Kapitel 7
Vier Tage war ich nun schon in diesem Raum eingesperrt. Ich wollte heraus aus dieser Höhle. Mir fehlte es, den Wind auf meiner Haut zu spüren. Ich mochte die Gewissheit einfach nicht wahrhaben, dass es für mich keinen Ausweg geben sollte. Wie viel Zeit sollte ich noch in diesem viel zu kleinen Loch verbringen? Mir fehlte einfach Luft und Licht. Es mochte ja gut sein, dass die Städtewandler lichtempfindlich waren, doch ich war es nicht.
Und nun war ich mal wieder alleingelassen worden. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie er mich auf diese Weise überwachen konnte. Schutz oder Freiheit? Heute wäre ich für Schutz, doch wenn ich zu diesem Zeitpunkt zurück könnte, so würde ich wieder für Freiheit sein.
Leise verließ ich das Zimmer. Nur meine Kleidung trug ich am Leib, das erleichterte mir die Flucht. Den richtigen, einfachsten Weg, den kannte ich nicht. Nicht einmal die schwere Version fiel mir ein, daher lief ich einfach los. Ich hatte die Hoffnung, der Weg würde sich schon irgendwie finden. Außerdem musste ich mir jetzt nur merken, ob ich im Kreis lief oder (besser) nicht.
Dies war mein Plan gewesen, der wohl verständlich strukturiert war (wenn auch Komplikationen nicht eingerechnet gewesen waren), doch war es mir nicht gelungen, ihn in die Tat umzusetzen.
Vor allem gelang es mir daher nicht, da ich nicht die Wächter an jeder Ecke erwartet und daher nicht berücksichtigt hatte. Ich ging gerade erst etwa drei Minuten, als ich mich aufgrund wütender Männerstimmen in einer Seitengasse verstecken musste. Dort war es dunkel und kalt, es jagte mir Angst ein. Doch noch mehr Angst bewirkte die Tatsache, dass sie mich früher oder später entdecken würden. Dann, so war ich mir sicher, würden sie nicht mehr so viel Gnaden über mich walten lassen.
Ich wartete, bis die leise stapfenden Schritte verhallt waren. Dann ging ich weiter, doch weit kam ich wieder nicht. Wenn ich nur so langsam vorankam, würde ich nicht weit kommen, bis sie herausfanden, dass ich geflohen war.
Ich vernahm zwei erhitzte Frauenstimmen, von denen keine der beiden nachgeben wollte. „Du kannst nicht ewig schweigen! Du weißt, was ich machen werde!" „Hören Sie auf damit! Unsere Freundschaft ist schon lange vorbei!" „Nun gut Feliah, du wirst schon noch reden, spätestens dann, wenn ich Geordica auf meiner Seite habe!", gab sie unberührt zurück.
Eine leise Stimme pochte in meinem Kopf. Irgendwo hatte ich diesen Namen „Geordica" doch schon einmal gehört. Nur wo? „Geh fort von dort!", kam es eindringlich aus meinem Kopf von einer mir irgendwie bekannten Stimme. Woher kannte ich diese nur? Denn es war nicht meine eigene Stimme. Lange schaltete es in meinem Kopf, bis ich endlich wusste, warum sie mir so bekannt vorkam: Es war die Stimme aus dem Wald. Warum half sie mir nur? Ich hatte keine Ahnung. Doch wovor nur wollte sie mich warnen? Für mich sah es nicht nach Gefahr aus. Wusste diese Stimme etwas, das ich nicht wusste?
Nach einigem Zögern beschloss ich, ihr einfach zu vertrauen. Noch länger und ich wäre entdeckt worden, wusste ich damals so wie heute. Langsam und leise zog ich mich in den Schatten zurück, und ging in die entgegengesetzte Richtung zurück. Ich hatte mich entschieden, mich wieder zu Kinajas Zimmer zu begeben. Erst einmal musste ich herausfinden, was die tatsächliche Gefahr für mich darstellte. Wie sollte ich mich schließlich schützen, ohne zu wissen, wovor ich mich schützte? Wie sollte ich wissen, was zu tun war, wenn ich überhaupt keinen Plan hatte? Ach auf einmal?!
Heute und damals sind wahrhaftig zwei verschiedene Personen.
***
Zuerst hatte ich mich leicht verlaufen, war aber schlussendlich unbemerkt an mein Ziel angelangt: Kinajas Zimmer, indem dieser bereits wutentbrannt auf mich wartete.
„Wo warst du?", verlangte er, barsch zu erfahren. Ertappt zuckte ich zusammen und hatte keine Ahnung, wie ich ihm erklären sollte, das ich eigentlich hatte fliehen wollen. Er schaffte es also tatsächlich mich im Auge zu behalten. Aber wo ich war wusste er nicht, oder doch?
Eine mögliche Vorgehensweise seines Handelns erschloss sich mir nicht.
Da ich meine wiederum auch nicht erklären konnte, schwieg ich. „Wenn du nicht redest, dann werde ich dich weiterhin in diesem Zimmer gefangen halten!", meinte er nur mit einem ausdruckslosen Gesicht. „Ach du meinst, statt zum Essen oder Baden diesen Raum zu verlassen, muss ich nun den ganzen Tag hier verbringen?", fragte ich mit unüberhörbarem Sarkasmus. Zusätzlich zog ich eine Augenbraue hoch um diesen Effekt zu verstärken.
Seine Mine wurde nun etwas wütender: „Für dich mag das alles ein Spiel sein, doch das ist es nicht. Du scheinst dir nicht dem Ernst der Lage bewusst zu sein!" Nun kam meine kleine innere Zicke so richtig zum Vorschein: „Meinst du wirklich? Glaubst du, dass mir diese unmittelbare Gefahr nicht bewusst ist? Es ist kein Spiel und war nie eines!" „Und warum um Himmelswillen, wenn dir das klar ist, wieso verlässt du dann dieses Zimmer allein?", seine Augen blitzten vor Zorn und Unverständnis. Jegliche Beherrschung kostete mich unheimliche Kraft, als ich zwischen zusammengebissenen Zähnen zischte: „Du verstehst es wohl nicht, aber ich hasse dieses Eingesperrt-sein. Es macht mir Angst. Ich brauche das Licht! Ich bin nämlich nicht wie du, falls dir das entgangen sein sollte!" Ein Hauch von Verständnis tauchte in seinen Zügen auf. „Du hättest es mir sagen können.", antwortete er nun auch etwas ruhiger. „Damit du mir sagst, dass man da leider nichts ändern kann? Entschuldige, aber meinen Stolz, den habe ich bis jetzt noch erhalten."
Lange blieb er still. Die Luft erzitterte von der Spannung unserer Worte. Was sollte er auch groß sagen? Er wusste Dinge, die ich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht wusste und die er mir nicht sagen durfte.
Irgendwann schien er fertig überlegt zu haben. Doch so schnell wollte ich nicht die weiße Fahne hissen. Oh, nein! Er würde mich schon noch kennen lernen.
„Komm!" Wie selbstverständlich nahm er meine Hand und zog mich mit sich. Ich wollte ihm meine Hand entreißen, doch er war einfach zu stark. Spürbar bohrten sich seine Krallen in meine Handgelenke. Und so blieb mir keine Wahl als mitzulaufen, andernfalls wäre ich über meine eigenen Beine gestolpert, was nicht nur peinlich sondern auch äußerst schmerzhaft gewesen wäre.
Bei genauerer Überlegung weiß ich nicht, wie er es bei all den Wächtern hinbekam, doch niemand hielt uns auf oder beachtete uns auch nur, es war, als würde es uns beide während der Flucht gar nicht geben...
Langsam erhellte sich der Himmel und erwärmte sich die Luft zunehmend. Geräuschfetzen gelangten durch die immer dünner werdende Erdschicht an meine Ohren: Ein kleines Mädchen, das einen Jungen anschrie. Eine alte Frau, die versuchte, dazwischen zu gehen. Es war ein wildes Durcheinander.
Lange blieb mir nicht Zeit, um dieser Geräuschkulisse zu folgen. Kinaja lief unentwegt weiter. „Wo willst du überhaupt hin?", rief ich ihm keuchend zu, doch er schwieg weiterhin. Endlich, es kam mir vor, als wären wir tagelang gelaufen, hielt er an.
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Mauritien - Die verschlossene Tür
FantasiMary erwacht an einem ihr unbekannten Ort. Nachdem sie eine Weile durch die Landschaft geht, erinnert sie sich an Visionen und weiß, wo sie sich befindet. Das Problem ist jedoch, dass sie nicht weiß, wie sie von dort wieder wegkommt. Eigentlich möc...