ran. Das Fell sieht so weich aus, dass ich am überlegen bin, ob ich den Vierbeiner nicht mit nach Hause nehmen könnte. Unbeirrt durch meine Anwesenheit, rupft die Ziege weiterhin das grüne Gras aus dem erdigen Boden. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen und aufgeregt strecke ich meine Hand nach ihr aus. Als meine Finger das weiche Fell berühren, verwandelt sich das zurückhaltende Lächeln in ein breites Grinsen. Die Haare sind so weich und fein, dass es fast surreal erscheint. Die Ziege nimmt jeden meiner Sinne ein, sodass ich nicht gemerkt habe, dass Coleman zu mir aufgeschlossen hat.

"Ähm Jane.", unterbricht er meine Schwärmerei für die Ziege.

"Pshhh, sonst verscheuchst du sie noch.", murmele ich und lege meinen Zeigefinger demonstrativ an die Lippen. Immer wieder fährt meine Hand über den Rücken dieses wunderbaren Geschöpfes, das mich in seinen Bann gerissen hat und nicht mehr frei lies.

"Jane. Das solltest du dir ansehen." Cole wird immer unruhiger und nervös tippt er von einem Fuß auf den anderen. Er legt seine Hände auf meine Schultern und versucht mich von der Ziege weg zu ziehen, damit er mir seine Sorge zeigen kann. Aber was kann bitte so wichtig sein, dass ich dafür aufhören soll eine süße Ziege zu streicheln?

"Noch einen kleinen Moment. Lass mich noch kurz die Ziege streicheln." Unter meiner Hand spüre ich die Bewegungen im Inneren der Ziege, während sie weiterhin grast. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, was ich am liebsten mit Cyrian teilen würde, wäre er in besserer Stimmung.

"Jane!", brüllt er mir ins Ohr, was mich aufschrecken lässt. Auch die Ziege hebt nun den zierlichen Kopf mit den Hörnern und starrt uns geschockt an. Mein Blick fällt auf einen roten Knopf befestigt auf einem grauen, kleinen Kasten, vor dem vorderen Fuß der Ziege. Mit aufgerissenen Augen reiße ich meinen Blick von der Ziege ab und drehe mich einmal um meine eigene Achse, um die Umgebung zu mustern, bis mein Blick wieder an dem roten Knopf hängen bleibt.

"Kreativ.", murmele ich und lache kurz auf, um meine Verzweiflung für einen kurzen Moment noch zurück zu halten.

"Lauf!", schreie ich dann und Cole löst sich aus seiner Starre. Ohne zu zögern rennen wir los. Schlagen diese leblosen Körper zur Seite, die uns den Weg versperren. Die mit rotunterlaufenen Gesichter stöhnen, während wir versuchen ihnen zu entkommen. Bitte, liebe Ziege, bewege dich nicht!

"Shit, sie sind überall.", brüllt Coleman über das Stöhnen hinweg. Und Cole hat Recht. Der ganze Green Park voll von Infizierten, die sich um eine Ziege versammelt hatten, die sobald sie sich bewegte, eine riesige Explosion auslösen würde, damit diese ganzen lebensmüden Körper ihren Frieden finden konnten.

Weiterhin in Gedanken, die Ziege anbetend, legen wir einen Zahn zu und drängen uns durch die Massenmörder hindurch, die uns apathisch den Weg versperren.

"Ich will nicht sterben.", jammere ich und bewege nur noch lustlos einen Fuß vor den anderen. So will ich nicht sterben. Doch auf einmal ist es, als würde die Zeit Inne halten und die Welt aufhören sich zu drehen. Alle Menschen eingefroren und nur Cole und ich, die weiterhin keuchend um Luft rangen, in einem neu entstandenen Vakuum. Ich bleibe stehen und drehe mich zu der Stelle um, wo ich vor kurzen noch, in Gedanken versunken, gestanden habe.

"Mähhh.", macht die Ziege und führt ihren tödlichen Schritt aus. Das runterdrücken des roten Knopfes lässt alles wieder in seinen gewohnten Rhythmus zurückkehren und in rasanter Geschwindigkeit reißt der Boden unter der Ziege auf und das aufwallen von einer gigantischen Feuerfontäne schleudert sie in den Himmel. Ein ohrenbetäubender Knall durchfährt den gesamten Park und lässt meine Knochen schmelzen. Mit offenen Mund starre ich auf die Kettenreaktion von Explosionen und in die zufrieden Gesichter, der dazwischen stehenden Menschen.

Eine Hand packt meinen Arm und reißt mich von dem Geschehen weg. Ich spüre, wie mein Gehirn Signale ausschickt, dass mein Körper weinen soll, doch ich bin viel zu geschockt, von den in der Luft zerreißenden Körper, dass all meine vorhandenen Tränen vor Angst verdampfen, um nicht in diesem Albtraum freigesetzt zu werden.

"Jane, du musst schneller rennen!", brüllt Cole über die gewaltigen Wellen von Explosionen hinweg. Der Druck um meinen Arm verstärkt sich und zieht schmerzhaft bis hoch in meine Schultern, die kurz vor einer Ausrenkung steht. Ich bettle, meine Beine an, an Tempo zuzunehmen, damit sie den Feuerschwanden entkommen können. Doch die Hitze um mich herum ist so erdrückend, dass ich mich am liebsten auf der Stelle hinlegen möchte, um mich meinem Schicksal zu ergeben. Denn es ist sinnlos. Wir sind nicht schnell genug, um einem Meer aus Dynamit zu entkommen, dass ist doch niemand. In diesem Moment wünsche ich mir wirklich, meine Wangen mit Tränen benässen zu können, damit ich all die Verzweiflung rauslassen kann, die sich in mir angestaut hat. Ich wünsche mir, dass ich heulen kann, bis die Kopfschmerzen meinen Schädel zu pulsieren zu bringen. Zu heulen, bis alles hier vorbei ist. Bis ich aufwache und merke, dass das alles nur ein fürchterlicher Traum war. Bis ich aus meinem Koma erwache, aufstehe und in einem belebten Loden lande, in dem jeder glücklich ist und es keine Anzeichen von Depressionen gibt. Doch ich weiß, dass alles hier real ist, denn ich spüre die Flammen, wie sie an meinem Rücken nesteln. Wie sie an meinen Fersen lecken und mich zum Fall bringen.

"Jane!" Coles Worte sind nur ein wispern über dem Brutzeln, das um uns herum die Welt verschwimmen lässt und eine unerträgliche Hitze auslöst. Und jetzt kamen die Tränen. Sie quellen aus meinen Augen und strömen in Bächen über meinen schweißnassen Körper. Ungeheure Wassermassen verlassen meine Augen, die sicherlich gelangt hätten, um den großen Brand zu löschen. Ich habe solche Schmerzen, dass ich mich frage, wie mein Körper das alles aushalten kann. Heißt es nicht, dass der Körper bei zu starken Schmerzen aufgibt und einen dem Reich der Dunkelheit überlässt? An dieser einen Grenze, wo er einem endlich von all dem Leid erlöst?

Oh... ja. Da ist sie.

Jane is aliveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt