8. Kapitel

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Ich will hier fort, waren meine Gedanken gewesen, als ich den Raum zum allerersten Mal betreten hatte. Vor wenigen Tagen war das gewesen. Ich will hier fort. Und noch immer waren sie da. In meinem Schlafzimmer, das mir wie ein Gefängnis schien - kalt und trostlos, trotz der Teppiche und Vorhänge, der hellen und sonderbaren Sommerfarben. Es war nicht wie zu Hause in Winterfell, hier war alles fremd und ungewohnt. Nicht einmal die wohlige Mittagssonne konnte mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern, nicht einmal meine Kleider oder meine Bücher.
Es klopfte, ich schwieg. Kein zweites Mal hämmerte man gegen die Tür, sie wurde einfach geöffnet. »Wieso meldet Ihr Euch nicht, M'lady?«, erklang die Stimme der Septa in meinem Rücken.
Ich antwortete zuerst nicht, doch letztendlich seufzte ich und wandte mich ihr zu. »Ich habe Euch nicht gehört«, log ich und sah sie entschuldigend an.
»Es gibt Essen. Euer Vater und Eure Schwestern sind bereits da. Kommt, Liebes.«
Ich folgte der Frau gemächlich. Mitten im Nebenraum, dem Solar, stand der Esstisch. Nur noch zwei Plätze waren frei. Wir befanden uns im Turm der Hand, und jeder von uns hatte ein eigenes Zimmer.
»Komm, Sienna, setz dich neben mich«, forderte mein Vater mich auf.
Ich ging dem nach und ließ mich neben ihm nieder.
»Der König möchte ein Turnier für die Hand veranstalten«, erklärte Lord Stark, während er etwas vom Braten abschnitt.
»Wird man uns erlauben, es zu besuchen, Vater?«, fragte Sansa entzückt. Sie saß zwischen Septa Mordane und Jeyne Pool, so weit wie möglich von Arya entfernt.
»Du weißt, was ich darüber denke, Sansa«, meinte unser Vater.
»Oh, bitte!«, flehte Sansa. »Ich möchte es sehen!«
»Prinzessin Myrcella wird anwesend sein, M'lord, und sie ist jünger als Lady Sansa«, meldete sich die Septa zu Wort. »Alle Hofdamen werden zu einem so großen Ereignis wie diesem erwartet, und da das Turnier zu Euren Ehren stattfindet, sähe es seltsam aus, wenn Eure Familie nicht teilnähme.«
Mein Vater schwieg und überlegte. »Also schön, ich werde dir einen Platz verschaffen, Sansa.« Er sah erst mich und dann Arya an. »Euch dreien.«
»Ich mache mir nichts aus dem blöden Turnier«, sagte Arya sofort. Ich wusste, dass sie Prinz Joffrey nicht mochte und ich konnte ihr es nicht verübeln.
»Es wird ein prächtiges Ereignis. Da bist du wohl kaum erwünscht!«
Sauer sah ich Sansa an und auch mein Vater wurde wütend. »Genug, Sansa!«, donnerte er. »Noch mehr davon und ich ändere meine Meinung. Ihr seid Schwestern und ich erwarte, dass ihr euch wie Schwestern aufführt, habt ihr das verstanden?«
Sansa nickte, Arya hielt den Blick gesenkt und starrte auf den Teller. Sie war kurz davor, zu weinen, doch hielt sie es zurück, indem sie sich die Augen rieb.
»Entschuldigt mich«, sagte Lord Stark plötzlich und erhob sich. »Ich habe heute wenig Appetit.« Mit diesen Worten verließ er uns.
»Kann ich in mein Zimmer gehen?«, fragte Arya plötzlich in die Runde.
Die Septa wollte gerade den Mund öffnen um Einspruch zu erheben, als ich der Frau jedoch zuvor kam. »Natürlich«, sagte ich und Arya verließ das Essen.
»Wenn Ihr so weitermacht, wird Eure Schwester später überhaupt nicht mehr fragen, sondern es einfach tun«, tadelte die Septa.
»Arya ist ein tolles Mädchen. Würden nicht alle auf ihr herumhacken«, ich warf Sansa einen mahnenden Blick zu, »dann würde sie nicht zu manchen Dingen hingerissen werden.« Ich schob den Teller zurück und erhob mich mit einem finsteren Blick. »Entschuldigt mich. Mir ist der Hunger vergangen.«
Ich öffnete die Tür zu Aryas Zimmer und trat ein. Meine kleine Schwester saß an der Bettkante und musterte betrübt das Schwert, welches sie in ihren Händen hielt.
»Woher hast du das?«, fragte ich sofort. Ich stand an der Tür, auf eine Antwort wartend.
»Jon hat es mir gegeben«, erklärte das braunhaarige Mädchen und sah mich mit festem Blick an. »Es gehört mir.«
»Ich meinte auch nicht, dass dem nicht so wäre«, gab ich ruhig zurück und setzte mich neben sie.
»Ich will, dass Sansa an ihrem Essen erstickt!« Fest schloss sie ihre Hände um den Griff der dünnen Waffe.
»Arya, sag so was nicht!«
»Das ist alles so ungerecht! Wieso ist Sansa so hübsch? Wieso kann sie so gut nähen und warum weiß sie immer, was man wann sagen soll und was nicht? Alle mögen sie, sogar der blöde Prinz.«
»Beruhige dich, Arya«, sagte ich und legte einen Arm um ihre Schulter.
»Ich will wieder nach Hause. Ich will wieder zu Mutter und Bran und Rickon. Ich will mit Robb sprechen und ich will, dass Jon wieder bei uns ist. Ich will, dass alles wieder so ist wie früher.«
Ich zog Arya näher an mich heran und sie lehnte sich an mich. »Das will ich auch, Arya, das will ich auch.«
Plötzlich klopfte es und kurz darauf betrat Lord Stark leise das Zimmer. »Was ist nun schon wieder passiert?«, fragte er uns und Arya löste sich von mir. Sein Blick fiel auf Aryas Schwert und er kam näher und setzte sich neben sie. »Wem gehört das?«
»Mir«, gab meine Schwester zu, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Gib es mir.«
Nach kurzem Zögern reichte Arya unserem Vater die Waffe. Er drehte es in seiner Hand und musterte die Klinge.
»Es scheint mir, als würde ich die Machart kennen. Es ist Mikkens Werk.« Ned Stark seufzte. »Meine neunjährige Tochter wird von meinem eigenen Schmied bewaffnet, und ich weiß nichts davon. Woher hast du es?«
Arya sagte nichts, sah stattdessen zu Boden. Auch ich setzte zu keiner Antwort an und schwieg ebenfalls.
»Das ist kein Spielzeug für Kinder, schon gar nicht für Mädchen«, meinte der Mann.
»Ich habe nicht gespielt«, entgegnete Arya trotzig. »Und außerdem darf Sienna auch mit Schwertern kämpfen.«
»Sie durfte es in Winterfell«, beharrte mein Vater und sah mich an. »Das war eine Ausnahme.«
»Dann waren es mehrere Ausnahmen«, verbesserte ich und schüttelte leicht den Kopf. »Ich werde euch alleine lassen. Und ich denke, ihr solltet euch unterhalten.«
Ich erhob mich, zog den Stoff meines Kleides ein wenig hoch und verließ Aryas Zimmer. Nun machte ich mich auf zu meinem. Wie immer. Keinen anderen Ort hatte ich hier je gesehen, bis auf einige Teile der Stadt Königsmund, als wir sie durchquert hatten, um zum Roten Bergfried zu gelangen.
Ich hatte mich sofort in meinem Zimmer eingeschlossen und es nicht mehr verlassen. Auch wenn man es mir nicht ansah, war ich unglücklich, und noch immer kreisten durch meinen Kopf dieselben Gedanken: Ich will hier fort.

Winter is coming || Game of Thrones Staffel 1-2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt