7. Echo

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Am nächsten Morgen wurde ich durch meinen Cousin geweckt. Er schmiss sich unsanft auf mein Bett und fing an mich zu kitzeln.

Gestern hatten wir beide noch mit meinen Eltern geredet. Was hieß, er sprach und ich war seine seelische Unterstützung. Meiner Mutter war es total egal, solange er sie nicht nerven würde und er sich einen Job suchte, damit er etwas für den Haushalt beisteuern konnte. Mein Vater fand die Idee zunächst nicht sonderlich gut, weshalb er erst meinen Onkel anrief. Dann stimmten am Ende jedoch beide zu, dass Dean bis zum Ende der High School hier wohnen könnte. Solange er natürlich im Gästezimmer schlief. Das Gästezimmer war jedoch im Keller und im Prinzip eigentlich kein richtiges Zimmer. Mir machte es nichts aus, wenn er sich nachts mal in mein Zimmer schleichen würde, um bei mir zu schlafen. Ehrlich gesagt, würde ich auch viel lieber oben schlafen, als im kalten Keller.

"Steh auf Echo. Wir müssen in die Schule. Außerdem müssen wir mich noch anmelden.", sagte er voller Freude und ich verstand einfach nicht, wieso er so fröhlich war. Es war doch nur ein normaler Schultag. Okey, er würde neu auf eine Schule kommen, aber trotzdem.

Ich nickte ihm nur zu und verschwand dann im Bad, um mich zu waschen und um meine Zähne zu putzen. Ich frühstückte morgends nie, dafür ging ich jedoch jeden Morgen zum Bäcker um mir einen Dounut mit Schokostreuseln zu holen. Von den Dingern konnte man einfach nicht genug bekommen. Die Verkäuferin wusste, immer wenn sie mich sah, direkt, was ich haben möchte.

Nachdem Dean und ich beide fertig waren, liefen wir zur Bushaltestelle. Ich setzte mich neben ihn und zog meine Kopfhörer aus der Tasche. Zusammen hörten wir die nächsten 5 Minuten Musik aus den Charts. Es ging in alle Richtungen über, von Pop zu Rap und von Rap zu Pop.

Nach einigen Minuten stieg der Junge von gestern in den Bus ein.
Jace.
Ich hatte seinen Namen gestern erfahren und er war mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Er spukte regelrecht in meinem Kopf herum.

Als er mich sah, lächelte er mich an und kam in meine Richtung. Schnell wendete ich meinen Kopf zu Dean, nur um nicht mit ihm sprechen zu müssen. Vielleicht würde er einfach weggehen, damit ich aus einer einseitigen Konversation seinerseits aus dem Weg gehen konnte. Aus den Fensterscheiben des Busses konnte ich sehen, wie er sich auf einen Platz drei Reihen vor mich gesetzt hatte. Ich starrte auf seinen Hinterkopf und auf seine verwuschelten Haare. Verdammt, wenn ich so weiter machen würde, werde ich ihn nie kennen lernen können. Er war so ziemlich einer der ersten Jungs, die ich wirklich interessant fand.

"Kennst du den Jungen?", fragte mich Dean plötzlich und ich verneinte mit einem Kopfschütteln. Leider nicht, obwohl ich es wirklich gerne wollte.

"Sah aber so aus, als würde er dich kennen.", stellte er fest.

Ich schüttelte heftig den Kopf. Hoffentlich interpretierte er jetzt nicht zu viel in die ganze Sache.

"Wie du meinst.", beendete er die kurze Konversation.

Endlich an der Schule angekommen, steuerten wir direkt auf das Sekreteriat zu. Es dauerte ziemlich lange Dean anzumelden. Eigenlich durfte er heute sogar gar nicht anfangen, aber die Sekretärin hatte eine Ausnahme für ihn gemacht. Nachdem wir seinen Stundenplan ausgekunschaftet hatten, konnten wir glücklicherweise feststellen, dass er einige Kurse mit mir zusammen hatte. Außerdem musste er sich noch in zwei oder drei AGs eintragen, wie jeder andere, der auf die Schule gehen wollte, auch. Ich war bei der Schülerzeitung und im Volleyball. Auf mehr hatte ich keine Lust und kein Können gehabt. Im Volleyball war ich eigentlich sogar recht gut und meine Mannschaft war auch sehr nett zu mir. Ich war zwar mit keinem von ihnen befreundet, aber sie akzeptierten es, dass ich nichts sagte. An dem ein oder anderen Tag nahmen wir sogar an Tunieren teil. Aber wir würden bestimmt nie so gut werden können, wie die Jungenmannschaft der Schule. Sie trugen schon seit einigen Jahren, jedes Jahr aufs Neue, den Pokal mit Nachhause.

"Wir haben jetzt zusammen Mathe wies aussieht.", gezwungen lächelte er. Ich wusste, wie schlecht er in Mathe war, weshalb ich lächeln musste. In Algebra war ich zwar auch keine Einserschülerin, aber das ein oder andere B und C war schon drinnen.

Zusammen liefen wir in den Matheraum und er setzte sich genau neben mich. Es war lange her, dass sich mal wieder jemand neben mich setzte, freiwillig.

"Echo.", hörte ich eine Stimme neben mir. Es war wieder Drew.

Ich schaute ihn an und lächelte. Ich musste sofort an den Abend von gestern denken.

"Gestern war schön. Könnten wir gerne wiederholen."

Ich nickte nur. Ob es so eine gute Idee war, wusste ich nicht.

"Man sieht sich.", er winkte kurz zum Abschied, ehe er das Klassenzimmer verließ.

"Und wer war dass jetzt wieder? Ich dachte du hättest keine Freunde. Vorallem keine männlichen.", sprach mich Dean, nachdem Drew weg war, direkt von der Seite an. Okay, möglicherweiße sah das Ganze jetzt ziemlich komisch aus. Ich hatte nie richtige Freunde gehabt und dann waren da plötzlich zwei Jungs aufeinmal?

Schnell zog ich meinen Block und mein Mäppchen aus der Tasche. Abwartend schaute er mich an. Schnell schrieb ich alles wichtige auf mein Blatt und zeigte es ihm anschließend.

"Er heißt Drew und war also gestern mit dir im Kino. Sicher das er einer von den guten Kerlen ist?"

Ich zuckte mit den Schultern. Ehrlich gesagt, hatte ich keinen blassen Schimmer.

"Ich hoffe du weißt was du tust.", sagte er misstrauisch und gab mir mein Blatt zurück.

Schnell schrieb ich etwas darauf: Und wenn, dann habe ich immer noch dich als meinen Beschützer.

Als er es las, lächelte er leicht. "Ich werde immer für dich da sein, Echo."

■05.06.16■

SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt