12- Die Ewigkeit, Jua

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Katharina pov

"Wir sind da." Mit gemischten Gefühlen sah ich nach vorne und entdeckte eine unheimliche Fabriksiedlung, die sich majestätisch vor uns erhob. Fabi fuhr einfach weiter und mir wurde immer mulmiger zumute. "Fabi, was ist das?" Ich wollte nicht ängstlich klingen, aber meine Stimme zitterte trotzdem. "Das wirst du noch früh genug sehen. Und jetzt halt die Klappe!" Ich wollte etwas erwidern, aber ein lautes Quietschen ließ mich verstummen. Vor uns öffnete sich ein großes, metallenes Tor und gewährte uns Sicht auf einen Innenhof. Überall waren Rohre und Platten, die aber alle verrostet waren. Fabi fuhr weiter während ich mich neugierig, aber auch angespannt umsah. Plötzlich blieben wir stehen und ich schaute verwirrt zu Fabi. Dieser war gerade dabei abzusteigen und ich tat es ihm nach. An die Fesseln an meinen Händen knotete der Anführer der Biestigen Biester jetzt ein weiteres Seil und zog mich wie einen Sklaven hinter sich her. Einige Male stolperte ich, denn er hatte ein ganz schönes Tempo drauf. Ich hatte mich gerade an die Geschwindigkeit gewöhnt, als ich gegen meinen Vordermann knallte. "Fabi, warum bleibst du stehen?" "Wir warten." "Und worauf?" "Das wirst du noch früh genug sehen." Ich seufzte auf und wollte mich gerade auf den Boden setzen, als das Tor vor uns aufging und ich Einblick in eine große Halle bekam. Und in ihrer Mitte erblickte ich etwas wunderbares. Niemals hätte ich gedacht, das sich mich so über die Anwesenheit meines Bruders freuen würde. "Lukas!", rief ich erleichtert und rannte in seine Richtung. Fabi wurde davon so überrumppelt, dass er das Seil nicht weiter festhalten konnte. Ich stolperte meinem Bruder entgegen und er breitete seine Arme aus, in die ich mich schluchzend fallen ließ. "Hey, alles ist gut. Ich bin ja da." Beruhigend strich er mir über den Rücken, aber ich weinte immer weiter, konnte gar nicht aufhören, so sehr hatte ich ihn vermisst und so sehr freute ich mich, ihn zu sehen. Nach einer Weile wurde ich ruhiger und hielt Lukas meine Hände hin. Sofort versuchte er die Fesseln zu lösen, wurde aber unterbrochen. "Halt!" Die Stimme hatte einen unnatürlichen Klang und faszinierte mich. Ich drehte mich um und entdeckte einen Jungen. Seine dunklen Haare lagen perfekt, seine hellen Augen blitzten auf als sich unsere Blicke trafen und er kam direkt auf mich zu. Knapp vor mir blieb er stehen und betrachtete mich mit schiefgelegtem Kopf. "So unschuldig. So lebendig. Und trotzdem so sterblich." Seine Worte verwirrten mich, aber noch immer konnte ich mich nicht von seinen Augen abwenden. "Hallo kleine Sonne. Willkommen zu Hause." Mit diesen Worten riss er mich aus meiner verzauberten Starre. "Zuhause? Was soll das heißen?" "Du weißt doch was ein Zuhause ist und dieses hier wird für die nächsten hundert Jahre deines sein." "Nein!" "Doch!" Er kam meinem Gesicht gefährlich nah und fauchte mich leise an. Ich wich sofort zurück und bemerkte erst in diesem Moment, dass Lukas nicht mehr hinter mir stand. Ich wagte einen kurzen Blick und musste feststellen, dass seine volle Aufmerksamkeit einem Mächen galt, dass ihn mit seinen Blicken zu verführen schien. Der Junge vor mir drehte meinen Kopf wieder in seine Richtung. Ich roch das edle Parfüm, der Geruch betörte meine Sinne, vernebelte meinen Verstand. "Komm, Jua!" "Jua?" "Das heißt Sonne und du bist meine Sonne." "Ich bin vieles, aber ganz bestimmt nicht deine Sonne!" "Doch und jetzt komm!" Plötzlich war er überhaupt nicht mehr nett, nein, er zog am Seil meiner Fesseln und zerrte mich hinter sich her. "Lukas! Hilf mir!", schrie ich panisch, aber mein Bruder wurde festgehalten von einem anderen Jungen und so musste ich diesem komischen Typen vor mir folgen. "Was willst du von mir?" "Deine Liebe, kleine Sonne. Deine unbändige Liebe." "Ganz bestimmt nicht, mein Herz gehört nur einem!" "Ach ja? Dann interessiert dich vielleicht ein kleiner Blick in diesen Raum." Er öffnete eine Tür und was ich dort sah, schockte mich zutiefst. Da stand Jan, mein Jan, und küsste ein anderes Mädchen. "Jan", entfuhr es mir enttäuscht und die beiden lösten sich voneinander. Ungewöhnlich helle Augen blitzten mir aus Jans sonnengebräuntem Gesicht entgegen. "Wer bist du?", fragte er und ich hielt es im ersten Moment für einen schlechten Scherz, aber dann begriff ich, dass er wirklich keine Ahnung hatte. "Ich bin Katharina. Deine Freundin. Wir...wir lieben uns." "Nein, ich liebe Jacayl!" Mein Herz zersprang in tausend Teile und ich konnte nur noch verschwommen erkennen, dass der fremde Junge mich aus Jans Zimmer führte. Ich hatte gedacht er würde mich lieben! Ich hatte ihm jedes seiner lieben Worte geglaubt! Und jetzt warf er das alles hin, wie konnte das sein? Der Junge, dessen Namen ich immer noch nicht kannte, führte mich weiter in ein anderes Zimmer. Es war eine Art Gruft, überall standen Kerzen, der Boden war sandig und ich fühlte mich wie am Strand (Stellt es euch in etwa so vor wie Maxis Quartier in DWK 5). Auf die Wand des Raums wurde ein wunderschönes Bild projiziert. Über dem Meer ging die Sonne auf. Ich konnte meinen Blick nicht losreißen von diesem magischen Anblick und auch dem Jungen hinter mir schien es kurzzeitig den Atem zu rauben. Eine tiefe Sehnsucht nach dem echten Sonnenaufgang stieg in mir auf. Ich war noch nicht lang in dieser Fabrik, aber ich vermisste das natürliche und wärmende Licht jetzt schon. "Ich wusste, dass es dir gefällt." Die unnatürliche Stimme holte mich aus meinen Gedanken zurück und ich drehte mich um. "Du hast mir noch nicht gesagt, wie du heißt." Ein schelmisches Grinsen schlich sich auf seine Lippen und ich verliebte mich sofort hinein. "Ich heiße Xun." "Was willst du von mir?" "Habe ich das eben gerade nicht schon gesagt?" "Was ist mit den anderen?" "Sie sind aus demselben Grund hier wie du. Aber sie werden von anderen gebraucht." "Was bringt dir meine Liebe?" "Die Ewigkeit, Jua." In diesem Moment achtete ich zum ersten Mal darauf, wie der Name aus seinem Mund klang. "Wieso nennst du mich so?" "In deinem alten Leben warst du Katharina, aber jetzt beginnt deine neue Zeit. Und in der bist du meine Jua." Ich schaute kurz auf den sandigen Boden, dann wieder hoch in seine Augen. "Wie soll ich mich in dich verlieben?" "Du bist schon dabei. Bald wirst mich genauso lieben, wie ich dich liebe." Ich wollte etwas erwidern, aber Xun unterbrach mich liebevoll. "Du solltest dich jetzt ausruhen, Jua. Ich werde zurückkommen und dich holen. Alles andere zu seiner Zeit." Er hauchte mir einen Kuss auf die Wange und sobald er sich abgewandt hatte fuhr meine Hand zu der kribbelnden Stelle. Sie fühlte sich anders an, aber gut anders. Selig lächelnd setzte ich mich auf den Boden und lehnte meinen Rücken an den Sarg aus Glas. Xun hatte Recht. Ich war dabei mich in ihn zu verlieben. Und ich hatte nichts dagegen.


Wörter: 1180

So, ein neues Kapitel und auch endlich mal wieder mehr Wörter. Ich hoffe es hat euch gut gefallen und ihr votet und kommentiert fleißig. Ich habe versucht viele Gefühle in das Kapitel einzubauen und ich hoffe, dass mir das gelungen ist. Bis zum nächsten Kapitel.

Stay wild!

~Caroline

Die zweite Generation der Wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt