#16

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Niro

Lea war....schwierig.

Sie war anders als andere, sie war verschlossen und geheimnisvoll und weigerte sich schlichtweg etwas über sich zu erzählen.
Sämtliche Fragen über sich selbst blockte sie ab.
Häufig war sie so genervt von ihm, dass sie für eine Weile hin und wieder komplett verschwand.

Doch sie kam immer wieder zurück.

Er versuchte sich einzureden, dass es nichts zu bedeuten hatte-mit ziemlich geringen Erfolg.

Auch wenn sie nichts über sich erzählte, er selbst kannte solche Hemmungen nicht.
Auch wenn es den Eindruck hatte, dass er sie mehr als die Hälfte der Zeit auf die Palme brachte-er genoss nichts mehr als Zeit mit ihr zu verbringen.

Und er hatte Angst.

Angst, dass sie wieder verschwinden könnte, dass er sie nicht mehr finden würde.

Er war ein hoffnungsloser, verliebter Narr.

Die Tatsache zu akzeptieren, dass er sich in jemanden verliebt hatte von dem er nicht mehr als den Namen wusste, war ihm überraschend leicht gefallen.

Wie sagte man so schön? Liebe macht blind.

Lächelnd sah er Lea an.
Er saß mit ihr in dem Haus in dem sie aufgenommn wurden, die Besitzer, Mark und Anne, waren am vorherigen Tag zu Besuch in ein anderes Dorf gegangen.
Er war alleine mit ihr-dieser Gedanke versetzte ihn in helle Aufregung. Draußen war es bereits dunkel, ein heftiger Schneesturm tobte.

"Hoffentlich sind Mark und Anne in Ordung"

Lea zuckte nur mit den Schultern. Selbst im Haus trug sie ihre Umhang, die Kapuze verhüllte ihr Gesicht.
Sein heutiges Ziel war es, um jeden Preis mehr über sie herauszufinden.

"Warum nimmst du den Umhang eigentlich nicht ab?"

Sie ignorierte ihn.

"Was macht man denn so als Jäger?" versuchte er es wieder.

"Wieso?"

"Nur so"

"Du bist neugieriger, als dir gut tut"

Kann sie nicht einfach antworten?

"Was hältst du von Opferungen?"
Sie versteifte sich kaum merklich.

Aha. Interessant

"Warum willst du das wissen?"

"Meine Schwester....sie wurde geopfert. Ich habe versucht sie zu retten aber na ja....ich war eben zu klein. Ich bin längst darüber hinweg"

Ich bin so ein erbärmlicher Lügner.

"Das....tut mir leid für dich"

Überrascht sah er Lea an.
Das war das erste Mal dass er so etwas wie Mitleid in ihrer Stimme hörte.

"Ist nicht so schlimm. Aber sag schon, was hältst du davon?"

Sie schaute weg
"Ich habe keine Meinung dazu. Es ist mir egal"

"Wirklich?"

"Ja"

Er muserte sie und sagte in bewusst sanften Ton dann
"Du bist keine gute Lügnerin"

Mit einer verflucht schnellen Bewegung war sie auf den Beinen.
Sie fauchte ihn regelrecht an.
"Ich lüge nicht!"

Das war wohl ein empfindlicheres Thema als angenommen.

"Wen hast du verloren?"

"Niemanden!" zischte sie.

Zeit für einen Themawechsel.

"Was ist eigentlich mit deinen Eltern?"

Sie erstarrte.
Dann knurrte sie, wie an dem Tag als sie mit Andras aneinandergeraten war.
Und auch ihr Verhalten danach glich diesem Tag.
Sie war schneller aus der Tür als er schauen konnte.
Er sprang auf und rannte aus dem Haus.
Normalerweise hätte er sie gehen lassen, aber heute....

Kaum war er zur Tür herausgetreten traf ihn der Schneesturm mit voller Wucht.
Die dicken Flocken flogen ihm in die Augen, nahmen ihm seine Sicht.
Er konnte kaum mehr als zwei Meter sehen.

Wo ist sie?
Hektisch suchte er den Boden nach Fußabdrücken ab.
Er kniff die augen zusammen, die Dunkelheit und der Schnee erleichtertem ihm seine Suche nicht gerade.
Da! Er rannte den Abdrücken hinterher, er musste sich beeilen.
Bei diesem Schneesturm würden sie bald nicht mehr zu sehen sein, er musste Lea finden bevor ihr etwas zustieß.

Nach einer Weile verlor er ihre Spur, außer Atem blieb er stehen.
Er sah auf....direkt vor ihm begann der Wald.

Bin ich etwa so weit gerannt?

Er zögerte.
Bei diesem Sturm und diesen Temperaturen könnte es seinen Tod bedeuten....und Lea war eine Jägerin, sie kam hier wahrscheinlich besser aus als er.
Andererseits....er machte sich unglaubliche Sorgen um sie.
Was, wenn Lea nun etwas passierte? Außerdem war es seine Schuld gewesen.
Hätte er sie nicht so ausgefragt.....

Zögernd machte er seinen Schritt auf den Wald zu.
Dann blieb er wieder stehen, er haderte mit sich selbst.
Er wollte den Wald nicht betreten, er hatte Angst was ihm dort wohl begegnen würde.
Vielleicht sogar der Wolfsreiter....

Ich bin ein elender Feigling.

Niro seufzte, drehte sich um und machte Anstalten zurückzgehen.
Er war nie ein Held gewesen, damals wie heute nicht und es würde sich auch wohl kaum jemals etwas daran ändern.

Und dann hörte er es....

Niro erstarrte volkommen regungslos.

Ein langezogenes Heulen....

.....Wolfsgeheul.

Sein Blut gefror ihm in den Adern, er wirbelte zu dem Wald herum und starrte mit klopfendem Herzen in die Dunkelheit.

Lea!





Wolfsblut *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt