»Ein leerer Bergfried«, verkündete Yoren, als wir das verlassene Mauerwerk betraten. Es war bereits dunkel und die Nacht hüllte alles ins Schwarze. »Hier rasten wir. Du! Kümmer dich um die Pferde!« Der Bruder der Nachtwache deutete auf mich und ich verdrehte im Schatten der Nacht die Augen.
Dennoch stieg ich aus dem Sattel und ergriff die Zügel meines Rosses. Während die anderen den Schutz des Gesteins aufsuchten, brachte ich die Esel und Pferde in den einzigen Stall und band sie dort fest.
»Sienna, wieso gehst du mir aus dem Weg?«, erklang eine Stimme in meinem Rücken. »Wieso zeigst du dich nicht?«
Ich band das letzte Pferd fest und wandte mich Gendry zu.
»Erzähl Arya, dass du es bist. Es ist für alle das Beste.« Er kniff die Augen zusammen und blickte mich lange an. »Sienna -«
»Schweig!«, herrschte ich ihn wütend an. »Du hast nicht das Recht, so mit mir zu sprechen! Ich bin eine Lady!«
»Ach, auf einmal?« Er zog eine Augenbraue hoch.
»Geh zurück zu den anderen, bevor es Misstrauen erweckt!«
»Wie ihr wünscht, M'lady!« Gendry setzte zu einer knappen Verbeugung an - ich wusste, dass er mich provozieren wollte - und schritt davon.
Ich atmete tief ein und aus. Ein Pferd wieherte in meinem Rücken. Ich richtete meinen Gürtel und ging nach draußen.
»Hey, du!«, rief jemand und ich wandte meinen Kopf. In einem geschlossenen Wagen saßen drei Gefangene, die anscheinend zu gefährlich waren, als dass man sie frei herumlaufen lassen könnte.
»Lass uns frei«, sagte der zweite.
Der dritte von ihnen hatte langes gewelltes Haar, welches ihm bis zu den Schultern reichte, und war schmal im Gesicht. Er schwieg und musterte mich ununterbrochen.
Da vernahm ich ein Geräusch und ich drehte mich um. Es war eine Kolonne von Reitern, die auf den Weg hierher war. Yoren kam mit den anderen herausgerannt. Unsere Tiere wieherten und schnaubte und die Reiter hielten vor dem Tor. Yoren stellte sich mit einigen anderen neben mich.
»Ihr da!«, brüllte ein Ritter. »Im Namen des Königs, lasst die Waffen fallen!«
»Welcher König?«, rief Yoren zurück.
»Im Namen Joffreys Baratheons, dem Ersten seines Namens«, gab der Mann zurück. »Wer seid Ihr? Einer von Lord Berics Feiglingen?«
»Ich kenne niemand mit diesem Namen«, meinte Yoren. »Die hier«, er deutete auf uns, »sollen sich der Nachtwache anschließen. Ich trage das Schwarz, falls Ihr das nicht sehen könnt.«
»Ich sehe das«, gab der Ritter zurück. Erst jetzt im Fackelschein erkannte ich das Wappen auf ihren Bannern: ein goldener Löwe auf einem roten Untergrund.
»Wer hat bei Euch den Befehl?«, verlangte Yoren zu wissen.
»Ich.« Ein fetter Mann mit einem Schweinegesicht trat hervor. »Ser Amory Lorch, Gefolgsmann des Lords Tywin Lennister von Casterlystein, die Hand des Königs. Des wahren Königs, Joffrey. In seinem Namen befehle ich Euch, ergebt Euch!«
»Dazu sehe ich keine Notwendigkeit. Wir wollen nur zurück zur Mauer. Ich bin ein Bruder der Nachtwache. Mir ist es egal, wer was in welchem Namen tut«, spie Yoren aus.
»Die Mauer liegt ein ganzes Stück nördlich von hier«, meinte ein Lanzenträger.
»Im Namen des Königs befehle ich Euch abermals: Ergebt Euch!«
Yoren dachte kurz nach. »Ich glaube nicht.«
»Nun denn.« Blitzschnell zog Ser Amory Lorch sein Schwert und stieß dieses in Yorens Bauch.
»Zu ... den ... Waffen!«, brachte der schwarze Bruder nach Luft schnappend hervor und langsam sank er auf die Knie.
Links und rechts von mir zückten unsere Begleiter ihre Waffe und stürzten sich in den Kampf. Auch ich wollte mein Schwert ziehen, doch jemand ergriff mich am Handgelenk und zog mich mit sich zu einem Pferd.
»Du musst von hier verschwinden«, sagte Gendry.
»Arya -«
»Ich werde auf sie achten«, unterbrach er mich. »Wenn man euch beide in die Finger bekommt, seid ihr gefundenes Fressen. Sie wird man vielleicht nicht erkennen, aber wer weiß, was man mit dir anstellen wird.«
»Ich kann sie mitnehmen!« Ich sah an ihm vorbei und zu Arya, die ebenfalls im Kampf verwickelt war.
»Steig auf!«, sagte Gendry, doch bevor ich reagieren konnte, hatte er mich hochgehoben und in den Sattel gesetzt. »Reite gen Winterfell. Finde deine Mutter und deine Brüder. Hole Hilfe, bleib dort. Reite so schnell du kannst.«
»Gendry, ich -«
Ich konnte den Satz nicht einmal beenden, da gab er dem Pferd bereits einen Klaps und das Tier galoppierte davon. Der Wind peitschte mir ins Gesicht, riss mir die Kapuze vom Kopf. Tränen füllten meine Augen, rannen mir die Wangen hinunter und kalt wurde es auf meiner Haut.
Ich wagte es, nach hinten zu sehen. Männergebrüll und Hufgetrappel ertönte - ich wurde verfolgt. Über das offene Feld in den nächsten Wald hinein rannte mein Pferd und die Verfolger holten immer mehr und mehr auf. Mein Tier wurde von nun links und rechts von Bäumen umschlossen und ich ritt über den schmalen Weg weiterhin im Galopp hinweg. Die Reiter waren nur noch einige Meter von mir entfernt.
Auf einmal vernahm ich eigenartige Geräusche neben mir. Etwas Helles huschte wenige Schritte von mir entfernt durch das Unterholz. Ein tiefes Grollen erklang und mein Pferd blieb abrupt stehen, stieg und schmiss mich ab. Unsanft landete ich auf dem harten Waldboden. Staub wirbelte auf, schlug mir ins Gesicht, als mein Pferd panisch davonrannte. Ich hustete und rieb mir die Augen.
»Da ist ja die Ausreißerin!«, hörte ich eine männliche Stimme.
Meine Sicht wurde wieder klar und ich sah drei Männer, die von ihren Pferden abgestiegen waren und nun auf mich zuliefen. Sie zogen ihre Schwerter und lächelten dabei von einem Ohr zum anderen.
»Erst werde ich sie nehmen und dann aufschlitzen - von oben bis unten«, sagte ein Mann und zeichnete in der Luft einen senkrechten Strich hinunter.
Ich wich auf dem Boden nach hinten zurück, doch weit kam ich nicht, denn der zweite Ritter stellte seinen Fuß auf den Stoff meines Umhangs. Er richtete die Spitze seines Schwertes auf meine Kehle.
»Noch ein Wort, Schlampe?«
In diesem Moment erklang wieder das tiefe Grollen, welches mir einen Schauer über den Rücken jagte. Das Grollen wurde zu einem Knurren und die Männer sahen sich erschrocken und ängstlich um.
»Was ist das?«, fragte der dritte Mann und wirbelte herum.
Etwas Weißes rannte blitzschnell durch das Gebüsch und der zweite Ritter brachte mit Angst hervor: »Ein Geist!«
Nicht Geist, schoss es mir durch den Kopf, und da sprang das weiße Wesen mit einem Bellen hoch.
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Winter is coming || Game of Thrones Staffel 1-2
أدب الهواةBuch 1 Die Starks sind ein angesehenes und hohes Adelshaus im Lande Westeros. Nach einem Besuch des Königs beginnen sich die Kinder Catelyns und Neds im ganzen Königreich aufzuteilen. Sienna begleitet ihre kleinen Schwestern Sansa und Arya und damit...