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Den ganzen Nachmittag über machte ich nicht besonders viel. Da ich nichts für die Schule zu tun hatte, sah ich mir einen Film an, lackierte mir die Nägel und telefonierte noch kurz mit Zoe. Dann bemerkte ich, dass im Nachbarhaus Licht brannte. Wenn ich aus meinem Zimmerfenster sah, hatte ich einen perfekten Blick darauf. Ich sah, wie jemand am Fenster vorbeihuschte, und beschloss, mein Versprechen Mom gegenüber einzuhalten und das Essen rüber zu bringen.

Ich warf mir meine Lederjacke über, zog meine weißen Chucks an und machte mich mit dem Essen bepackt rüber zu dem unbekanntem neuen Nachbarn. Ich musste all meinen Mut zusammennehmen, um an seine Tür zu klopfen, doch so weit kam es gar nicht. Von innen kam mir jemand zuvor, indem die Tür geöffnet wurde. Vor mir stand mein neuer Nachbar, allerdings nur mit einer Boxershorts bekleidet. Er lehnte sich an den Türrahmen und verschränkte seine Arme vor seiner Brust, was das ganze auch nicht besser machte, sondern eher noch auf seinen gut trainierten Bizeps aufmerksam machte. Sein durchtrainierter Oberkörper und sein Sixpack lenkten mich so sehr ab, dass ich anscheinend vergessen hatte, etwas zu sagen. "Erst stehst du nur blöd vor meiner Tür rum und jetzt bewunderst du meinen hammer Körper und kriegst kein Wort mehr raus. Muss ich mir ein T-Shirt anziehen gehen oder kannst du auch so sprechen, ich hab nicht ewig Zeit."

Ich zwang mich krampfhaft nicht mehr seinen Oberkörper an zu starren, doch in sein Gesicht zu sehen half auch nicht viel. Seine grün glänzenden Augen musterten mich und bildeten einen wunderschönen Kontrast zu seinen dunkelbraunen Haaren. Sein drei-Tage-Bart ließ ihn älter wirken, als er eigentlich war und noch bevor ich dazu kam, mir über seine Lippen Gedanken zu machen, öffnete ich den Mund, um etwas zu sagen. Doch es kam nichts raus.

Der nette Junge von nebenan fing übermutig an zu grinsen. "Da hats dir wohl die Sprache verschlagen, was? Aber keine Sorge, da bist du nicht die einzige." Ich kratzte das letzte bisschen Selbstwertgefühl, das ich noch hatte, zusammen und begann zu sprechen. "Äh, hey", brachte ich krächzend hervor und das wars dann wohl auch mit dem letzten bisschen Selbstwertgefühl. Ich räusperte mich und fuhr dann fort. "Meine Mom wollte, dass ich dir was zu Essen vorbeibringe. Das ist Spaghetti", ich streckte ihm die Dose, die ich in der Hand hielt, entgegen. "Meiner Meinung nach hast du das zwar überhaupt nicht verdient und ich bereue es zutiefst, dass ich nicht reingespuckt hab, aber meine Mom ist der Meinung, du solltest nicht verhungern, obwohl... eigentlich wäre das ja nicht soo schlimm." Ich war selbst von mir überrascht, dass ich wirklich so frech sein konnte, doch das Ego meines Gegenüber war, wie man sehen konnte, kein Stück gekränkt. Stattdessen fing er an zu grinsen und nahm die Dose entgegen. "Sag deiner Mom doch bitte danke von mir und dass das nicht nötig gewesen wäre, ich kann eigentlich ziemlich gut kochen und werde wahrscheinlich nicht verhungern, was mir für dich übrigens leid tut. Und wenn du schon dabi bist, kannst du ihr ja sagen, dass sie leider ein böses kleines Mädchen großgezogen hat."

Er grinste mich immernoch an und trat dann einen Schritt zurück. "Aber du kannst dich glücklich schätzen. Ich steh auf böse kleine Mädchen. Also Gute Nacht, Kleine!" Mit diesen Worten schloss er die Tür und ließ eine versteinerte und komplett verstörte kleine Ivy davor stehen. Ich starrte immernoch die Tür an, wo gerade noch der nette Junge von nebenan stand, der, wie sich meine Vorurteile bestätigten, nicht nett war. Ich hatte mich gerade aus meiner Starre gelöst und wollte gehen, da ertönte eine Stimme von drinnen. "Du kannst jetzt gehen Kleine, hier laufen bestimmt viele gefährliche Leute rum!"

How to rebel rightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt