27. Echo

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Verwirrt über das Gelache meines Cousins trat ich aus dem Haus und lief langsam auf ihn zu.

Fragend betrachtete ich ihn, bis ich etwas in der Ladefläche sah, dass sehr einem Menschen ähnelte. Nein, wohl eher einem gerade aufstehenden und gähnenden Jace. Ich blieb leicht verwirrt neben Dean stehen und beobachtete einfach das Spektakel.

Jace streckte sich und gähnte anschließend mit seiner Hand vor dem Mund.

"Was machst du hier Jace?", fragte Dean immer noch lachend und stützte sich dabei am Auto ab. So lustig fand ich die ganze Situation nicht einmal.

"Ich ähm." Jace schaute sich kurz um, als er mit dem Blick an mir hängen blieb. "Ich denke ich bin hier eingeschlafen", sagte er, aber es hörte sich schon fast nach einer Frage an.

"Wieso hast du nicht geklingelt. Du hättest auch drinnen schlafen können", sagte Dean und konnte sich nun endlich wieder beruhigen.

"Ich hab mit Randy telefoniert. Also mit meinem besten Freund von früher. Dann muss ich wohl eingeschlafen sein." Er zuckte mit den Schultern. "Um ehrlich zu sein, war es gar nicht einmal so unbequem."

"Na dann, wenn du schon hier bist, kannst du uns ja direkt in die Schule mitnehmen, oder?"

War natürlich klar, dass Dean es sich nicht entgehen lassen konnte, mit einem Auto zur Schule mitfahren zu können. Er hasste es, Bus fahren zu müssen. Genau wie ich. Dort waren mir einfach zu viele Menschen und Gerüche.

"Klar. Aber vorher würde ich gerne noch meine Eltern anrufen, damit sie sich keine Sorgen um mich machen." Er gähnte und verzog dann kurz sein Gesicht. "Ah und wenn ihr eine frische Zahnbürste hättet wäre das natürlich auch ziemlich gut."

Jetzt musste ich leicht lachen. Jace sah mich an und ich winkte ihn zu mir. Schwer schnaufend stand er von seinem Auto auf und sprang anschließend sehr elegant hinunter.
Ich lief voraus und zeigte ihm wo sich das Telefon befand.
Während er mit seinen Eltern telefonierte suchte ich eine neue Zahnbürste und brachte sie ihm.

"Alles geklärt, meine Mom war ein bisschen sauer, weil sie sich Sorgen gemacht hatte, aber ist froh, dass es mir gut geht."
Er gab mir das Telefon und nahm sich die verpackte Zahnbürste. Diese hob er kurz nach oben und bedankte sich somit dafür.

Während Jace sich seine Zähne geputzt hatte und Dean in Jaces Wagen herumlungerte lehnte ich mich am Küchentresen an und dachte nach. Ich dachte darüber nach, was ich machen müsste um einen Adrenalinkick zu bekommen. Es musste etwas sein, dass nicht zu heftig und krass war, aber auch nicht zu locker. Vermutlich würden sich andere über meine Gedanken lustig machen, aber ich war mir diesesmal ziemlich sicher, was ich genau wollte. Es hat sich förmlich in meinen Kopf eingebrannt und schrie danach endlich gemacht zu werden.

Also schrieb ich meine Frage auf die Eckseite einer Zeitung und riss sie ab. Als Jace wiederkam, drückte ich ihm Wortlos den Zettel in die Hand.

Mit gerunzelter Stirn las er ihn.

"Du willst dass ich dir helfe einen Adrenalinkick zu bekommen?"

Ich nickte. Er platzierte sein Gewicht auf seinen linken Fuß und streckte seinen rechten leicht von sich.

"Worauf willst du hinaus Echo?"

Ich zuckte mit den Schultern und schrieb wieder auf die Zeitung.

"Ich will Spaß haben. Das was du gestern erzählt hast hörte sich gut an. Ich möchte das auch haben. Mal etwas riskieren. Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben irgendetwas riskiert", las er laut vor.

"Na schön. Von mir aus, aber nur wenn du mir sagst wieso du es wirklich willst."

Ich brauchte 5 Minuten, um meinen Satz richtig zu formulieren. Zumal ich am Anfang selbst nicht genau wusste, wieso ich es wirklich wollte.

Er las ihn wieder laut vor und ich versuchte ihm dabei nicht in die Augen zu schauen. Irgendwie war es mir peinlich, obwohl es einem nicht peinlich sein sollte.

"Ich habe die Hoffnung, dass ich, wenn ich mal etwas riskiere, es auch wieder schaffen könnte zu sprechen."

Es herrschte kurz Stille.

"Wow, das ist. Echo, dass ist fantastisch. Ich glaube ich habe noch nie einen so starken Menschen wie dich getroffen. Und ja, natürlich werde ich dir helfen. Du kannst immer auf mich zählen", meinte Jace begeistert und lächelte mich an.

Glücklich wie ich war umarmte ich ihn.

"Ich nehme das als dankeschön", entgegnete Jace nachdem er mich viel zu spät wieder losgelassen hatte. Ich mochte es, ihn zu umarmen.

"Aber jetzt sollten wir gehen. Dean wartet sicher schon. Ach ja und wegen dem hier", er zeigte auf den Zettel, "werde ich mir etwas gutes überlegen."

Ich nickte und zusammen verließen wir mein Haus. Schnell schloss ich did Haustüre ab und lief dann mit meiner Schultasche zu Jace und Dean an den Wagen.

In der Schule angekommen liefen wir zusammen in das Gebäude hinein. Da unsere Schließfächer nicht zusammen lagen, mussten wir uns auf dem kurzen Weg trennen. Danach würden wir jedoch zusammen Englischunterricht haben.

Ich gab meinen PIN in das Schließfach ein und tauschte anschließend meine Bücher aus. Ich dachte an Jace und die ganze Sache, die ich vorhatte. Und da fiel mir wieder das Gespräch mit meinem Vater ein. Ich sollte Jace noch fragen, ob er heute mitgehen wollte. Das sollte ich wirklich nicht vergessen. Gerade, als ich mit meinen Gedanken zu Jace fertig war, tippte mich jemand an der Schulter an.

Fragend drehte ich mich um und entdeckte eine Blondine vor mir. Sie war zweifellos wirklich hübsch und wirkte ziemlich nett. Aber wieso sie mich antippte wusste ich nicht.

"Hi. Ich bin Zoella. Aber eigentlich nennen mich alle nur Zoe."

Sie streckte mir ihre Hand entgegen. Fragend nahm ich sie in die Hand.

"Und du bist?"

Noch nie kam einfach jemand zu mir und wollte wissen, wer ich war.

Eigentlich wusste jeder auf dieser Schule, wer ich war, beziehungsweise kannten die meisten mein Gesicht und verbanden es direkt mit der Tatsache, dass ich nicht redete.

Da ich jedoch nicht unhöflich sein wollte, blätterte ich in meinem Englischbuch auf die erste Seite und zeigte mit meinem Finger auf meinen Namen, den jeder Schüler immer in seine Bücher schreiben musste.

"Echo Silver.", sie sprach ihn mehr fragend als feststellend aus, also nickte ich einfach. "Echo ist ein sehr schöner Name. Aber wieso hast du ihn mir nicht gesagt, sondern auf dein Buch gezeigt?"

Stumm blickte ich sie an. Sie wusste wirklich nicht wer ich war und dass ich nicht redete. Also musste sie neu hier sein. Da fragte ich mich jedoch wieso sie gerade zu mir kam und zu niemand anderem. Immerhin gingen hier 400 weitere Schüler zur Schule, die alle gerade hier im Schulhaus herumliefen.

"Echo. Da bist du ja." Jaces Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich war froh, dass er hier auftauchte.

"Oh hallo. Und du bist?", sprach er direkt die Blondine vor mir an, als er sie sah. Und ich wurde eifersüchtig. Ich wurde noch nie eifersüchtig.

"Zoella. Aber nennt mich Zoe. Ich bin neu hier und hab deine Freundin angesprochen", antwortete diese. Tatsache war, dass sie wirklich neu war.

"Ähm. Ich bin Jace. Jace McCinley."

"Freut mich dich kennen zu lernen Jace und natürlich auch dich Echo."

Ich nickte ihr nur zu.

"Brauchst du irgendetwas?", fragte Jace weiter und blickte ihr in die Augen.

Verdammt. Wieso blickte er ihr so tief in die Augen. Klar, sie war wirklich hübsch, aber. Nein, kein aber. Jace und ich waren Freunde. Ich sollte nicht eifersüchtig sein und er durfte machen was auch immer er wollte.

"Ich suche den Raum für Algebra bei Mister Brown."

"Okay, also ich glaube du musst hier die Nächste rechts und dann steht die Zimmernummer direkt auf der Türe." Jace zeigte mit dem Finger gerade aus und Zoes Blick folgte seinem Zeigefinger.

"Okay, dankeschön. Ich muss dann los. Vielleicht sieht man sich nochmal." Sie lächelte uns beide an und lief dann davon.

■08.10.16■

SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt