21. Jace

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Der nächste Morgen war erschreckend ruhig. Sonst waren meine Eltern immer hektisch unterwegs und rannten, bevor sie zur Arbeit gingen, im ganzen Haus herum. Immer wieder vergaßen sie irgendwelche Sachen und verkleckerten ihren Kaffee beim beeilen, nicht zu spät zu sein.

Verwirrt über die Stille stand ich auf und lief in die Küche. Sie war so sauber und leer wie gestern, als ich sie abends das letzte Mal betreten hatte. Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen und rieb mir gähnend mein rechtes Auge. Ich stützte mich kurz am Tresen ab, da mir morgends oft schwindlig war, wenn ich noch nichts getrunken hatte. Dann sah ich mich wieder kurz in der Küche um.

Vielleicht waren sie natürlich auch schon unterwegs und hatten alles sauber gemacht. Jedoch war das üblicherweise nie der Fall gewesen. Normalerweiße ließen sie alles dreckig herumstehen und machten ihren Schmutz erst am Abend weg.

Mit einem Knopfdruck schaltete ich die Kaffeemaschine ein und wartete, bis sich etwas tat. Kaffee am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen.

Immer noch leicht verwirrt, von der Stille im Haus schaute ich auf die Uhr. Es war 7 AM und eigentlich würden meine Eltern erst in 5 Minuten das Haus verlassen. Es war seltsam, wenn es hier so still war.

Dann kam mir ein Gedanke, der hoffentlich nicht wahr war. Verschlafen hatten die beiden noch nie, zumindest noch nie seit ich im Kindesalter zu ihnen gekommen war.

Schnell rannte ich die Treppenstufen unseres Hauses nach oben und riss die Schlafzimmertüre meiner Eltern auf. Ich hatte recht, sie lagen doch tatsächlich noch im Bett und schliefen. Mein Vater hatte beide Arme ausgestreckt und seinen Kopf auf die Seite gelegt. Ja und meine Mom lag auf dem Bauch und ein Bein ragte unter der Bettdecke, aus dem Bett, heraus.

Das hieß nichts Gutes, denn sie mussten eigentlich schon fast auf dem Weg zu ihrer Arbeit sein. Es sah zwar ganz lustig aus, wie meine Eltern in ihrem Bett lagen, aber wenn sie nicht allzuspät dort sein wollen würden, musste ich sie jetzt hochkant aus dem Bett schmeißen.

Wie eine Furie rannte ich zu den Fenstern, riss die Rolläden nach oben und schrie sie an, dass sie aufstehen mussten. Gequält bewegten sie sich, verstanden aber anscheinend noch nicht so recht, was gerade abging. Ich hörte Gemurre und Gestöhne, aber keiner von Beiden stand auf.

"Mom! Dad! Ihr habt euren Wecker vergessen zu stellen!", schrie ich nun und zog beiden die Bettdecken davon.

Mein Blick huschte vom einen, ins andere Gesicht und ich konnte ihre geschockten Blicke erkennen. Kreischend und vor sich hin fluchend sprang meine Mutter aus dem Bett und rannte ins Bad. Meinen Vater konnte ich von den Augenwinkeln her leicht schmunzeln sehen, ehe er auch aufstand, jedoch lange nicht so schnell wie Mom.

"Danke Jace", bedankten sich beide nach 10 Minuten bei mir und huschten aus dem Haus zu ihrem Auto.

"Kein Problem. Familien halten zusammen."

Ich konnte noch ein leichtes Lächeln auf den Lippen meiner Adobtivmutter sehen, ehe ich die Haustüre zu machte.

Mit meiner vollen Tasse Kaffee setzte ich mich an den Tisch und schnappte mir eine Zeitung. Ich weiß, die meisten Jugendlichen in meinem Alter hielten nicht gerade viel von Politik und Neuigkeiten, ich jedoch fand vieles sogar recht interssant. Während ich las, trank ich immer mal wieder einen Schluck von meinem Kaffee und ließ dabei die Uhrzeit nicht aus den Augen. In 5 Minuten müsste ich losfahren, wenn ich noch rechtzeitig in der Schule ankommen wollte. Doch dann fiel mein Blick auf die Anzeigenseite, jedoch mehr auf einen speziellen Namen. Jack Dodge wurde heute 87 Jahre alt. Es war der Mann, mit dem ich mich neulich, vor ein paar Tagen, unterhalten hatte. Es war ein ziemlich interessantes Gespräch gewesen und der alte Mann war ziemlich nett gewesen. Ich entschloss mich, nach der Schule bei ihm vorbei zu schauen, würde aber vorher noch in ein Einkaufscenter gehen, um ihm ein kleines Geschenk mitzunehmen. Meine Gedanken fielen direkt zu einem kleinen ledrigen Tagebuch. Er würde sich sicher freuen.

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