Realitätswahrnehmung/ Täuschung

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Kapitel 12

Es ist erstaunlich aus welch verschiedenen Perspektiven man eine Sache betrachten konnte. Ich als Fremde sah die Stadt gewiss anders als deren Einwohner. Für mich sah sie flimmernd, bunt und strahlend aus, doch wie mochten andere diese Stadt wohl betrachten? Ich würde es noch herausfinden...

Die Straßen waren sauber, laut und belebt. Es herrschte ein reges Treiben. So viele verschiedene Wesen liefen umher, schwatzten fröhlich, lagen sich mit Tränen in den Augen in den Armen. Es waren große und kleine, zarte und muskulöse, mit sehr heller oder eher dunkleren Hautfarbe. Einige hatten Flügel, andere Hörner oder farbige Haare. Aber so verschieden sie doch waren, sie hatten alle etwas gemein – ihre Kleidung war sehr fein, vornehm und hatte nirgendwo Flicken oder Löcher oder Flecken. Das machte mich stutzig, instinktiv wusste ich, dass das nur die halbe Wahrheit war.

Ein kleiner Junge streckte frech die Zunge heraus und wich geschickt dem Schlag eines Anderen aus. Irgendwo schrie ein Mädchen und eine alte Dame antwortete erbost. Ich sah eifrig zu allen Seiten – immer nur kurz – und hatte trotzdem das Gefühl nur ein Hauch des Ganzen gesehen – nachempfunden – zu haben. Und in welch prächtigen, schillernden Farben die Leute glänzten. Zart schimmernder, fast durchscheinender Stoff umschmeichelte das Aussehen, der ohnehin hübschen Frauen. Die Haare der Wesen waren so einzigartig – genau wie etwa Hörner auf der Stirn oder Zentauren. Hexen sah ich keine ebenso keine Feen – aber Oger – ja wirklich – sogar Trolle und viele andere magische Wesen, die die Märchenwelt geschaffen hatte, waren zu sehen. Es war zu schön um wahr zu sein ... sie alle friedlich neben einander... . Es ist dumm, das glaube ich nicht! Diese Welt will mir etwas weiß machen, was nicht sein kann. Es war wie eine rosarote Brille, die mir wie in einem 3D-Film zeigte, was ich sehen wollte.

Und ich war zwischen allem und diese Welt machte mich zu etwas/jemandem der ich nicht war. Es ist wie ein Spiegel mit einem äußeren Schutzmantel. Du siehst was SIE MEINEN, was gut ist zu sehen, und das was du sehen MUSST, das was du wissen musst um dich vor den Gefahren der Welt zu schützen, das wird dir nicht gezeigt... denn wie sollen sie dich hinterrücks in eine Falle locken, wenn du ihre Falle kennst und sie einfach umgehst? Es gibt so vieles ... so vieles und so wenig, was ich weiß: Ich muss lernen und überleben. Mein Leben liegt nicht in meiner Hand, es ist ein verkatertes Spiel, und ich bin die Schachfigur ... Doch irgendwann komme ich hier weg aus dieser Welt, die mich anlügt und einsperrt und wo Freunde das Einzige sind, was dir Hoffnung gibt. Ich hatte Shippa und Kinaja und irgendwie auch Shija, die mir geholfen hatten und ich hoffte, dass ich in ihnen gute Freunde finden würde.

Shippa zog mich an dem Arm, und ich konnte wieder das Bunte der Stadt betrachten und bestaunen und versuchte konzentriert die verwirrenden Gefühle zu verscheuchen.

„Schau Mary, ist das nicht schön?", begeistert zeigte sie auf eine reich verzierte Vase mit Schnörkeln. „Shija, können wir dort hinein?" „Bitte lass uns nachher gehen, ja, Shippa? Erst einmal wollte ich neue Kleider für Mary anfertigen lassen. Wissen Sie, ich entwerfe sie und gebe sie meinem alten Freund, dem Schneider und Künstler, Mila. Sie werden sehen, Mary, Sie werden aussehen wie eine Königin." Einerseits klang das nach einem Kompliment, aber andererseits ...: „Moment, ihr habt hier Könige?" Sie wirkte verdutzt: „Natürlich, was haben Sie denn gedacht?" Ich hatte es ja vermutet, aber da vorher noch nie jemand direkt über sie gesprochen hatte...Aber schließlich haben England und Schweden und andere Länder ja heute noch Könige. Nun gut, diese hatten in der Politik nichts zu sagen, aber es gab sie. Hier hatten die Könige gewiss etwas zu sagen. Es gab einfach noch zu viel, was ich nur vermuten konnte und nicht direkt sagen konnte, dass es tatsächlich so war.

***

Ich sah mich interessiert um, und bestaunte alles, was mir unbekannt vorkam.

Mauritien - Die verschlossene TürWo Geschichten leben. Entdecke jetzt