Kapitel 13
Ich möchte nicht behaupten, dass ich bis zu diesem Zeitpunkt schon viel wusste und lange in Mauritien war, doch steht es mir frei zu beurteilen, dass Shippa mir eine gute Freundin geworden ist, denn für diese Beurteilung musste man nicht viel Zeit mit ihr verbringen.
Shija hatte mir Geld gegeben und mir freigestellt, mich einigermaßen frei zu bewegen um die Umgangsformen genauer kennen zu lernen. Zu meinem Bedauern nahm Shippa das als Anlass, mir überall hin zu folgen, denn es wäre doch interessanter gewesen, sich auch mal zu verlaufen. Doch manchmal liefen uns so schauerliche Gestalten über den Weg, dass ich dann froh war, in dieser Situation nicht allein zu sein. Wenn ich versuchte ihr zu erklären, dass dies nicht nötig sei, so winkte sie ab und war überzeugt, dass mir auf fünf Metern bereits etwas passieren könnte. Auch ihr anfänglich fröhlicher Charakter machte mir zu schaffen, überall und immer redete sie und das auch noch so schnell, dass ich nicht einmal die Hälfte verstand. Sie meinte es nicht böse, das wusste ich ja, doch sprach ich mauritisch nicht fließend. Sie verwirrte mich.
Nach einiger Zeit jedoch, prägte sich ein anderer Charakterzug besonders bei ihr aus: übertriebene Besorgnis, wie ich fand. Wenn ich nicht Bescheid sagte, dass ich das Haus verließ, so schallt sie mich meiner Unvorsichtigkeit. Wenn ich einmal zu lange an einem Schaufenster stehen blieb, so ermahnte sie mich, das nicht zu tun, wenn ich doch sowieso nichts kaufen wolle. In der Bäckerei meckerte sie, wenn ich mich nicht entscheiden konnte. Eigentlich gab es immer etwas, was ihr nicht passte, aber ich bereute es nicht sie mitgenommen zu haben, denn wenn ich ehrlich war, so hätte ich mich gewiss schon öfters verlaufen, wenn sie mir nicht zurück geholfen hätte. Denn auch wenn der Gedanke anfangs schön gewesen war, so hatte die Zeit mit ihr mir doch gezeigt, dass man sich als junge Frau allein besser nicht in einer großen Stadt verlief.
Eines Abends, nach einer heftigen Diskussion mit Shippa, legte ich mich früh zu Bett und versuchte mich zu entspannen. Anfangs fiel mir das nicht leicht, doch dann war ich augenblicklich eingeschlafen.
Wolken zogen am Horizont vorbei. Es war friedlich und still. Lauter Blumen wuchsen auf der Wiese, auf welcher ich mit weit ausgebreiteten Armen lag. Ein vorwitziger Grashalm kitzelte meine Beine. Ich trug ein violettes Kleid. Ein Bach gurgelte leise dahin...
Dann auf einmal verfinsterte sich der Himmel, immer mehr graue Wolken zogen heran. Das Gras begann zu vertrocknen – immer mehr. Die Blumen wurden zu Spinnen, ihre Halme zu Schlangen. Ich erschrak und wollte schreien, da kletterte eine Spinne in meinen Mund und erstickte den Schrei. Schwitzend wurde ich wach und ich war sicher, dass dies eine Vorwarnung sein sollte.
Es war warm und schwül im Raum. Die Dunkelheit bedeutete mir, dass es Nachts war. Es war mir egal – ich war durcheinander und wollte in Ruhe denken – ich musste einfach nach draußen gehen. Mühevoll rappelte ich mich vom Sofa auf, was mittlerweile zu meinem Bett geworden war. Es war so dunkel, dass ich kaum etwas sehen konnte und eigentlich Licht gebraucht hätte, doch das hätte die Anderen geweckt. Daher musste ich mich mit dem wenigen Mondlicht zufrieden geben. Shippa schlief vor der Tür, um sicherzugehen, dass ich ohne ihre Erlaubnis das Gebäude nicht verließ. Es blieb mir nichts Anderes übrig, ich musste durch das Fenster hinaus klettern. Was wieder zu einer großen Diskussion führen würde...
Ich wusste nicht, welche Gefahren dort lauerten, doch ich sprang ohne einen Funken Überlegung aus dem Fenster. Ich knackste mir das Bein an und wollte beinahe schreien, ich schaffte es rechtzeitig, es zu unterdrücken.
Und nun humpelte ich voran, ohne mir über den Weg Gedanken zu machen. Ein Vogel schrie, sonst war nichts außer dem Schleifen meines Beines zu hören. Mitten im Weg lag ein Stein, in den ich frontal hineinlief, weil ich mit den Gedanken woanders war. Ich fluchte leise und humpelte weiter, nun noch langsamer als vorher. Langsam wurde es heller, wenn auch nur ein wenig. Aurora, die Morgenröte zeigte sich von ihrer schönsten Seite, als endlich meine Schmerzen weniger wurden. Nun bekam ich die Gelegenheit, über alles nachzudenken.
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Mauritien - Die verschlossene Tür
FantasíaMary erwacht an einem ihr unbekannten Ort. Nachdem sie eine Weile durch die Landschaft geht, erinnert sie sich an Visionen und weiß, wo sie sich befindet. Das Problem ist jedoch, dass sie nicht weiß, wie sie von dort wieder wegkommt. Eigentlich möc...