Katharina pov
Ich wachte auf und fühlte mich unglaublich gut. Mit Schwung öffnete ich den Deckel des Sarges und stand auf. Einmal strecken, einmal gähnen und ich erblickte wieder den Sonnenaufgang. Mit einem Lächeln setzte ich mich auf den Boden und lehnte meinen Rücken an mein "Bett". Das Glas war kühl, aber nicht zu kalt. Ich beobachtete so lange den Sonnenaufgang bis hinter mir Schritte ertönten. "Guten Morgen, Jua. Wie war die Nacht?" "Ich hatte mich mittlerweile an den neuen Namen gewöhnt und fand ihn eigentlich ganz schön. "Die Nacht war gut, danke." "Das ist schön. Ich habe Kleidung für dich, also zieh dich an und dann zeige ich dir die Stadt." Er verließ den Raum und ich stand auf. Die Sachen hatte er auf dem Sarg abgelegt und ich griff danach. Alles war schwarz, aber es gefiel mir. In einem Nebenraum der Gruft fand ich Toilette, Dusche und Waschbecken. Über letzterem hing ein Spiegel, umrahmt von Netzen und mit einer großen Ansammlung von Schminkutensilien. Nachdem ich meine Morgenroutine hinter mir hatte und die Sachen ebenfalls angezogen hatte (Outfit oben) griff ich nach dem Lidschatten, der Wimperntusche, dem Lippenstift und einigen anderen Dosen und Tuben. Nach einer Viertelstunde war ich fertig und sehr zufrieden mit mir. Ich hatte es nicht allzu dunkel gemacht und so leuchteten meine Lippen in einem starken Rot und meine Augen hatte ich durch Lidschatten vergrößert. Ich ging zurück in die Gruft, wo ich die Klamotten von gestern und aus der Nacht auf den Sarg legte. Ich schaute ein letztes Mal zum Sonnenaufgang an der Wand, dann verließ ich das Zimmer. Das Tor von gestern Abend ließ sich nicht öffnen und so suchte ich mir einen anderen Weg. Eine schmale Treppe mit verschnörkeltem Geländer führte mich in einen langen Gang, den ich nicht kannte. Ich lief nach links und schaute mich um. An der Wand hingen viele Spinnweben, aber kein Tierchen war zu sehen. Wahrscheinlich waren sie alle für das Essen des gestrigen Abends draufgegangen und beim Gedanken daran, schüttelte es mich - nicht. Merkwürdigerweise machte es mir nichts aus und so widmete ich mich wieder den Wänden, an denen viele Gemälde hingen. Sie zeigten Vampire, das erkannte ich an den hellen Augen und den spitzen Eckzähnen. Unter jedem Bild stand der Name und die waren wirklich speziell. Giza, Nyumbani, Huzuni, Ubaridi, Ugumu und das waren noch nicht die Seltsamsten. "Du interessierst dich für meine Ahnen, sehr löblich." Die unnatürliche Stimme von Xun ließ mich vor Schreck zusammenzucken. Ich spürte seinen Atem an meiner freien Schulter und schaute leicht nach hinten links, wo er stand. "Du wolltest mir die Stadt zeigen", erinnerte ich ihn, um meinen Schock zu überspielen. "Dann komm mit." Er drehte sich abrupt von mir weg und lief los, ich beeilte mich ihm zu folgen. "In diesem Gang hängen alle meine Ahnen, die Großes vollbracht haben und deswegen wichtig für die Geschichte der Vampire sind." Wir bogen in einen anderen Gang und Xun fuhr fort. "Dies ist der einzige Gang, der nur ein Ende hat, also keine Abzweigungen. Er führt in eine der drei großen Hallen." Mit diesen Worten öffnete sich das große, schwere Tor vor uns und gewährte Einblick auf eine Halle, die etwas größer als die vom Abendessen war. Oben an der Decke hingen Seile herab und ich entdeckte Winden an den Seiten. Am besten gefielen mir die zwei großen und beleuchteten Fußballtore, die allerdings zu hoch für normales Spielen waren. Also fragte ich Xun. "Soccer Six 3D, Fußball in drei Dimensionen. Zwei Spieler aus jedem Team werden an den Seilen befestigt und die anderen vier Feldspieler lassen Sie mit Hilfe der Winden "fliegen". Die Torhüter sind immer im Kasten." "Können wir das mal spielen?", fragte ich mit leuchtenden Augen, denn sowas hatte ich noch nie gespielt. "Natürlich. Alles was meine Sonne sich wünscht." Ich lächelte ihn aufrichtig an, als er mich seine Sonne nannte. Irgendwie gefiel es mir, wenn er mich sein nannte. Xun griff nach meiner Hand und zog mich hinter sich her. Plötzlich befanden wir uns einige Meter über dem Boden und mir entfuhr ein Spitzer Schrei. Der Schreck verwandelte sich innerhalb von Sekunden zu Freude. Ich lachte erleichtert und genoss das Gefühl der völligen Freiheit. Irgendwann landeten wir wieder auf dem Boden und ich umarmte Xun. Er schien etwas überrascht, aber als ich mich wieder von ihm löste entdeckte ich ein seliges Lächeln auf seinen perfekten Lippen. Er nahm wieder meine Hand und wir liefen auf der gegenüberliegenden Seite aus der Halle hinaus. Es folgte ein weiterer länger Flur mit unendlich vielen Abzweigungen. Der Vampir neben mir hatte allerdings ein genaues Ziel und wenige Minuten später wusste ich auch welches. Wir standen auf dem Dach des Hauptgebäudes. Über uns erstreckte sich der schwarze Himmel mit tausenden von funkelnden Sternen. Der Mond schien hell auf uns herab und erleuchtete eine Brücke vor uns. Mit verschränkten Händen schlenderten wir los. In der Mitte blieben wir stehen und beobachteten die Stadt. Unter uns ging es hunderte Meter in die Tiefe, vor uns war der große Innenhof, gespickt mit vielen rostigen Rohren. Weiter hinten qualmten die drei schmalen Türme vor sich hin, vor ihnen entdeckte ich weitere Gebäude und alles war mit Brücken in großer Höhe verbunden. Überall strahlten kleine Lichter, ließen die Konturen der Hallen erahnen. "Es sieht wunderschön aus", flüsterte ich, darauf bedacht die Stille nicht zu stören. "Ja." Auch Xun flüsterte und legte seinen Arm um meine Hüfte. Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und schaute direkt in seine hellen Augen. Die Farbe zog mich in ihren Bann, raubte mir den Atem und ließ mich eine Entscheidung treffen. Langsam beugte ich mich vor, Xun tat es mir gleich und dann trafen sich unsere Lippen. In meinem Inneren entflammte ein Feuerwerk und ich grinste in den Kuss hinein. Es war wie ein Blick in die Sonne, das Beobachten eines wunderschönen Sonnenaufgangs über dem Meer. Xuns Hand wanderte zu meinem Nacken, aber dafür fühlte ich mich noch nicht bereit. Ich löste mich vorsichtig von ihm und schaute ihn entschuldigend an. "Noch nicht, bitte." Sein Blick wurde weicher und er strich sanft über meine Wange. "Für dich kann ich warten Jua." Er hauchte mir einen kühlen Kuss auf die Wange, der ein angenehmes Kribbeln hinterließ. Wir verschränkten unsere Finger miteinander und beobachteten weiter die funkelnden Lichter am Himmel. Irgendwann wurde es heller und ich sah am Horizont die Sonne aufgehen. Sofort versteifte sich Xun und zog mich mit sich in die Fabrik. Ein letzter Blick über die Schulter verriet mir, dass jetzt über dem tiefsten Gebäude die Sonne aufging.
Wörter: 1153
Ihr wundert Euch wahrscheinlich, warum heute noch ein Kapitel kommt. Das ist mein Dankeschön für 105K Reads bei meiner anderen DWK-Story Die Wilden Kerle und die Stille! Ich bin mega glücklich darüber und dachte mir, dafür gibt es hier ein Doppel-Update. Das nächste Kapitel kommt dann ganz normal nächsten Freitag. Bis dahin noch ein wunderschönes und sonniges Wochenende.
Stay wild!
~Caroline
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Die zweite Generation der Wilden Kerle
Fanfiction6 Wochen. 6 Wochen Sommerferien, die die ehemaligen Wilden Kerle gemeinsam mit ihren Familien in einem wunderschönen Haus am See verbringen wollen. Alles war perfekt geplant und strukturiert, aber leider läuft das Leben nie nach Plan. Was tun, wenn...