3. Kapitel

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Es vergingen Wochen und von Tag zu Tag wurde es kälter. Die Schattenwölfe wuchsen heran. Sie hörten auf uns, nur auf uns, und es schien, als seien sie im Geiste mit uns verbunden. Jeder Wolf hatte ähnliche Merkmale wie der jeweilige Besitzer: Nymeria war eine aufgeweckte Wölfin, genau wie Arya. Struppel, der jüngste von allen Welpen, wirkte genauso zierlich wie Rickon. Lady und Grauwind glichen ihren Herrchen überaus sehr – Lady, eine feine Wölfin, die die Nase sehr hoch trug, und Grauwind, majestätisch und selbstbewusst.
Sommer, Brans Wolf, wirkte ziemlich ruhig, aber in der Nähe meines Bruders war er aufgeweckt und beschützte ihn vor jedem, der sich ihm zu sehr näherte. Jons Wolf, Geist, war der unauffälligste von allen. Er hatte noch nie ein Geräusch verursacht, jedenfalls nicht, wenn ich bei ihm gewesen war.
Seit Monaten hieß es, dass der König mitsamt Gefolge nach Winterfell reiten würde. Es musste etwas Wichtiges sein, sonst würde er diese elendig lange Reise aus dem Süden hoch in den Norden nicht antreten. Nun blieben den Starks und ihrem Hof nur noch wenige Tage, so hieß es zumindest, um die Burg auf Vordermann zu bringen, Speisen zu kochen, bis der Ofen platzte, und Böden und Bänke zu schrubben, bis das Holz barst.
Der ganze Hof war in Aufruhr. Überall wurde gearbeitet - die Ställe und und die Räume innerhalb der Gemäuer wurden gesäubert, Essen wurde zubereitet und die Hallen wurden geschmückt. Seit einigen Tagen probierte Sansa ihre Kleider an, manche bereits ein weiteres Mal. Sie freute sich auf den Prinzen Joffrey, womit Arya sie stets aufzog.
Ich schritt durch die Burg, als ich an dem Zimmer Sansas vorbeikam. »Sansa ist verliebt! Sansa ist verliebt!«, vernahm ich Aryas belustigte Stimme.
»Verschwinde, Arya!«, antwortete meine andere Schwester sauer.
Die Tür stand einen Spalt offen und ich konnte Arya sehen, wie sie durch das Zimmer sprang. Ich klopfte und betrat den Raum. »Was macht ihr hier?«
»Sienna, sag Arya, sie soll ihren nervigen Mund nicht mehr aufmachen und auf der Stelle mein Zimmer verlassen!«
»Sag es ihr doch selbst«, gab ich verständnislos zurück.
»Du bist immer auf Aryas Seite«, rief das dreizehnjährige Mädchen und verließ sauer ihr Zimmer.
»Ich habe nur gesagt, dass Sansa in Joffrey verliebt ist«, sagte Arya und blieb mit einem unschuldigen Blick auf dem Bett stehen.
»Lass Sansa ihre Schwärmerei. Sie ist in einem Alter, in welchem solch ein Auftreten normal ist.«
»Sie meinte, ich muss schön aussehen, wenn der König kommt. Kann ich nicht Hosen tragen und offene Haare? Das ist viel besser!« Das elfjährige Mädchen setzte sich an den Bettrand.
»Ach, Arya.« Seufzend ließ ich mich neben ihr nieder. »Ich kann dich nur zu gut verstehen, aber du kannst nicht deinen Rang ändern. Du bist als eine Lady geboren worden, und von dir wird erwartet, dass du dich wie eine verhältst -«
»Ich will aber keine Lady sein!«, unterbrach Arya mich. »Ich hasse nähen und ich hasse Kleider. Ich will ausreiten in einem richtigen Sattel und ich will kämpfen.«
»Das kannst du doch, aber manchmal musst du dich angemessen verhalten.«
Daraufhin schwieg meine kleine Schwester und sah zu Boden. Ich konnte ihren Blick nicht sehen, doch ich wusste, dass sie nachdachte. Da klopfte es an der Tür und wir sahen auf. Theon Graufreud betrat das Zimmer und blieb abwartend vor uns stehen.
»Was ist?«, verlangte ich mit einem harschen Unterton zu wissen.
»Der König wird bald eintreffen. Ihr sollt euch zurecht machen.«
Ich nickte und der Junge verließ uns.
»Wollen wir nun zu Mutter gehen und uns die Haare machen lassen?«, fragte ich meine Schwester.
Arya antwortete zunächst nicht, doch dann nickte sie. »Aber nur dieses eine Mal.«
Ich lächelte sie freundlich an und reichte ihr meine Hand. Sie ergriff sie und zusammen machten wir uns auf den Weg zu unserer Hohen Mutter.

Die unzähligen goldenen Banner wehten durch den Nordwind unentwegt hin und her. Die gekrönten Hirsche waren prunkvoll und zierten die Stofffetzen, die an den Holzstangen hingen. Lang zog sich die Reihe dahin, die meisten Soldaten standen vor den Toren. Das engste Gefolge ritt auf den Hof, die robuste Kutsche aus Eichenholz hielt ebenfalls auf dem sandigen Boden.
Rechts von mir stand Sansa, links Robb. Arya war verspätet zu uns gestoßen. Mein Vater zog ihr einen Helm vom Kopf und erst dann reihte sie sich zwischen Sansa und Bran ein.
Ich beobachtete, wie der dicke König der sieben Königslande unbeholfen von seinem Ross stieg. Die Königsgarde, von welcher ich schon viele Geschichten gehört hatte, schwang sich ebenfalls aus dem Sattel. Mein Blick wanderte zu einem hochgewachsenen schlanken Mann. Er hatte blondes Haar und wie jeder Ritter der Königsgarde trug er eine goldene Rüstung.
»Ned!« Der König lief lachend meinem Vater entgegen. »Du hast dich nicht verändert!«
Ehrfürchtig sank mein Vater auf die Knie und ganz Winterfell tat es ihm gleich. »Majestät, Winterfell ist Euer.«
»Steh auf! Los, steh auf!«, befahl der König barsch und Eddard Stark richtete sich wieder auf. Als ich aus den Augenwinkeln sah, dass meine Mutter dem nachging, erhob ich mich ebenfalls, ebenso das restliche Gefolge.
Nun ließ ich meine Blicke wieder durch die Ankömmlinge wandern und sogleich erfasste ich die schlanke Frau mit den blonden Haaren.
»Die Zwillingsschwester Jaime Lennisters und Königin der sieben Königslande - Cersei Lennister«, brachte Sansa leise mit einer gewissen Begeisterung hervor. Freudig beobachtete sie die Königin bei jedem ihrer Schritte. Sie trat sehr selbstbewusst, jedoch auch arrogant auf - genau wie ihr Bruder, der sich umsah, als wäre er der mächtigste Krieger.
»Sieh nur, der Gnom!«, flüsterte meine jüngste Schwester uns zu.
»Arya!«, herrschte Sansa sie sofort an und diese verstummte augenblicklich. Doch mit einem Schlag wurde ihr Blick weich, als sie den Jungen sah, der aus der Kutsche gestiegen war. »Oh, da ist er!«
Erwartungsvoll starrte Sansa nun den Prinzen an - Joffrey Baratheon. Doch bevor ich ihn mustern konnte, stand plötzlich der König vor mir. Ich erschrak, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass Robert Baratheon auch uns begrüßte. »Und du bist?«, fragte er mich mit einer tiefen und ruhigen Stimme.
»Sienna, Euer Majestät.« Ich knickste vor dem Mann, den Blick dabei gesenkt haltend.
»Eine wahre Schönheit, die ihr da gezeugt habt, Ed!«, rief der König meinem Vater zu, dann wandte er sich wieder an mich. »Ich bin froh, dass du älter bist als mein Sohn. Mit einer solchen Hässlichkeit hätte ich dich nicht vermählt«, flüsterte er mir zu. Kaum hatte er dies ausgesprochen, begann er unaufhörlich zu lachen.
Hilflos sah ich zu meinem Vater - ich wusste nicht, ob ich in das Lachen mit einstimmen sollte. Schließlich hatte der König sich wieder beruhigt und führte seine Begrüßung bei meinen Geschwistern fort. Als er letztendlich bei Rickon angekommen war, gab er ihm kurz die Hand, redete mit ihm scherzhaft über seine Muskeln und wandte sich dann wieder an den Lord Winterfells.
»Bring mich in eure Krypta, Eddard. Ich möchte ihnen meinen Respekt zollen!«
»Können die Toten nicht warten, Liebster?«, fragte Cersei, die ihn eindringlich ansah.
»Schweig, Weib!«, herrschte der König seine Frau an und ohne sie weiter zu beachten, winkte er meinen Vater herbei. »Komm, Ned!« Der Lord gehorchte. Er folgte dem König hinunter in die Gruft und ließ sein Gefolge somit zurück.
Cersei ließ immer noch ihren Blick schweifen. Schließlich blieb sie an mir hängen, und während Sansa neben mir einige knappe Worte mit dem Prinzen wechselte, kam die Königin langsam auf mich zu. In diesem Moment war mir das sichtlich unangenehm und sofort senkte ich ehrfürchtig meinen Blick zu Boden.
»Sienna, richtig?«, ertönte die wunderschöne Stimme der Frau.
Ich nickte knapp. »Ja, Euer Gnaden.«
»Sie ist wahrlich wunderschön, Catelyn.« Ich spürte, wie die Königin eine Strähne meiner leicht gewellten Haare ergriff und diese um ihren Finger wickelte. Ich sah auf und blickte in das blasse Gesicht. »Eine wahre Schönheit.« Die Königin trug ein merkwürdiges Lächeln auf ihren Lippen, während sie meine Haarsträhne losließ und davonschritt.

Winter is coming || Game of Thrones Staffel 1-2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt