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Andras

"Hör auf, dich schuldig zu fühlen!"
Andras verdrehte genervt die Augen.

"Aber....ich habe ihm gedroht. Ich mag Menschen. Ich möchte ihnen keine Angst einjagen" Rem seufzte.

Darauf konnte Andras nur den Kopf schütteln.
"Wir sind Dämonen. Niemand erwartet von uns, freundlich zu sein"

"Nur weil es keiner von uns erwartet heißt das nicht, dass wir uns auch so verhalten müssen"

Jetzt war es an Andras zu seufzen. Er ist viel zu freundlich.
Rem war zwar kein schwacher Dämon, wurde aber in Alexandria als solcher gesehen. Einfach aus dem Grund, dass er zu freundlich war. Kein Dämon war das.
Schon gar nicht diejenigen aus den höheren Machtklassen.

Aber Rem passte in vielen Hinsichten nicht in das normale dämonische Schema.
Er mochte zum Beispiel Menschen.
Die meisten Dämonen verabscheuten die "niedere sterbliche Rasse", wie sie sie nannten.
Menschen waren schwach, nichts anderes als ein amüsanter Zeitvertreib.

So lautete jedenfalls die allgemeine Aufassung.
Natürlich gab es Ausnahmen, aber die hängten ihre Einstellung nicht an die große Glocke.
Sonst könnte es nämlich durchaus sein, dass man eines schönes Tages verprügelt in einer Ecke lag.
Oder man war gleich ganz tot.

Auch in diesem Bereich war sein Freund anders.
Es war ihm schlichtweg egal, wie viele davon Wind bekamen.
Und seltsamerweise lebte er auch noch.
Das hatte er aber vor allem Azazel zu verdanken, schließlich hatte Rem den Ruf zu den bevorzugten Dämonen des Fürsten zu gehören.

Der sich ebenfalls einen Dreck um die Menschen scherte.
Was ihm wichtig war, waren die kostbaren Edelsteine, Gold und die Waffen, die der Handel mit den Menschen mit sich brachte.
Er hatte nicht umsonst den Spitznamen "Drache".

"Wie auch immer. Wir müssen los, den Menschen abholen"

Bei diesem Satz sah Rem auf.
"Sag mal Andras, wie stehst du eigentlich zu den Menschen?"

Andras stutzte. Das war eine gute Frage. Ja, wie stand er eigentlich zu den Menschen?
Sie waren arrogant, überheblich, sturköpfig, ignorant, streitlustig und schwach.
Andererseits jedoch genossen sie das Leben in vollen Zügen, trotz ihrer erbärmlich kurzen Lebensspanne.
Und sie hatten manchmal Eigenarten an sich, die selbst Andras verblüfften.
Alles in allem....

"Mir sind sie eigentlich relativ egal. Hauptsache, sie kommen mir nicht in die Quere"

"Verstehe"
Rem wirkte nachdenklich. Kurz darauf verschwand der seltsame Gesichtsausdruck und er richtete sich auf.
"Du hast recht, wir müssen los. Komm"

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"Ist etwas?"

"N-nein. Überhaupt nicht"

Genervt trieb Andras sein Pferd an schneller zu laufen.
Sie waren schon seit einer Weile unterwegs und der Mensch hatte nichts besseres zu tun als abwechselnd Rem und ihn anzustarren.

Es nervte.
Der Mensch nervte.
Die unwirtliche Gegend nervte.
Die gottverdammte Kälte nervte.

Sehnsüchtig dachte Andras an Alexandria. Die wundervolle Hitze, die dort herrschte....
Der Gedanke an die glutheißen Tage des Südens ließen den Norden nur noch eisiger wirken.

Was ihn auch noch in den Wahnsinn trieb, war die Stille.
Er hatte nicht wirklich etwas gegen Ruhe, vielmehr genoss er sie, da es in Alexandria selten ruhig war. Aber diese Stille....war fast schon unnatürlich.
Der Schnee verschluckte jedes Geräusch und da war es auch nicht sehr hilfreich, dass die Gegend menschenleer war.
Genauso wenig wie es half, dass keiner von ihnen redete.

Andras schaute sich aufmerksam um. Seit der Entdeckung am Pass achtete er auf jegliche Anzeichen von Gefahr.
Doch der Wald, durch den sie ritten, war komplett friedlich.

Schließlich, als Andras schon dachte der Wald würde sich ewig hinziehen, endete er.
Sie standen nun auf einer kleinen Anhöhe, vor ihnen ein kleines Dorf.
Ziemlich klein sogar. Es gab höchstens 40 Häuser, allesamt aus Holz und Stroh erbaut.
Wie die Menschen mit solchen Häusern nur die kalten Winter überlebten?

Rem drehte sich im Sattel zu Niro um
"Wie heißt das Dorf?"

"Keine Ahnung. Es hat wahrscheinlich keinen Namen. Das ist nicht ungewöhnlich hier. Das einzige, was einen Namen hat, ist Eisfall"

"Interessant" sagte Rem nur und trieb sein Pferd voran.
Sie ritten in das Dorf, sie wurden von
allen Menschen misstrauisch beäugt.
Einen älteren Mann, der sich als äußerst wortkarg erwies, fragte Rem nach einer Schenke und so folgten sie der Wegbeschreibung zu einem länglichen Gebäude.

Eigentlich hätten sie sich die Fragerei sparen können, die Schenke war das größte Gebäude im ganzen Dorf.
Und das Dorf selbst war nicht gerade riesig.
Aber Andras verkniff sich sein Kommentar und gab wortlos sein Pferd an einen Stallknecht ab.

Über der Tür der Schenke hing der ausgestopfte Kopf eines Wolfes, direkt darunter stand "zum Heulenden Wolf"
Wie passend. Schließlich suchen wir ja auch nach Riesenwölfen.

Immernoch schweigend gingen alle drei in die Schenke "zum Heulenden Wolf". Die Schenke selbst war beachtlich.....leer. Die einzigen Lebewesen waren der Wirt und eine Gestalt, die mit schwarzem Umhang direkt an der Theke saß und sich mit dem Wirt unterhielt, sich jedoch sofort unterbrachen.
Beide starrten die Neuankömmlinge an.

Neugierig musterte er die rätselhafte Gestalt. Die Kapuze des Umhangs war tief in das Gesicht gezogen und hüllte alles in Dunkelheit. Bis auf einen Dolch trug sie keine erkennbaren Waffen.
Und doch....irgendetwas weckte sein Misstrauen.
Vielleicht liegt es am Umhang

Ein Blick zu Rem- er schien ebenfalls etwas zu spüren.
Die beiden wechselten einen Blick.
Niro schaute verwirrt zwischen beiden Dämonen hin und her, versuchte ihren stummen Austausch zu verstehen.

Ohne ein Wort setzten sie sich an die Theke, dabei jedoch immer die vermummte Person im Blick behaltend.

Irgendetwas stimmt hier nicht

Wolfsblut *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt