22. Kapitel

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Links und rechts säumten sich dunkle Zelte. Männer standen am Rand, unterbrachen ihre Arbeit und warfen uns verwunderte oder neugierige Blicke zu. Die Wölfe liefen neben meinem Pferd her, die beiden Ritter hinter mir. Vor dem größten Zelt hielten wir an. Ein Knappe kam, hielt die Zügel meines Pferdes fest und ich stieg ab. Der Saum meines Umhanges berührte den matschigen Boden und beschmutzte ihn noch mehr.
Der Vorhang des großen Zeltes wurde beiseite geschoben und eine mir bekannte Personen trat heraus.
»Robb«, sagte ich leise seinen Namen und er lief mir entgegen und umarmte mich.
»Sienna«, murmelte er und wiegte mich hin und her. »Späher haben mir bereits berichtet, dass du kommst.«
Er löste sich von mir und ich sah an ihm vorbei. »Lord Karstark«, sagte ich, als ich den Lord erkannte. Ich nickte ihm zu und er verbeugte sich knapp. »Was soll das?«
»Ich bin der König des Nordens«, erklärte mein Bruder lächelnd und ich sah ihn an. »Du bist eine Prinzessin.«
Ich zog die Augenbrauen hoch und verzog verständnislos das Gesicht.
»Komm. Ich lasse dich in dein Zelt bringen, wo du dich baden kannst und neue Kleider bekommst. Später können wir reden.« Mein Bruder hob die Hand und winkte eine junge Frau herbei.
Ich ließ mich von ihr führen, meine Wölfe folgten mir. In der Mitte des Zeltes stand ein Wasserbottich, welcher mit heißem Wasser gefüllt wurde.
»Geht«, sagte ich. »Ich schaffe das auch allein.«
Die Frau zögerte erst, doch dann nickte sie knapp und verließ mich. Die Wölfe sahen zu mir hoch und ich seufzte.
»Bewacht mein Zelt oder geht jagen«, wies ich an. »Euch wird hier nichts passieren. Ihr könnt auch Grauwind suchen. Es ist mir gleichgültig.«
Die Schattenwölfe verließen mein Zelt und ich begann mich auszuziehen und mich in die Wanne zu legen. Das Wasser war wirklich heiß, doch es war angenehm. Nach all der Zeit, die ich in der Wildnis verbracht hatte, würde ich wahrscheinlich alles aushalten.
Als das Wasser kalt wurde, verließ ich den Bottich und legte das Wolltuch, das bereits neben der Wanne gelegen hatte, um meinen Körper. Auf meinem Bett lag ein graues warmes Kleid und ein Mantel aus Fell. Ich zog mir die Sachen an und bürstete mein Haar. Als es trocken war, machte ich mir die Frisur, die ich damals auch immer getragen hatte. Eine Frisur aus dem Norden.
Ich betrachtete mich im Spiegel. Meine braunen Haare waren in der Zeit länger geworden. Sie reichten mir bis über die Brust. Ich hatte Augenringe durch den wenigen Schlaf und mein Gesicht war etwas eingefallener, da ich kaum etwas gegessen hatte.
Ich pfiff und die Schattenwölfe kamen und ich verließ mit ihnen das Zelt. Ein Soldat holte zu mir auf und eskortierte mich.
»Ich soll Euch zum König bringen«, erklärte er. »Wenn Ihr mir bitte folgen würdet, Prinzessin.«
Er lief vor und ich folgte ihm. Er führte mich ins Zelt meines Bruders, welcher an einem Tisch saß.
»Komm her, Sienna«, sagte er und winkte mich herbei.
Robb saß am Kopfende, links von mir. Es wurde Essen auf den Tisch gestellt und ich sah es an.
»Iss nur«, sagte mein Bruder grinsend, als er meinen Blick bemerkte.
Ich nickte knapp und tat mir dann Essen auf meinen Teller. »Wo sind Mutter und Theon?«
»Sie erledigen einige wichtige Dinge für mich.« Er schwieg. »Wie bist du aus der Stadt geflohen?«, fragte Robb mich schließlich, während er mich beim Essen beobachtete.
Ich hob meinen Kopf und blickte ihn an. »Es waren viele Menschen vor der Septe von Baelor versammelt, als Vater ...« Mein Blick wurde leer und ich sah wieder den König und die Königin vor mir. Mein Bruder war vollkommen vor mir verschwunden und vor mir erblickte ich meinen knienden Vater, die Bevölkerung bewarf ihn mit Essen und beschimpften ihn. Eine Waffe blitzte im Sonnenlicht auf. Eis. Ilyn Payne hielt das Schwert in den Händen und ließ es herabsausen. Der Torso kippte zu Boden, der Kopf rollte auf dem Holz umher.
»Sienna?«
Die Leute schrien und jubelten. Der König lächelte zufrieden und verschwand mit seiner Mutter.
»Sienna?«
Mein Blick wurde klar. Ich sah deutlich meinen Bruder, der mich besorgt musterte.
»Sienna, ist alles in Ordnung?«
»Ja«, murmelte ich und strich mir mit dem Handrücken über die Augen, die unbemerkt feucht geworden waren. »Fast die ganze Stadt war auf dem Platz vor Baelors Septe versammelt. Ich wurde mitgenommen von einem Mann namens Yoren. Er war ein Bruder der Nachtwache.«
»War?«, wiederholte Robb fragend.
Ich nickte knapp. »Ja. Er hat mich mit einigen anderen, die sich der Bruderschaft anschließen sollten, aus der Stadt gebracht. Ich war getarnt, so dass auch sie nicht wussten, wer ich war. Yoren kannte Benjen. Es war für ihn eine Art Pflicht, mich zu retten. Er starb, als man uns angriff. Es waren Vasallen der Lennisters. Ich floh und wurde verfolgt. Glücklicherweise retteten mich unsere Wölfe. Der Rest ist dir bekannt.«
»Und Arya und Sansa?«
»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich sind sie noch in Königsmund.« Ich sah ihm tief in die Augen, nur damit er nicht bemerkte, dass ich log. Bevor er etwas erwidern konnte, sagte ich jedoch: »Ich würde gerne wieder zurück in mein Zelt. Wenn du mich entschuldigen würdet.« Ich erhob mich und schritt hinaus in die kühle Abendluft. Die drei Wölfe stießen zu mir und zusammen liefen wir durch das Lager.

Winter is coming || Game of Thrones Staffel 1-2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt