23- Die neuen Wilden Kerle

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Katharina pov

"Du hast mich gestern ganz schön ausgenutzt." "Ich?" Gespielt verwirrt schaute ich Xun an. "Ja, du. Du hast mich verführt und mir damit die Antworten entlockt." "Tja, du hast mich auch verführt und mich dann zum Vampir gemacht." "Schattensucher!" "Ja, sorry, Schattensucher. Was willst du jetzt machen?" "Du kannst sowieso nichts am Plan meines Vaters ändern, also mache ich gar nichts außer dich zu küssen." Er kam auf mich zu, legte seine Arme an meine Seiten und küsste mich. Ich erwiderte, aber irgendwie fühlte es sich heute anders an als sonst. Das Bauchkribbeln war verschwunden und es war als ob ich nichts mehr fühlen könnte. Irritiert löste ich mich von meinem Freund. "Ich fühle nichts mehr. Was ist das?" "Die Ewigkeit. Hast du bei Marry nicht aufgepasst?" "Aber das war doch bis jetzt noch nicht so!" "Es setzt erst langsam ein. Jetzt bist du ein richtiger Schattensucher, der nichts mehr fühlt und schmeckt und riecht und sich nach der Sonne sehnt." "Nach der Sonne habe ich mich auch vorher schon gesehnt! Lass mich los!" "Ich schubste ihn von mir weg, aber ich spürte keine Wut, was ich unter normalen Umständen jetzt wohl getan hätte. Verwirrt drehte ich mich um und flitzte zum Geheimraum. Die Klopf-Melodie konnte ich mittlerweile im Schlaf und sofort wurde ich reingelassen. "Was ist los?" Ich schüttelte den Kopf und schaute dann meinen Bruder an. "Ich fühle nichts mehr." "Was?!" "Ich fühle nichts mehr. Keine Liebe für Xun, keine Wut, weil ich es erst jetzt erfahre, keine Schmerzen, weil Marry mich gestern wieder überfordert hat, gar nichts!" "Hey, ganz ruhig. Wir kriegen das wieder hin." Ich entdeckte Tim aus dem Nebenraum kommen und er reagierte sofort. Mit schnellen Schritten war er bei mir und umarmte mich. Langsam beruhigte sich meine Atmung wieder und ich löste mich vorsichtig von ihm. "Deshalb ist Jan in letzter Zeit so komisch. Er fühlt auch nichts mehr." Jetzt ergab für mich alles Sinn. Wie vom Stachelschwein gestochen sprang ich auf und flitzte durchs Zwielicht. Ich kannte mein Ziel nicht, konzentrierte mich nur ganz fest auf Jan. Das wohlbekannte, warme Kribbeln empfing mich, die Welt rauschte an mir vorbei und dann stand ich in der Ecke der kleinsten Halle. Ich keuchte vor Anstrengung und hielt mir kurz den pochenden Kopf, dann schaute ich den Lockenkopf an, den ich in den letzten Wochen verachtet und ignoriert hatte. Na ja, eigentlich war er es gewesen, der mich ignoriert hatte, aber ich hatte mich ihm irgendwann angeschlossen. "Jan, kannst du noch fühlen?" "Fühlen?" "Okay, ich habs verstanden. Liebst du Jacayl?" "Ich kann nicht lieben, also liebe ich auch nicht Jacayl." "Das ist gut, das ist sehr gut. Willst du noch hier sein oder willst du lieber wieder ein Mensch sein?" "Es ist die Sehnsucht nicht wert, das Leben zu verlieren." "Okay, hör bitte auf so poetisch zu reden, das macht mich kirre. Komm mit!" Ohne auf seine Antwort zu warten nahm ich seine Hand und zog ihn hinter mir her. Ich kannte die Fabrikstadt mittlerweile wie meine Westentasche und fand den Weg zu den anderen sofort. Völlig außer Atem klopfte ich die Melodie und wurde auch sogleich hineingelassen. Jan stolperte hinter mir her und landete erstmal mit der Nase voran auf dem Boden, denn er hatte die Stufe hinter der Tür nicht sehen können und dementsprechend übertreten. Ich musste kurz grinsen, dann half ich ihm hoch und wir setzten uns alle um die Gruppe Kerzen, die in der Mitte des Raumes stand. Die nächsten Stunden verbrachten wir damit, Jan die aktuelle Lage zu erklären. Er schien nicht sehr viel mitbekommen zu haben, was wahrscheinlich an Jacayls Bann lag. Nach einer ganzen Weile hatte der Lockenkopf dann endlich alles verstanden und wir versuchten erneut eine Lösung zu finden. "Ihr könnt doch auch alle Fußball spielen, oder?", erkundigte sich Jan irgendwann. Wir nickten alle und in diesem Moment begriff ich, was er plante. "Du meinst wir fordern sie heraus und wenn wir gewinnen dürfen wir und unsere Eltern gehen?", fragte ich nach und er nickte. "Da gibt es aber einen Haken. Wir wissen immer noch nicht wie man einen Vampir erlöst und wir können euch und unsere Eltern ja nicht hier lassen." "Da hast du auch wieder Recht", stimmte ich Lukas zu. "Und wenn wir einfach sagen, dass unsere Eltern zuschauen dürfen und einer schleicht sich dann heimlich an sie ran und fragt wie das geht?", schlug Marie vor. "Das wird schwierig. Wir brauchen nämlich jeden von uns auf dem Feld und bei den Schattensuchern können Darkside und Marry auf unsere Eltern aufpassen", entgegnete Tim. "Dann müssen wir sie eben laut fragen, einfach über den Platz schreien", erwiderte Sophie und grinste leicht. "Eigentlich ist die Idee gar nicht so schlecht. So schnell können Sie unseren Eltern nicht den Mund zuhalten." "Also haben wir jetzt einen Plan. Wann erfolgt die Umsetzung?" Ich atmete tief durch und dachte kurz nach. "Morgen", antwortete ich dann. "Wieso schon morgen?" "Wir können hier nicht üben also bringt es nichts zu warten. Und bevor die Schattensucher uns hier noch erwischen und den Plan vereiteln, bringen wir es lieber gleich hinter uns." Alle nickten und ich stand auf. "Nach dem Abendessen werden wir es ihnen sagen." "Schattensucher gegen die Kinder der ehemaligen Wilden Kerle. Na das kann was werden." Ich schaute leicht grinsend zu Stella. "Das mit den Kindern ist zu lang. Wir sind ab jetzt einfach die neuen Wilden Kerle." "Die neuen Wilden Kerle. Fühlt sich irgendwie genauso an wie vorher", bemerkte Sophie und wir mussten alle lachen. "Dann darfst du heute mal den Abschied bestimmen. Lange oder kurze Version?" "Lange. Die haben wir noch nie gemacht." Die anderen standen ebenfalls auf und wir stellten uns alle in einen Kreis. "Wir werden das Spiel gewinnen!", begann ich, streckte meine Hand in die Mitte des Kreises aus und Lukas legte seine Hand auf meine und fuhr fort: "Dafür leg ich meine beiden Beine ins Feuer!" "Meine Beine", sagten Stella und Jan, "meine Seele", machten Marie und Sophie weiter, "und mein ganzes Herz", kam es schließlich von Tim. Unsere Hände lagen jetzt alle aufeinander und auch, wenn dieser Spruch eigentlich total kindisch war, so gab er uns allen neuen Mut. Wir würden es schaffen. Für unsere Familien. Für alles, was uns wichtig war und was uns etwas bedeutete.

Wörter: 1047

Die zweite Generation der Wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt