Kapitel 10

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Immer wenn Daphne aufstand, vermisste sie die Sonne, welche sie lachend am Himmel begrüßte. Seit sie hier auf dem Internat war, war alles anders. Im Gegensatz zu früher, hatte sie nun viel mehr Freunde, der Unterricht machte ihr Spaß und dennoch vermisste sie die alten Zeiten, wenn ihre Mutter sie zum Frühstück nach unten rief, wenn sie mit dem Bus zur Schule fahren musste und dort dann einfach mit ihren Kopfhörern in den Ohren Musik hören konnte. Ebenso vermisste sie ihre Eltern. Was sie wohl gerade machten?
In dem Moment fiel der Nymphe auch schon wieder ein, dass sie den Brief in den Briefkasten oder was das war werfen musste.
Sie hatte es total vergessen am Morgen und nun war auch schon wieder Nachmittag. Sie hatte sich mit Raphael verabredet; sie wollten gemeinsam Hausaufgaben machen, die sie bisher aufhatten. Ja das mit den Hausaufgaben ging auch relativ flott hier, musste Daphne zugeben.
Sie schaute auf die viereckige, graue Uhr, welche über ihrer Zimmertüre an der Wand hang. Sie hatte noch genügend Zeit um den Brief abzugeben, also wühlte sie in ihrem Nachttisch herum, bis sie das Papier gefunden hatte, schnappte sich noch ihre Tasche mit den Materialien darin und sprang in das Meerwasserbecken. Als sie nun unter Wasser war und wieder die türkisenen Stofffetzen ihre nackte Haut bedeckten, schwamm ihr Fisch Nemo auf sie zu. Er begleitete sie auf den Weg hoch und schwamm einmal um ihre Beine herum, ehe Daphne aus dem Wasser auftauchte und aus dem Becken kletterte. Sie lief nun halb nackt durch den Gang im Erdgeschoss und suchte den Schlitz.
„Suchst du was?", fragte plötzlich jemand hinter ihr. Vor ihr stand der Junge, welcher sie am ersten Tag zur Direktorin gebracht hatte. Er musterte die Nymphe ein paar Sekunden lang und blickte ihr dann in die Augen. Daphne nervte es langsam, dass man immer so blöd glotzen musste, aber was sollte sie machen... sie konnte es ihm schlecht verbieten.
„Ich muss einen Brief abgeben", sagte sie und schon hatte sie ihre Tasche um sich und sie holte den Brief heraus. Dennoch war sie immer noch verwandelt.
„Komm mit", antwortete er und lief auch schon voraus. In dem Moment fühlte sie sich wieder wie ganz am Anfang. Damals musste er ihr auch den Weg zeigen und nun schon wieder. Sie hatte ihn bisher nur einmal in der Essenshalle gesehen und dort saß er mit einem kleineren Mädchen, Daphne war sich nicht mehr sicher aber sie meinte gesehen zu haben, dass die beiden Händchen gehalten hatten. Vielleicht war das Mädchen also seine Freundin.
Sie folgte ihm nun also und vor der Essenshalle blieb er auch schon stehen und deutet auf einen Schlitz neben der riesigen Tür. „Da rein."
„Danke", lächelte Daphne und warf den Brief in den Schlitz. „Wie lange dauert es, bis er dort ankommt?"
„Sie werden am Freitag abgesendet und sollten dann am Sonntag spätestens da sein", antwortete er und strich sich durch seine Haare. Noch immer wirkte er ein wenig kühl... jedoch war er hilfsbereit und war wahrscheinlich nicht einmal so kühl, wie er wirkte. Aussehen konnte sehr täuschen, hatte Daphne in ihren Jahren gelernt.
„Okay, dann danke noch einmal. Ach und ehm... also kannst du mir sagen wo ich die Bibliothek finde?", fragte sie und schon wieder kam sie sich dabei so hilflos vor. Selbst Raphael wusste wo die Bibliothek war, deswegen hatte er es ja auch vorgeschlagen sich dort zu treffen und Daphne war bisher noch nicht dazu gekommen sie zu suchen, da Rebekah sie meistens aufgehalten hatte in der ganzen Zeit.
„Die ist im vierten Stock ganz rechts. Du wirst sie nicht übersehen. Es ist ein großes Tor, du musst aber wenn du die Wassergänge nutzt vorher im Gang schon raus, darin gibt es keine Becken", erklärte er ihr und sie bedankte sich noch einmal und dann war er auch schon wieder verschwunden.
Ja es war schon sinnvoll, dass man in einer Bibliothek keine Wasserbecken hatte, schließlich sollten die Bücher nicht nass werden. Aber nun musste sie wirklich in den vierten Stock tauchen. Das würde anstrengend werden, dachte sie sich und lief auf das Wasserbecken zu. Sie sah einen Jungen, wie er sich quälend mit einer Schwanzflosse aus dem Wasser zog. Zu mindest versuchte er es.
Sie lief auf ihn zu und lächelte den Jungen an.
„Soll ich dir helfen?", fragte sie. Eigentlich hätte ihr es egal sein sollen, schließlich musste er es selbst lernen, aber gerade hatte sie irgendwie das Bedürfnis dem Jungen zu helfen. Er war in ihrem Jahrgang, aber sie wusste seinen Namen nicht.
Die Haare des Jungen waren ebenso weißblond wie die von Daphne. Seine Augen waren so schwarz wie ihre Handtasche, welche noch immer bei ihr zu Hause stand und seine Haut war ebenso gebräunt, wie die von Daphne. Er sah eigentlich ganz scharf aus, dachte sie sich und grinste bei dem Gedanken. Aber eigentlich stand sie überhaupt nicht auf blond. Und erst recht nicht weißblond. Seine Schultern waren breit und seine Arme und sein Oberkörper sehr muskulös.
„Das kommt doch sicherlich mickrig rüber", lachte der Junge.
„Gibt Schlimmeres", grinste nun auch Daphne und sie steckte ihm ihre Hand entgegen. Einen Moment lang überlegte er, ergriff sie dann jedoch und Daphne zog mit aller Kraft nach oben. Er schwamm aus dem Wasser und als er auf dem Boden aufkam, legte er sich einfach auf ihn und grinste die Nymphe an.
„Danke", sprach er. Sie musterte seinen Fischschwanz und stellte fest, dass er nicht die Farbe hatte wie der von Patrick und Rebekah, sondern dass er Türkis war mit mehr Blaustich darin. „Schickes Outfit übrigens. Was bist du für ein Wesen?", fragte er sie und musterte sie.
„Nereide", antwortete sie nur und lächelte ihn an. Auch ihm gab sie nicht die wahre Antwort, da sie ihn weder kannte noch wollte, dass es jemand weitererzählte.
„Wie heißt du überhaupt?", fragte er sie und dann hatte er sich auch schon wieder in die menschliche Gestalt verwandelt.
„Daphne", antwortete sie auf seine Frage und las was auf seinem T-Shirt stand. Chillender Kater. Auf dem Shirt lag eine fette Katze auf ihrem Rücken mit einer schwarzen Sonnbrille. Sie grinste leicht und blickte nun hoch zu ihm. Er war gute 15 cm größer wie sie. „Ehm und du?"
„Tristan", stellte er sich ebenfalls vor und grinste noch immer. „Du willst dich nicht zurückverwandeln anscheinend."
Daphne blickte an sich hinunter und noch immer war sie in ihrer Nereiden Form. Langsam nervte es sie, dass sie es nicht bestimmen konnte, wie sie sich zurückverwandelte.
„Ich habe das noch nicht ganz im Griff", seufzte sie. Genau in dem Moment fiel ihr auf, dass sie in die Bibliothek musste. „Du ... ich muss los, also wir sehen uns ja dann sicherlich noch einmal."
Und damit sprang sie auch schon mit einem Köpfer in eines der zwei Becken. In welches sie sprang war ihr in dem Moment egal, als sie jedoch merkte, dass sie im Süßwasser war und nun ihr weißes Outfit trug, hätte sie sich dafür schlagen können. Aber vielleicht war es Tristan auch nicht aufgefallen... hoffte sie zu mindest.
Sie schwamm nun also den Gang entlang und als es nach oben ging, seufzte sie innerlich. Das hochtauchen war glücklicherweise jedoch einfacher als das hinuntertauchen.
Nachdem sie zwischendurch im zweiten Stock kurz Luft holen musste, tauchte sie nun weiter in den vierten Stock. Dort stieg sie wieder aus dem Becken. Vor ihr stand eine Gruppe voller Jungs. Darunter war Jayden. So kam Daphne also auch auf die Idee, dass es sich in dieser Gruppe um eine Gruppe voller Vampiren handeln musste. Einen kurzen Moment lang dachte die Nymphe, dass sich Raphael unter ihnen befand, beim genaueren Hinblicken jedoch, sah sie, dass es sich um einen anderen Vampiren handeln musste. Er hatte zwar die gleiche Figur und die gleichen Haare wie er, dennoch war sein Gesicht ganz anders und er wirkte... gefährlich. Durch seine Haltung wirkte der Junge sehr selbstsicher. Als er zu Daphne blickte lief ihr ein unangenehmer Schauer über den Rücken. Ihr wurde so kalt, dass sie meinte, dass es Winter wäre und sie draußen im Schnee nur in Bikini rumlaufen würde. Schnell drehte sie sich von der Menge weg und lief in Richtung der Bibliothek. Und tatsächlich hatte er Recht gehabt. Es war wirklich nicht zu übersehen. Das Tor war so hoch wie die Decke, altmodisch mit vielen Mustern verziert und aus dunkelbraunem Holz. Es sah wirklich toll aus. In der Mitte war ein schön verziertes B, welches wahrscheinlich auch für Bibliothek stand.
Gerade als sie den ebenso braunen Türgriff nach unten drücken wollte, öffnete sich das Tor von alleine und sie stand nun vor einem gewaltigen Raum. Der Boden war mit einem gigantischen Teppich übersehen. Er war einfach grau gehalten, jedoch waren die riesigen Bücherregale alle in einem hellen Braunton, welches dem Raum nun wieder ein wenig Farbe verschaffte. Ganz hinten konnte die Nymphe eine Couch erkennen und einige Tische und Stühle davor.
„Ah ah ah! Nein nein nein. Raus mit ihnen! Sie werden doch wohl nicht so diese Bibliothek betreten wollen!", schrie eine hysterische Frau, welche auf sie zugerannt kam und sie auch schon hinter das Tor drückte. „Erst wenn sie sich verwandelt haben!"
Die Frau war alt und schrill. Ekelhaft, dachte sich Daphne. Ihre Haare waren grau, ihr Gesicht faltig und ihre kleine runde Brille saß kaum noch auf der Nase. Diese war dazu auch noch mächtig schief. Im Großen und Ganzen stellte man sich so eine alte Hexe vor.
Nachdem Daphne ein paar Schritte nach hinten gelaufen war, wartete sie darauf sich endlich zurück zu verwandeln.
Das jedoch dauerte eine Weile und erst nach 10 Minuten hatte sie wieder ihre Schuluniform an und sie konnte die Bibliothek betreten.

Daphne lief den Gang entlang in Richtung der Tische. Dort saß er nun auch schon und blickte ein wenig sauer auf die Nymphe.
„Es tut mir leid, Raph", seufzte Daphne und sie legte ihre Tasche auf den Tisch. Der junge Vampir hatte seine Bücher und einige Blätter dort auch schon darauf verteilt. Er brummte nur, als sie sich entschuldigte.
„Ich hab noch kurz einen Brief abgeben, dann einem Jungen aus dem Wasser geholfen und dann hat mich die alte Schreckschraube nicht reingelassen, weil ich mich weshalb auch immer mal wieder nicht zurückverwandeln konnte", erklärte sie ihm.
„Ist nun auch egal", sprach er. „Lass uns anfangen."


Nachdem die beiden zwei Stunden an Hausaufgaben saßen, da sie sie bis jetzt aufgeschoben hatten, klappten sie nach der Zeit die ganzen Bücher zu und lehnten sich mit Kopfschmerzen nach hinten. Zu mindest hatte Daphne Kopfschmerzen.
„Können Vampire so etwas wie Kopfschmerzen bekommen?", fragte sie in diesem Moment. Schließlich empfinden Vampire keinen Schmerz...
„Ich hatte seit meiner Verwandlung noch keine, ich denke nicht. Aber man verspürt schon Stress und diese Erleichterung, wenn alles fertig ist oder Anstrengung", erklärte Raph. Er blickte auf die große Uhr, welche neben dem Tor stand und seufzte: „Wir sollten gehen, außer du willst das Abendessen ganz verpassen."
Er stand auf und packte eines der Bücher in seine Tasche. Die anderen hatte er sich wahrscheinlich aus den Regalen hier geschnappt.
„Lass nur, ich räume hier auf", antwortete Daphne und lächelte. Sie konnte sich vorstellen, dass er schlecht drauf sein würde, wenn er nichts zum Essen bekommen würde. Sie hingegen hatte nicht wirklich großen Hunger, da würde sie es sicherlich auch schaffen einmal nichts zu Essen.
„Sicher?", fragte er, woraufhin die Nymphe nickte. „Okay,danke. Dann bis Morgen."
Er umarmte sie und war in diesem Moment auch schon verschwunden.

Daphne brauchte eine gute halbe Stunde um alle Bücher an ihren richtigen Ort zu legen. Als sie das letzte Buch in der Hand hielt, fiel ihr verwundert auf, dass sie es gar nicht benutzt hatten. Anscheinend hatte er es in der Zeit gelesen, in welcher sie noch nicht anwesend war um mit ihm die Hausaufgaben zu machen. Es handelte sich um ein Buch über große Familien in der Welt der Wesen. Klang eigentlich ganz interessant, dachte sich Daphne. Sie lief vor zu der alten Frau an eine Art Tresen. Dahinter saß sie auf einem Stuhl und sortierte einige Blätter.
„Sie wollen dieses Buch ausleihen?", fragte die Frau, woraufhin die Nymphe ihre Frage mit einem Nicken bestätigte.
Die Frau nahm das Buch, schlug es auf und kritzelte etwas hinein. Danach notierte sie sich etwas auf ihre Blätter und gab Daphne wieder das Buch zurück.
„In einem Monat muss das Buch wieder hier sein", sagte sie streng.
„Alles klar."
Damit war die Nymphe auch schon aus der Bibliothek verschwunden.

Als sie auf die Uhr blickte, stellte sie fest, dass sie das Abendessen verpasst hatte, wie es Raphael gesagt hatte. Nun gut... dann heute ohne Abendessen, dachte sie sich.
Durch die wenigen Fenster in dem Gang konnte sie zusehen, wie die Sonne schon langsam unterging. Sie sollte sich also auf den Weg in ihren Gemeinschaftsraum machen.
Sie lief den Gang entlang in Richtung des Wasserbeckens. Die Gruppe voller Vampiren war glücklicherweise verschwunden und dieser seltsame Typ ebenfalls. Da fiel Daphne auf, dass sie noch immer nicht den Typen gefunden hatte, welcher sie gerettet hatte.
Aber wo solle sie bitte anfangen zu suchen?
Auf dem Weg in ihren Gemeinschaftsraum, zerbrach sie sich den Kopf darüber. Der jenige musste ein Vampir oder Lamie sein... schließlich war es stockdunkel in dem Gang gewesen und ein normaler Mensch oder ein Wesen, welches nicht so gute Sinne hatte wie ein Vampir konnte kaum etwas sehen.
Raphael konnte es schon einmal nicht sein, schließlich wurde er selbst zu Boden geschlagen... und sonst hatte sie nichts mit einem Vampiren zu tun.
Plötzlich hatte sie einen seltsamen Gedanken. Aber das konnte nicht sein. Oder? Schließlich hatte der Junge, welcher ihr diesen Schauer über den Rücken gejagt hatte sie so seltsam angeschaut. Vielleicht war es ja, auch wenn sie es bezweifelte... einen Versuch war es wert. Vielleicht war er ja gar nicht so schlimm und gruselig.


Im Gemeinschaftsraum angekommen, zog sie ihren Körper aus dem Salzwasser und blickte sich um. Ein paar Leute saßen auf den Stühlen an den Tischen und spielten Schach, andere – ein wenig ältere – kämpften?
Und auf der Couch saß mal wieder nur einer. Patrick.
Also setzte sie sich zu ihm und grinste ihn an.
„Na, wie war dein Tag so?", fragte er sie grinsend und sie erzählte ihm ihre Idee mit dem Jungen.

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