Wie alles begann

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Wie alles begann

Ein Jahr später

Seufzend streckte ich mich auf der weißen Sonnenliege aus. Ein warmer Windhauch streifte meine Haut, die wie ich mit Genugtuung feststellte, in diesem Sommer deutlich an Farbe gewonnen hatte. Das Poolwasser glitzerte in der nachmittäglichen Sonne. Der Geruch von Freiheit lag in der Luft. Mein Körper versteifte sich bei dem Gedanken, dass das morgen vorbei sein würde. Dahin waren die Ferien. Hinter den dunklen Gläsern meiner Sonnenbrille erkannte ich wie unser Hund, ein Golden Retriever, von seinem schattigen Platz auf der Terrasse aufsprang und zum Gartenzaun sprintete. Ich griff nach meinem iPod, der neben mir auf der Liege lag und schaltete die Musik aus. Beim Herausnehmen der Kopfhörer schlug mir augenblicklich der Lärm entgegen, der unseren Hund aufgeschreckt hatte. Missmutig schob ich meine Sonnenbrille von der Nase und setzte mich von der Liege auf. ,,Toto, komm her" rief ich zum Zaun herüber und musste mich bemühen gegen den Lärm auf dem Grundstück neben uns anzukommen. Der Kopf unseres Golden Retrievers schellte in meine Richtung. Sein Bellen erstarb, während er sich fröhlich hechelnd zu mir auf den Weg machte, um sich von mir graulen zulassen. ,,Braver Junge" lobte ich ihn und streichelte durch sein weiches Fell. Doch er ließ das Grundstück gegenüber nicht aus den Augen. ,,Na geh schon" murmelte ich, bevor er zurück zum Zaun stürmte. Unterdessen griff ich nach meinem Handy, auf dem sich einige Nachrichten angesammelt hatten. Beiläufig beantwortete ich ein paar davon und ging hinüber zum Haus, um mir aus der Küche ein Himbeersorbet zu holen.

Auf dem Rückweg blieb ich an dem massiven Holztisch in der Mitte der Terrasse stehen. Dort saß meine Mum und fertigte mit gekräuselter Stirn eine Einkaufsliste an. Eine blonde Strähne hatte sich aus ihrem Zopf gelöst und war ihr ins Gesicht gefallen. Vom alten Grundstück der Dilaurentis Familie heulte das ohrenbetäubende Geräusch eines Presslufthammers auf. ,,Hoffentlich wird das, was sie dort bauen, leiser als der Lärm, den die Arbeiter veranstalten" erklärte meine Mum säuerlich. Ihre blauen Augen blitzten zu der ein Meter hohen Hecke, die den Blick zum Nachbargrundstück erschwerte. „Es sieht so aus, als würden sie abreißen, nicht bauen" erwiderte ich beschwert und setzte mich ihr gegenüber. Seit Alisons Familie weggezogen war, war das Haus ein Geisterhaus gewesen, dass zwar nur schwer zu ertragen war, aber immerhin noch an sie erinnerte. Doch jetzt da es verkauft worden war, fühlte es sich an als würde Rosewood allmählich zur Normalität zurückkehren. Auch wenn das nur schwer möglich war, denn Alisons Verschwinden hatte eine tiefe Narbe hinterlassen, von der sich selbst unsere Stadt nicht so schnell erholen konnte. Nichts war mehr wie vor einem Jahr. Und überall wurde man daran erinnert, sei es durch die Suchplakate oder verzweifelte Aufrufe der Polizei in der Öffentlichkeit. Erst heute Morgen hatte ihr Bild das Titelblatt des Rosewood Observers geziert. Von Normalität konnte also nicht die Rede sein. Meine Mum ignorierte meinen Kommentar und betrachtete stattdessen missbilligend das Sorbet in meiner Hand, sagte aber nichts. „Ich habe Margaret eine Einkaufsliste für morgen fertig gemacht" wechselte sie munter das Thema und legte den Stift aus der Hand. Margaret war unsere Haushälterin, wobei niemand außer meiner Mum sie so nannte, denn sie bevorzugte ihren Spitznamen Peggy. „Wenn du noch etwas brauchst, schreibe es bitte auf." Ich nickte, während der letzte Happen meines Sorbets auf meiner Zunge zerschmolz. ,,Du solltest Noel zum Barbecue einladen. Im Gegenzug für euren Ausflug mit seinen Eltern nach Cape May." Wieder nickte ich und setzte ein Lächeln auf. Noel war seit fast einem Jahr mein fester Freund, was vor allem bei meinen Eltern für Euphorie gesorgt hatte. Allerdings nur weil sie ausschließlich seine charmante Seite kannten. „Ich rufe ihn nachher an, auch wenn er sowie so zusagen wird." Zufrieden stand meine Mum vom Tisch auf, griff nach Stift und Papier und ging ins Haus. Beim Gehen murmelte sie noch etwas über anstehende Vorbereitungen für das Barbecue. Ich atmete geräuschvoll aus. Jedes Jahr seit der Einschulung meines Bruders veranstalteten meine Eltern zum Schulbeginn ein Barbecue für die Familie. Und seit eben dieser auf dem College war, wurde es fast wie ein Feiertag zelebriert, weil er so großzügig war und den Weg aus Boston auf sich nahm, um daran teilzunehmen. Wenn ich Glück hatte, würde er nur ein paar Tage bleiben und da Noel dabei sein würde, konnte ich ihm aus dem Weg gehen, das hoffte ich zumindest.

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