2- Ich geb dir gleich Blondie und zwar mit meinem Knie zwischen deine Beine!

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Katharina pov

Genervt schaute ich aus dem Fenster. Wegen Stau saßen wir jetzt seit geschlagenen fünf Stunden im Auto. Die Musik dröhnte in meinen Ohren, mein Blick war starr aus dem Fenster gerichtet, damit ich nicht aus Versehen mein Frühstück wieder ans Tageslicht brachte. Mittlerweile fuhren wir durch den Wald. Überall waren Bäume, alles war braun und grün und nervte nach einer halben Stunde einfach nur noch. Ich war noch nie ein großer Natur-Mensch gewesen und sechs Wochen Urlaub im Wald würden daran nichts ändern. Ich konzentrierte mich auf die Musik und wurde eine halbe Stunde später, was mir ein Blick auf mein Handy verriet, durch ein Rütteln in die Realität zurückgeholt. Ich nahm mir die Kopfhörer von den Ohren und ließ sie einfach um meinen Hals. Dann öffnete ich die Autotür und verließ steifbeinig mein Zuhause der letzten sechs Stunden. Ich schüttelte kurz meine Beine aus und schaute mich dann um. Nicht weit entfernt stand ein riesiges Haus und ich sah sofort, dass man mehr schlecht als recht etwas angebaut hatte. Meine Eltern und mein Bruder waren auch ausgestiegen und Mama und Papa liefen schnurstracks auf das Haus zu, aus dessen Tür jetzt ein Mann mit dunkelbraunen Haaren schaute. Mein Vater und er fielen sich in die Arme und redeten irgendwas, wobei sie einen Handschlag einbauten. Was weiß ich warum. Ich ließ meinen Rucksack im Auto und folgte mit Lukas zusammen meinen Eltern. Der Fremde Mann kam auf uns zu. "Hallo, ich bin Leon. Ich war mit Eurem Vater in einer Mannschaft." "Lukas, meine Schwester Katharina", antwortete Lukas genervt. Ich boxte ihm in die Seite und wandte mich dann mit einem aufgesetzten Lächeln an Leon. "Was mein Bruder eigentlich sagen wollte ist: Hallo Leon, ich heiße Lukas und meine Schwester kann sich selber vorstellen. Katharina Täumer." Ich hielt meinem Gegenüber meine Hand hin und dieser schüttelte sie grinsend. "Kommt rein. Die anderen sind alle schon da." Wir folgten ihm ins Innere des Hauses, wo meine Eltern schon die nächsten Fremden begrüßten. Ich drückte mich durch die Masse zu Papa und versuchte immer in seiner Nähe zu sein. Irgendwann hörte ich Leon rufen: "Jeder stellt sich jetzt als Familie zusammen und dann stellen wir uns alle gegenseitig vor, sonst wird das zu kompliziert für die Kinder!" Und so fand ich mich wenige Zeit später zwischen Papa und Lukas wieder. Leon begann mit dem Vorstellen. "Ich heiße Leon, das ist meine wunderbare Frau Vanessa. Ich war der Anführer der Wilden Kerle und Vanessa war Mittelfeldspielerin. Das sind unsere Kinder Tim und Stella." Leons Sohn grinste wie ein typischer Macho, was mich jetzt schon aufregte. Mein Blick wandte sich dem rothaarigen Mann zu, der jetzt zu sprechen begann. "Ich heiße Raban und habe meistens auf der Bank gesessen oder wurde irgendwo auf den Platz gestellt und habe versagt." Die Erwachsenen lachten, wir Kinder schwiegen. Raban fuhr fort. "Das ist meine Frau Teresa, die aber eigentlich nur Terry genannt wird und das ist unsere Tochter Marie." Marie hatte blonde Haare und wirkte ziemlich schüchtern. Als nächstes stellte sich Joschka vor, als Einziger ohne Frau und Kind. Seine Beziehung mit der Ex-Vampirin Marry war nach einigen Jahren in die Brüche gegangen, aber Joschka redete nicht gerne darüber. Jetzt waren wir dran, also begann mein Vater mit der Vorstellung. "Ich heiße Markus und war der Torwart der Wilden Kerle. Das ist meine Frau Sarah, die ich allerdings unter dem Namen Düsentrieb kennengelernt habe und deshalb nenne ich sie auch meistens so und das sind unsere beiden Sprösslinge Katharina und Lukas." Alle starrten uns an, was ich zwar aus der Schule gewöhnt war, aber nicht in diesem Ausmaß. Zum Glück machte der Mann neben uns direkt weiter. "Ich heiße Maxi, habe im Mittelfeld gespielt, das ist meine Frau Blossom und das ist unser Sohn Jan." Jan hatte braune, lockige Haare, ein echt süßes Grinsen und Grübchen. Am liebsten wäre ich beim Anblick der kleinen Kerben in seinen Wangen ausgerastet, denn ich liebte Grübchen! Bevor mir ein Freudenschrei entfuhr, konzentrierte ich mich lieber schnell auf den letzten Mann. "Ich heiße Marlon, bin Leons großer Bruder und habe meistens im Mittelfeld gespielt. Das ist meine Frau Anne, die ich aber bei unserem ersten Treffen Horizon getauft habe und diesen Namen ist sie seitdem nicht mehr losgeworden. Und das ist unsere Tochter Sophie." Sophie war, denke ich, die Jüngste von uns Kindern. Sie hatte leicht lockige Haare und Unmengen an Sommersprossen. "Hat jemand einen Vorschlag, was wir jetzt machen sollen?", fragte Leon. "Wir setzen uns alle zusammen auf die Terrasse und die Kinder sollen sich kennenlernen", schlug Joschka vor und grinste mich an. Ich warf ihm einen Todesblick zu, den er allerdings ignorierte. Leon nickte. "Das ist eine gute Idee. Im Gartenhaus findet Ihr Fußbälle." Mit diesen Worten machten sich die Erwachsenen aus dem Staub. "Und jetzt?", fragte Sophie. "Gar nichts und jetzt. Jeder macht was er will", antwortete Tim genervt. "Sie hat höflich gefragt, dann kannst du ihr auch höflich antworten", wies ich ihn zurecht. "Halt die Klappe, Blondie", sagte er herablassend und brachte mich damit endgültig auf die Palme. "Ich geb dir gleich Blondie und zwar mit meinem Knie zwischen deine Beine!" "Du kannst gerne mit was anderem als deinem Knie zwischen meine Beine", grinste Tim arrogant. "Hast du sie noch alle?! Hier sind Kinder und außerdem würde ich sowas niemals bei einem Typen wie dir machen, du bist ekelhaft!" "Ach, und bei anderen machst du das?" "Das geht dich gar nichts an!" "Hör auf mich anzuschreien!" "Ich denke gar nicht dran, du hast doch mit deinem dummen Kommentar angefangen!" "HÖRT AUF!" Erschrocken schaute ich meinen Bruder an. Noch nie war seine Stimme so laut geworden. "Wir beruhigen uns jetzt, setzten uns draußen irgendwohin und jeder erzählt wie alt er ist und was seine Hobbys sind. Unsere Eltern wollten diese Zeit miteinander haben und wir werden sie ihnen jetzt nicht kaputt machen", sagte Jan. "Du hast mir gar nichts zu sagen", entgegnete Tim und verließ ohne weitere Worte den Raum. "Wenn es sein muss", seufzte ich und so machten wir es, wie Jan gesagt hatte. Wir verließen das Haus und liefen auf einem dunklen Holzsteg entlang, bis wir uns am Ende hinsetzten. Jeder zog seine Schuhe aus und ließ die Füße im See baumeln. Insgeheim klopfte ich mir auf die Schulter, dass ich gestern Abend noch mühevoll meine Nägel gefeilt und lackiert hatte. "Wer fängt an?", fragte Jan, worauf Sophie wie aus der Pistole geschossen antwortete: "Immer der, der fragt!" Ich grinste, Jan seufzte und fing dann an zu reden. "Ich bin 14 Jahre alt, rede im Gegensatz zu meinem Vater ganz gerne, aber nicht zu viel. Ich überlege immer, bevor ich etwas sage und ja. Ich spiele gerne Fußball, hab auch mal im Verein gespielt, aber das mache ich schon seit zwei Jahren nicht mehr. Ansonsten lese ich gerne, fahre Longboard. Und ich hab eigentlich überhaupt keine Lust auf diese sechs Wochen, aber ich mache es für meine Eltern. Katharina, du bist dran." "Ich bin auch 14 Jahre alt und fahre gerne Skateboard. Ich lese gerne und viel, spiele sehr gerne Fußball, bin sehr direkt und sage meine Meinung. Ich hab eigentlich auch keine Lust, aber Joschka hat mich überredet es für meine Eltern zu machen. Er wohnt nicht weit von uns entfernt und ist der einzige Erwachsene, der Kinder Ernst nimmt. Sophie, mach du weiter." "Ich heiße Sophie, bin 12 Jahre alt, spiele Fußball, aber nicht im Verein oder so, sondern nur mit meinen Eltern oder mit Freunden. Ich mag Tiere und ganz besonders Pferde. Marie?" "Ich bin auch 12 Jahre alt und mag auch ganz gerne Fußball. Ich bin genauso tollpatschig wie mein Vater und rede bevor ich denke. Ansonsten treffe ich mich gerne mit Freunden und lerne für die Schule. Stella?" "Ich bin 13 Jahre alt, streite mich meistens mit meinem Bruder, weil er so ist wie er ist. Ich spiele sehr gerne Fußball und habe das auch mal eine Weile im Verein gemacht. Außerdem mache ich viel mit meinen Freunden, meistens mit dem BMX. Lukas, du bist dran." "Ich bin 15, spiele gerne am Computer oder mit Freunden. Ich mag Fußball und Basketball. Und ich streite mich öfter mal mit meiner Schwester." Es folgte eine unangenehme Stille. Ich wusste, dass dieser Urlaub keine gute Idee war. Wir würden niemals Freunde werden. "Ich gehe mal ins Haus und suche mir ein Zimmer aus", sagte ich, stand auf und ging weg. Mein Blick flog zur Terrasse, wo die Erwachsenen saßen und lachten. Sie waren unglaublich gute Freunde und jeder konnte sich auf jeden verlassen. Ich wünschte, ich hätte auch so jemanden. Meine Gedanken flogen zu Phillip, der jetzt in Irland im Regen hockte und sich zurückwünschte. Vielleicht hatte er aber auch schon tolle neue Freunde gefunden und mich vergessen. Die Tränen wollten mir in die Augen schießen, aber ich unterdrückte sie und betrat das Haus. Die Jacke meines Vaters war schnell gefunden und ich zog den Autoschlüssel heraus. Dann trocknete ich mir schnell die Füße ab, zog meine Schuhe an und ging zum Auto. Ich hatte zwei große Taschen, immerhin musste das Zeug für drei Wochen reichen, denn wir hatten hier eine Waschmaschine. Ohne die hätte ich wahrscheinlich fünf Taschen gebraucht. Ich schloss das Auto wieder ab und schleppte meine Taschen zum Haus. Den Schlüssel fädelte ich irgendwie einhändig in die Jackentasche zurück und ging dann die Treppe hoch. Ich stellte mein Gepäck ab und schaute mir erstmal die verschiedenen Zimmer an. Am Ende war die Entscheidung klar und so schleppte ich meine Taschen ins letzte Zimmer im Gang. Das war das einzige Einzelzimmer und da ich absolut keine Lust auf die anderen hatte, war es perfekt für mich. Lukas und Jan konnten in ein Zimmer, Stella und Tim und Marie und Sophie. Ich legte meine Taschen auf dem Bett ab, das direkt am Fenster stand und machte den ersten Reißverschluss auf. Ganz oben lag erstmal eine Packung mit Feuchttüchern, die sofort zum Einsatz kam, als ich die Türen des Schrankes öffnete. Alles war verstaubt und roch ekelhaft. Ich wischte den gesamten Schrank aus und sprühte anschließend etwas von meinem Parfüm in jedes Fach. Jetzt war das ganze erträglich und ich begann meine Sachen einzuräumen. Unterwäsche, Socken, kurzärmlige Oberteile, langärmlige Oberteile, Pullover, kurze Hosen, lange Hosen und unzuordbare Klamotten verschwanden im Schrank. Nach einer Stunde war ich endlich fertig und parkte die beiden, jetzt leeren, Taschen auf den Schrank. Dann bezog ich das Bett und die Bettwäsche, suchte mir neue Klamotten raus (Outfit oben) und ging ins Badezimmer, das ich bei der Zimmerauswahl ebenfalls gefunden hatte. Ich schloss ab, zog mich aus und holte aus meinem mitgebrachten Kulturbeutel Shampoo, Spülung und Duschgel. Mein kleines Handtuch warf ich zur Hälfte über die Duschtür und das große legte ich bereit zum Abtrocknen wenn ich fertig war. Leise summend stellte ich das Wasser an. Ich duschte am liebsten kalt und deshalb machte es mir gar nichts aus, dass es kein warmes Wasser gab. Ich brauchte 25 Minuten, dann verließ ich die Dusche und trocknete mich ab. Mit Hilfe meines Reiseföhns und des Glätteisens bändigte ich meine Haare und kam nach insgesamt einer Dreiviertelstunde aus dem Bad. "Wurde auch Zeit." Der abfällige Kommentar konnte nur von einer ganz bestimmten Person kommen, trotzdem drehte ich mich sicherheitshalber um. Vor mir stand Tim. "Entschuldigung. Das Glätteisen wollte nicht warm werden." Ich hatte ihm mit ruhiger Stimme geantwortet, trotzdem verdrehte Tim genervt die Augen. Ich drehte mich um und ging weiter in mein Zimmer. Die gebrauchte Wäsche vom Anfang des Tages kam in meinen ausklappbaren Wäschekorb, den ich extra mitgenommen hatte. Dann nahm ich mir meine Kopfhörer, zog meine Schuhe an und joggte die Treppe runter. Handy und Kopfhörer verbunden, schon erklangen die ersten Töne von Katy Perrys "Unconditionally" in meinen Ohren. Ich lief in den Wald und vergaß die Welt um mich herum. Wie viel man von der Welt wahrnahm, wenn das Handy mal auf lautlos war. Ich verlor jegliches Zeitgefühl und lief einfach querfeldein durch den Wald. Irgendwann schaut euch auf mein Handy und stellte erschrocken fest, dass ich zehn Anrufe in Abwesenheit hatte, denn es war schon 20 Uhr und ich hatte niemandem Bescheid gegeben, wo ich war. Einen Schritt schneller als vorher suchte ich mir meinen Rückweg durch den Wald und stand nach einer Stunde tatsächlich wieder am See. "Katharina!" Meine Mutter klang sehr erleichtert und rannte mir entgegen. "Wieso bist du einfach weggelaufen?", fragte sie erleichtert in meine Haare. "Ich wollte nur ein bisschen Ruhe haben. Und es ist doch noch hell, also warum der Stress?", fragte ich genervt und drückte sie von mir weg. Wieso war ich denn jetzt auf einmal so genervt? Bekam ich meine Tage? Ich musste unbedingt mal nachschauen sobald ich wieder in meinem Zimmer war. Meine Mutter schaute mich etwas verdattert an und ich nutzte den Moment und machte mich auf den Weg ins Haus. Ich lief die Treppe hoch und in mein Zimmer, wo ich mein Handy entsperrte. Ich öffnete meine App, die meine nächste Periode berechnete und musste geschockt feststellen, dass meine Vermutung stimmte. Ich sollte morgen meine Tage bekommen, na toll. Ich seufzte und sperrte mein Handy wieder. Dann ging ich wieder runter und an den See. Mit angezogenen Knien und meinen Kopfhörern auf den Ohren setzte ich mich auf den dunklen Holzsteg. Ich kannte das Lied, das gerade in meinen Ohren erklang nicht, aber es gefiel mir. Es war ruhig, trist und brachte meine jetzigen Gefühle zum Vorschein. Erste Tränen liefen mir über die Wangen und tropften auf das dunkle Holz unter mir. Leise Schluchzer drangen aus meiner Kehle, die ich versuchte zu verschlucken, aber es brachte nichts. Mein gesamter Körper bebte mittlerweile von den Schluchzern und meine Knie waren komplett nass. Ich zuckte zusammen als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte. Ich nahm die Kopfhörer von meinen Ohren und versuchte die Tränen wegzuwischen, was mir allerdings nicht wirklich gelang. Ohne Worte setzte mein Vater sich neben mich und nahm mich in den Arm. In diesem Moment drängten sich die lauten Schluchzer aus meinem Mund und ich weinte ohne Scham die Schulter meines Vaters voll. Er strich mir beruhigend über den Rücken und in diesem Moment brauchte ich nichts anderes. Ich hatte einfach eine ganz besondere Beziehung zu meinem Vater und deshalb würde er mich auch nicht fragen warum ich geweint hatte. Wenn ich mit ihm darüber reden wollte, konnte ich das tun und wenn ich es nicht wollte, dann tat ich es nicht. Papa verstand mich und so wusste er, dass ich in diesem Moment nichts anderes brauchte als starke Arme, die mich hielten. Denn Phillip war weg und seine Arme somit auch.

Wörter: 2433

Die zweite Generation der Wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt