Der Sand knirschte unter den schweren Hufen, die Räder einzelner Wagen ratterten dahin. Kein Wort fiel, kein Mund öffnete sich. Stumm blickten sie zur Stadt, die Geräusche wurden mit jedem Schritt leiser. Ein Pferd schnaubte. Er ritt zu mir herüber.
»Ihr werdet nicht Euer Gesicht zu erkennen geben. Nicht ein einziges Mal öffnet Ihr Euren Mund. Verstanden?«
Ich nickte langsam, den Blick starr nach vorne gerichtet.
»Bewegt Euch so wenig wie möglich, sonst werdet Ihr anhand Eures Ganges erkannt.«
Ich wandte leicht den Kopf und sah Yoren von der Seite an. Ich hatte ihm viel zu verdanken, jedoch hatte ich ihm auch Vieles anzuhängen. Der Bruder der Nachtwache hatte mich vor einer dummen Tat bewahrt und mich und meine Schwester aus Königsmund geschleust. Wir befanden uns auf den Weg zur Mauer, der schwarze Bruder würde uns nach Winterfell bringen, so dass wir zunächst in Sicherheit waren. Nur noch eine von uns befand sich in den Klauen der Lennisters – Sansa.
»Ich werde an der Spitze reiten. Wir können kaum miteinander sprechen, sonst erweckt das Misstrauen. Eure Schwester ist schlau.« Er deutete auf den Karren, der einige Schritte vor mir fuhr. Sie saß neben dem Schmiedejungen, während sie mich und Yoren argwöhnisch musterte. »Nehmt die Handschuhe.« Der Bruder der Nachtwache reichte mir braunes Leder. »Wenn man Eure Hände sieht, erkennt man, dass es diejenigen einer Frau sind.« Ich nahm sie und zog sie über. »Ich tue das nur, weil ich Euren Onkel kenne.«
Benjen.
Ich nickte knapp und Yoren gab seinem Pferd die Sporen. Ich blickte ihm hinterher und dann verschwand er zwischen den unzähligen Verrätern, Dieben, ehemals Verurteilten und Waisen. Mein Blick wanderte zurück zu dem Karren. Arya hatte sich von mir abgewandt. Unruhig sah sie umher, die Hand am Griff von Nadel. Der Schmiedejunge jedoch beobachtete mich. Keine Sekunde ließ er von mir ab. Ich stierte ebenso zurück wie er, nur mit dem Unterschied, dass er mein Gesicht nicht erkannte.
Viele Tage später machten wir vor einem Gasthaus Rast. Ich saß einige Meter von den anderen entfernt auf einem alten Baumstamm, welcher mit Moos überzogen war. Es war kalt, aber es war eine angenehme Kälte. Ich kam aus dem Norden, auch wenn ich eine lange Zeit in Königsmund verbracht hatten, doch das hatte nicht mein Blut geändert.
Auf meinem Schoß lag das Schwert des Goldrocks, den ich in meinem Gemach getötet hatte. Ich schleifte es, da es stumpf war, mit einem Schleifstein, den Yoren mir gegeben hat, als ich vom Pferd abgesessen hatte.
»Ihr macht das falsch«, sagte plötzlich eine Stimme und abrupt blickte ich auf. Der schwarzhaarige Schmiedejunge stand vor mir und blickte lächelnd auf mich hinab. Erst dachte ich, er wüsste von meiner Herkunft, doch er sprach mich nur so an, da er es bei Yoren vernommen hatte - das hoffte ich zumindest.
»Ihr schleift Euer Schwert falsch«, erklärte der Junge. Er ließ sich neben mir nieder und riss mir meine Waffe aus der Hand. »Der Stein.« Er hielt mir seine eine Handfläche entgegen und ich reichte ihm den Schleifstein zögernd. »Mein Name ist Gendry. Wie ist Euer?«
Ich antwortete nicht, sondern sah ihn stumm von der Seite an. Er selbst hatte seinen Blick auf das Schwert gerichtet und begann es zu schärfen.
»Du!«, rief Yoren plötzlich und Gendry hob abrupt seinen Kopf. »Komm sofort hier her!«
Er stand am Karren, und nachdem Gendry mich ein letztes Mal angesehen hatte, erhob er sich, legte die Waffe und den Stein auf den Baumstamm und ging herüber so Yoren.
»Wenn ich noch einmal einen von euch dreckigen Bastarden bei ihm sehe«, er deutete auf mich, »kriegt ihr meine Klinge zu spüren. Direkt zwischen eure Beinen. Habt ihr das verstanden?«
Keiner antwortete, doch als Yoren sie ernst anfunkelte, murmelten sie zustimmend.
»Dann ist das auch geklärt«, hörte ich den schwarzen Bruder noch sagen, bevor er sich einen Grashalm zwischen die Zähne schob und das Gasthaus betrat.
Da vernahm ich auf einmal laute Männerstimmen und Hufgetrappel. Ich schob den Schleifstein und das Schwert zurück an meinen Gürtel und sah mich um. Sechs Männer in schwarzen Kettenhemden und goldenen Umhängen stiegen von ihren Pferden und kamen auf uns zu.
Ich sog scharf die Luft ein, mein Herz pochte wild. Arya zog Gendry hinter einen Karren; sie versteckten sich.
»Ich habe einen Haftbefehl für einen bestimmten Jungen!«, rief der Offizier der Königsgarde. Er schenkte mir keinen Blick, hatte sich an die anderen gewandt.
In diesem Moment trat Yoren aus dem Gasthaus und sah die Soldaten argwöhnisch an. »Wer will den Jungen haben?«
»Die Königin, alter Mann, auch wenn es Euch nichts angeht«, antwortete der Offizier.
»Der Junge gehört jetzt zur Nachtwache. Was er in der Stadt angestellt hat, hat keine Bedeutung mehr«, sagte Yoren nur.
»Die Königin legt keinen Wert auf Eure Betrachtungen und dem kann ich mich nur anschließen«, meinte der Offizier. »Ich will nur den Jungen.«
»Welchen Jungen sucht Ihr denn?«, fragte ein Mann aus unseren Reihen.
»Er heißt Gendry. Er war der Gehilfe des Schmieds von Königsmund.«
»Wir haben hier keinen Gendry«, sagte Yoren und wandte sich ab. »Geht dorthin, woher Ihr gekommen sein. Wir haben nicht das, was Ihr wollt.«
Der Offizier suchte mit seinen Augen die Leute ab und nickte schließlich schwerfällig. »Wollen wir es hoffen.«
»Ich bin derjenige, den ihr sucht!«, rief Gendry plötzlich und trat hervor.
»Er ist derjenige, den wir suchen!« Der Goldrock zog sein Schwert und deutete auf Gendry.
In diesem Moment jedoch zückte Yoren sein Schwert und hielt es dem Soldaten an die Kehle. »Ihr bekommt niemanden, solange Euch ein unversehrter Hals lieb ist! In dem Gasthaus warten noch zehn, fünfzehn meiner Brüder, falls Euch die hier noch nicht überzeugen. An Eurer Stelle würde ich Euren hübschen Totenschläger fallen lassen, meine Arschbacken auf dieses fette Pferdchen schwingen und zur Stadt zurück galoppieren.« Er drückte das Schwert tiefer an den Hals. »Sofort!«
Der Offizier ließ seine Waffen fallen und das Schwert landete im Sand.
»Das werden wir behalten«, sagte Yoren. »Guter Stahl wird auf der Mauer immer gebraucht.«
»Wie Ihr sagt. Fürs Erste jedenfalls. Männer!« Der Goldrock pfiff seine Leute herbei und setzte sich in den Sattel seines Pferdes. »Ihr solltet Euch besser schleunigst zu Eurer Mauer verkriechen, alter Mann. Wenn ich Euch das nächste Mal treffe, hole ich mir nicht nur diesen Bastardjungen, sondern auch Euren Kopf!«
»Das haben schon bessere Männer versucht«, meinte Yoren und schlug dem Pferd mit der stumpfen Schwertseite auf die Flanke, so dass es den Königsweg entlang galoppierte. Die anderen folgten ihm.
Ich blickte zu Yoren, der auf Gendry zuging. »Die Königin will dich unbedingt haben, Junge.«
»Warum sollte sie ihn haben wollen?«, fragte Arya verständnislos.
Gendry sah sie finster an. »Und warum sollte sie dich wollen? Du bist doch nur eine kleine Kanalratte!«
Bei diesem Satz erhob ich mich abrupt, so dass meine Waffen klirrten. Die drei sahen zu mir und mein Herz setzte kurz aus.
»Ich wüsste nicht, weshalb sie es überhaupt auf einen von euch beiden abgesehen haben sollte«, rettete Yoren die Situation. Er warf mir noch einen letzten finsteren Blick zu, bevor er wieder im Gasthaus verschwand.
![](https://img.wattpad.com/cover/60859169-288-k386021.jpg)
DU LIEST GERADE
Winter is coming || Game of Thrones Staffel 1-2
FanfictionBuch 1 Die Starks sind ein angesehenes und hohes Adelshaus im Lande Westeros. Nach einem Besuch des Königs beginnen sich die Kinder Catelyns und Neds im ganzen Königreich aufzuteilen. Sienna begleitet ihre kleinen Schwestern Sansa und Arya und damit...