9. Kapitel

5.3K 262 7
                                    


Die kühle Luft ließ die Vorhänge des Zimmer langsam und leicht hin- und herschwingen. Sie berührte sanft mein Gesicht, wie Küsse meiner Mutter fühlten sie sich an. Diese Erinnerung ließ mein Herz verkrampfen und ich zog meine Knie hoch an meinen Bauch, als könnte mich das vor der unbekannten großen Welt schützen.
Ich lag wach im Bett, meine Augen waren auf das offene Terrassenfenster gerichtet. Ich beobachtete die Vorhänge, die mich auf irgendeine Art und Weise beruhigten. Das Holz knarrte, leise wurde die Tür geöffnet. Ich wusste nicht, wer das Zimmer betrat, da ich demjenigen den Rücken zugewandt hatte. Mein Herz pochte wild und ich hielt den Atem an.
»Ich weiß, dass du nicht schläfst«, vernahm ich die leise Stimme meines Vaters.
Ich richtete mich auf, während er um das Bett lief und sich neben mich auf die Bettkante setzte.
»Arya war noch wach. Sie hat versucht, eine Wassertänzerin zu sein«, meinte er, den Blick auf das Fenster gerichtet.
»Und das heißt?«, fragte ich neugierig.
»Sie hat versucht, auf einem Zeh zu stehen«, erklärte mein Vater und ich musste grinsen.
»Sie wird sicher bald erfahren, dass du Syrio Forell angestellt hast.«
Ned Stark schüttelte leicht den Kopf. »Wird sie nicht.« Sein Blick verlor sich in dem Wehen des Vorhanges - er dachte nach.
»Was ist los, Vater?«, fragte ich und sah ihn besorgt an.
»Es ist nichts«, antwortete er und wandte seinen Kopf, so dass er mir in die Augen blicken konnte. »Schlaf jetzt. Es ist schon spät.« Er gab mir einen Kuss auf die Stirn, erhob sich und verließ ohne ein weiteres Wort mein Zimmer. Ich verfolgte ihn mit meinen Blicken, bis er fort war, und ließ mich dann unruhig ins Kissen zurücksinken.

»Sienna?«, hörte ich Sansas Stimme in meinem Rücken, während ich auf dem Balkon stand und den Blick auf die Innenstadt gerichtet hatte. »Willst du mit mir und Jeyne durch die Gärten gehen und ein wenig reden?«
»Reden im Sinne von: Wir sprechen stundenlang über den Prinzen?«, fragte ich, ohne mich umzudrehen.
Sansa kicherte und ich vernahm Schritte - sie lief auf mich zu. »Ich verspreche dir, auch über andere Dinge zu reden«, sagte sie und blieb stehen.
Ich seufzte und wandte mich ihr zu. Sie trug eine dieser Frisuren, die im Süden alltäglich waren, und ein rotes Kleid.
»Einverstanden.« In ihrem Gesicht erstrahlte ein Lächeln. Plötzlich kam sie zu mir herübergerannt und ergriff meinen Arm. Freudig zog sie mich mit sich, heraus aus meinem Zimmer, die Treppen hinunter und in die grüne Landschaft hinein.
Zusammen mit Jeyne Pool schlenderten wir die angelegten Wege entlang, welcher links und rechts mit Blumen gesäumt. Rosen, Lilien, Tulpen und weitere Pflanzen, die wir im Norden sonst nie in solch einer Zahl gesehen hatten. Es war wunderschön anzusehen, doch schien es nur eine Maske zu sein, eine Maske, die das eigentliche Übel hier tarnen sollte.
»Hast du jemandem dein Herz geschenkt, Sienna?«, fragte Jeyne mich. Sansa lief in der Mitte, ich rechts von ihr.
»Nein«, gab ich ehrlich zu. »Ich muss mich auf wichtigere Dinge konzentrieren.«
»Sollte das eine Anspielung sein, Schwester?«, wollte Sansa mit süßer Stimme wissen.
Ich lächelte und warf ihr einen belustigten Blick zu. »Nein, natürlich nicht.«
»Was sagst du zu Joffrey?« Abwartend sah Jeyne mich an.
Ich dachte, wir reden nicht über den Prinzen, schoss es mir durch den Kopf, doch das behielt ich für mich. »Er ist edel und -«
»- sanft, rein und so wunderschön«, unterbrach Sansa mich schwärmend.
»Dann hätten wir das auch geklärt.« Ich wandte mich um.
»Wo willst du hin, Sienna?«, rief Sansa mir hinterher.
»Sicher nicht zu Prinz Joffrey!«, gab ich entzürnt zurück und schritt eilig auf den Turm der Hand zu.

»Vater, du kannst das nicht zulassen!«, rief ich sofort, als ich die Tür aufgerissen hatte.
»Sienna.« Lord Stark blickte von seinen Notizen auf und sah mich an. Jory stand neben ihm, ich war mitten in eine Besprechung hineingeplatzt.
»Wenn Sansa Joffrey heiratet, ist sie verloren!«
Mein Vater warf Jory einen kurzen Blick zu und nickte. Der Soldat verbeugte sich knapp und verließ das Zimmer. »Was ist los?«
»Tag und Nacht spricht meine Schwester nur noch von dem Prinzen«, sagte ich aufgebracht. »Ich mag ihn nicht viel kennen, aber ich kann einen Esel von einem Streitross unterscheiden!«
»Sienna, achte auf deine Wortwahl«, tadelte mein Vater. Er verschränkte die Finger ineinander und atmete ruhig aus.
»Vater, er ist nicht das, was er vorgibt zu sein!« Ich trat näher an ihn heran, und nun stand ich vor seinem Tisch. »Ich hab ihn gesehen. Ich habe gesehen, wie er ist, wie gewalttätig und gemein. Er hätte Arya beinahe getötet! Dank ihm sind unsere Wölfe fort!«
»Sie wären hier eh nicht gut aufgehoben gewesen«, meinte der Mann vor mir und strich sich mit dem Handrücken über die Stirn.
»Ich will hier weg«, sagte ich bestimmt. »Ich will nach Hause zu Mutter und Bran, zu Robb und Rickon.« Mir stiegen Tränen in die Augen und ich stützte mich mit den Händen auf die Tischplatte. »Ich will, dass alles wieder so ist wie früher. Sag dem König, dass du gehen musst. Das hier ist nicht deine Aufgabe! Du musst es tun. Wir können nicht hier -«
»Sienna, genug!«, herrschte mein Vater mich an. »Ich will davon nichts mehr hören! Ich bin die Rechte Hand des Königs und es ist meine Aufgabe, mich um das zu kümmern, was mir aufgetragen wird. Wir bleiben hier! Geh jetzt, ich muss noch wichtige Vorbereitungen für das Turnier treffen.«
Entsetzt starrte ich meinen Vater an. Was war nur aus ihm geworden? Der Mann, der sonst immer meiner Meinung gewesen war, hatte den Blick wieder auf seine Notizen gerichtet und schenkte mir keinerlei Beachtung. Ich richtete mich auf, ohne mich von ihm abzuwenden.
»Dann bereitet Euer wichtiges Turnier vor, M'lord!«, rief ich mit Wut in der Stimme und Tränen in den Augen. »Euch noch einen angenehmen Tag!« Ich knickste übertrieben und verließ dann zügigen Schrittes den Turm der Hand.

Winter is coming || Game of Thrones Staffel 1-2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt