24- Wilde Kerle verlieren nicht

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Katharina pov

Hier stand ich nun. In einem schwarzen Kleid (oben), das Xun mir in die Hand gedrückt hatte mit dem Befehl es anzuziehen. Es ging nur bis zu den Knien und hatte einen weiten Rock. Wenn ich mich schnell drehte flog der Rock um mich herum, aber mir war im Moment nicht nach drehen zumute. Höchstens vielleicht nach Durchdrehen. Mein Puls raste vor Aufregung und mit einem Blick auf meine Hände bemerkte ich, dass ich zitterte. Sofort verschränkte ich meine Finger miteinander und versuchte damit das Zittern zu stoppen. Ich atmete tief durch und schnipste, sodass alle Kerzen erloschen. Dann verließ ich mit großen Schritten und aufrechtem Gang meine Gruft. Den Weg zur Halle kannte ich mittlerweile im Schlaf und viel zu schnell stand ich vor dem eisernen Tor, das sich automatisch für mich öffnete. Außer mir waren schon alle da und ich setzte mich wie immer neben Xun. Das Essen war heute sehr ruhig, denn alle Wilden Kerle waren unglaublich aufgeregt. Die Wilden Kerle. Das klang so neu und doch fühlte es sich unheimlich gut an. "Warum ist es so still?", fragte Xun in die Runde und schenkte vor allem den Menschen unter uns einen prüfenden Blick. Ich räusperte mich. Jetzt kam mein Einsatz. "Die neuen Wilden Kerle fordern die neuen Schattensucher heraus. Tim, Stella, Lukas, Jan, Marie, Sophie und ich gegen euch." Ein wütendes und zugleich belustigtes Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht meines Freundes. "Und worum spielen wir?", fragte er und ich wollte gerade antworten, als ich von Tim unterbrochen wurde. "Um das Leben. Wenn wir gewinnen, dann lasst ihr uns und unsere Eltern frei. Zu uns gehören auch Katharina und Jan, nur damit du nicht auf falsche Gedanken kommst und auch wenn Joschka kein Kind in unserer Gruppe hat, gehört er zu uns." "Und wenn wir gewinnen?", fragte Qari und schaute Stella herausfordernd an. Diese antwortete ihm sofort. "Dann bleiben wir hier und ihr dürft uns beißen." "Aber wir werden gewinnen!", warf ich ein und hatte sofort alle Blicke auf mir. "Denn Wilde Kerle verlieren nicht." "Na gut. In exakt 25 Stunden werden wir im Höllentor aufeinander treffen. Dort klären wir alles weitere." Nach diesen Worten standen alle Schattensucher wie auf ein gemeinsames Signal auf und verschwanden. Ich ließ mich erschöpft in meinen Stuhl fallen. "Das wird das schwerste Spiel unseres kurzen bisherigen Lebens", sagte Marie und ich nickte. "Wir werden kämpfen. Und dann werden wir gewinnen." Ich nickte erneut auf Stellas Worte hin und stand auf. Die anderen machten es mir nach und wir stellten uns wieder in einen Kreis. "Alles ist gut", begann ich, "Solange du wild bist!", fügte Tim hinzu und lächelte mich an. "Sei wild!", rief Lukas und Stella antwortete: "Gefährlich und wild!" Jan sagte: Eins!", Marie sagte: "Zwei!", Sophie sagte: "Drei!" und dann brüllten wir alle zusammen so laut wir nur konnten: "Rrrraaaaaahhhhhh!". In den sechs Gesichtern um mich herum konnte ich nichts mehr außer Entschlossenheit sehen und mit einem siegessicheren Grinsen zog ich meine Hand wieder zu mir. Auch die anderen taten das und wir verabschiedeten uns voneinander. Dann kam mir eine Idee. So leise wie möglich und mich immer wieder umschauend tapste ich durch die dunklen Gänge der Fabrikstadt. Es dauerte eine ganze Weile bis ich mein Ziel erreicht hatte. Vorsichtig öffnete ich die Holztür und schlich in den Raum dahinter. Leises Schnarchen war zu hören und Jacayl, die heute anscheinend die Wache übernehmen musste, summte ein Lied vor sich hin. Ich wartete eine Weile und hörte dann, wie sie aufstand und über eine weitere Tür hinausging. Das war mein Zeichen. So schnell wie möglich suchte ich in der Dunkelheit nach Leon und hatte ihn auch bald gefunden. Der Kerl schnarchte echt wie ein Holzfäller! Ich suchte alle seine Taschen ab und fand dann endlich das, wonach ich suchte. Ich hörte Schritte, die zweite Wache wahrscheinlich. Eilig tappte ich zwischen den schlafenden Körpern hindurch und verließ den Raum, bevor ich entdeckt werden konnte. Sobald ich wieder im Gang war, rannte ich weiter und erst einige Ecken später wagte ich es, auszuatmen. Erleichtert öffnete ich meine Faust und schaute auf meine Beute. Ich zählte kurz nach und stellte fest, dass es genau sieben waren. Perfekt. Weiterhin aufmerksam trat ich den Rückweg zu meiner Gruft an und sobald ich dort ankam zog ich mich um und legte mich müde in meinen Sarg. Meine Pupillen wurden langsam zu Schlitzen und dann schlief ich auch schon ein.

Ein leises Klopfen riss mich aus dem Schlaf. Meine Pupillen weiteten sich und ich erkannte Sophie, die vorsichtig gegen meinen Sarg klopfte. Ich öffnete den Deckel und streckte mich einmal, bevor ich das jüngste Mitglied der Mannschaft musterte. "Was ist los?", erkundigte ich mich. "Du sollst zu unserem Raum kommen. Wir versuchen uns eine Taktik zu überlegen." "Okay, geh schonmal vor. Ich komme in zwei Minuten nach." Sophie nickte und ging. Ich stand auf und machte im Bad erstmal meine Morgenroutine, bevor ich mich mit einem Schnipsen anzog und zu den Kerlen flitzte. Ich klopfte die kleine Melodie und wurde sofort in den Raum gelassen. "Uns ist gerade aufgefallen, dass die Schattensucher ja flitzen können!", begrüßte mich Stella leicht panisch, doch ich behielt die Ruhe und setzte mich in den Kreis. "Jan und ich können auch flitzen", erinnerte ich die Brünette. "Aber du bist ja im Tor und wenn der Torwart flitzen dürfte, wäre es ja praktisch unmöglich ein Tor zu schießen", entgegnete Lukas. "Dann muss eben ein Flitzverbot für den Torwart gelten. Bis zu einer bestimmten Entfernung vom Tor darf nicht geflitzt werden. Und Jan schafft das in der Mitte schon." "Eine Taktik bringt nicht viel. Wir müssen uns einfach auf unseren Instinkt verlassen und aufeinander achten." Ich nickte nach Jans Worten. "Bald ist es soweit", murmelte Marie und ich schaute sie verwirrt an. "Wie lange ist es denn bis zum Spiel noch?", fragte ich verwundert nach. "Es ist Mitternacht. Kurz bevor die Sonne aufgeht sollen wir in die Halle kommen. Höllentor hat Shakin gesagt. Das klingt nicht gut." "Ach Quatsch, da drin haben unsere Eltern auch schon gewonnen", winkte ich ab. "Wir haben immer noch ein Problem", bemerkte Lukas, "Wenn wir gewinnen müssen wir unsere Eltern, Jan und Katharina erlösen. Aber wir wissen nicht wie das geht!" "Alles zu seiner Zeit, Bruderherz. Wir schaffen das." "Wie kannst du nur so zuversichtlich sein?", fragte Sophie verwirrt und ich grinste sie an. "Ich habe einen Glücksbringer. Für jeden von uns." Mit diesen Worten zauberte ich meine Beute von letzter Nacht hervor. Es waren sieben Halsketten, bestehend aus einem Lederband und einem Anhänger mit dem Zeichen der Wilden Kerle darauf. Zum Glück hatte ich die Dinger gesehen und konnte sie gestern Abend aus Leons Tasche holen. Jeder bekam eine Kette und zog sie sich um den Hals. "Wir sind die neuen Wilden Kerle. Und wir werden gewinnen!"

Wörter: 1133

Die zweite Generation der Wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt