15. Echo

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Ich lag noch die ganze Nacht über in Deans Armen. Wie konnten mir meine Eltern das nur antun? Mich mein Leben lang zu belügen? Ich verstand es nicht. Das einzige was ich jetzt verstand war, wieso meine Mutter mich noch nie sonderlich leiden konnte.

"Willst du heute noch aus dem Haus gehen? Immerhin ist Wochenende.", fragte mich Dean am nächsten Morgen. Ich hatte kaum geschlafen und war deswegen noch ziemlich müde.

Trotzdem nickte ich. Er hatte recht. Ich kann ja nicht ewig rumschmollen.

"Gut so. Das Leben geht immerhin weiter."

Ich lächelte ihn an und umarmte ihn noch kurz, ehe ich aufstand.

"Also, ich werde uns jetzt erst einmal ein leckeres Frühstück machen und dann gehen wir an den See. Alles klar?"

Die Idee war nicht schlecht. Ich ging gerne an den See, aber auch nur wenn Dean dabei war. Alleine würde ich niemals an einen solch öffentlichen Ort gehen. Alleine fühlte ich mich so, als würde ich eine öffentliche Unterwäscheshow ablegen. Natürlich war es übertrieben, aber jeder denkt über so etwas ja verschieden.

Also nickte ich erneut und lächelte ihn an. Dann zeigte ich schnell auf meinen Kleiderschrank, um ihm zu zeigen, dass ich mich gerne umziehen möchte.

Er verstand sofort. "Beeil dich. Ich geh schon mal runter." Wir verstanden uns wirklich ohne Worte.

Nur in Unterhose bekleidet stand er von meinem Bett auf und lief aus meinem Zimmer. Ich lächelte leicht in mich hinein. Ich war ziemlich froh Dean zu haben. Es war gerade wirklich das beste, dass er bei mir war. Er war der Einzige, der mich im Moment auf andere Gedanken bringen konnte. Und dafür liebte ich meinen Cousin.

Schnell zog ich mir meinen Bikini sowie, oben drüber ein lockeres Sommerkleid in weiß an. Den Bikini hatte ich, soweit ich mich erinnern konnte, das letzte mal an, als ich meinen Cousin vor einem Jahr besucht hatte. Dementsprechend war meine Haut auch käseweiß. Es lag vermutlich aber auch einfach daran, dass ich von Natur aus eher hellhäutig war. Ich bekam auch viel zu schnell einen Sonnenbrand, wenn ich mich nicht sofort mit 50+ Sonnencreme einrieb.

Dann klopfte es plötzlich an meiner Zimmertüre.

"Echo? Bist du fertig?", hörte ich Deans Stimme hinter der Türe. Schnell lief ich darauf zu und öffnete ihm.

"Perfekt. Dann zieh ich mir auch schnell meine Klamotten an. Du kannst schon mal was essen, wenn du willst.", sagte er und schnappte sich zugleich seine Badehose aus seinem Koffer.

Ich nickte leicht und verließ dann mein Zimmer.
Unten angekommen traf ich auf meinen Vater. Anscheinend arbeitete er heute nicht.

"Echo, kann ich mal mit dir sprechen?", er kam direkt auf mich zu und sah leicht traurig aus.

Etwas verwirrt nickte ich.

"Setz dich doch mal hin."

Langsam lief ich auf meinen Stuhl zu und setzte mich anschließend hin. Meine Finger tippten unruhig auf der Oberfläche des Tisches auf und ab.
Dann setzte er sich gegenüber von mir an den Tisch und legte seine Arme, mit verkreuzten Händen, darauf.

"Also, ich gehe davon aus, dass du den Streit von mir und deiner Mutter mitbekommen hast."

Mit einem mehr oder weniger bösen Gesichtsausdruck schaute ich ihn an und nickte.

"Clary ist vorhin ausgezogen. Sie ist zu ihrer Mutter. Wir haben gestern noch darüber geredet und sind zum Entschluss gekommen, dass wir uns scheiden lassen. In den letzten Jahren lief es im Grunde nur noch bergab. Sie wollte dich nicht als Tochter anerkennen, konnte es zunehmend nicht ausstehen, dass du nichts mehr redest und im allgemeinen lief unsere Beziehung sehr schlecht. Sie hat dich nicht gut behandelt. Ich hab das mitbekommen und nichts getan, es tut mir leid. Ich war immer auf ihrer Seite, sie sprach immer davon, dass du die böse bist und dass sie immer versucht hat mit dir klar zu kommen. Wenn sie mit mir sprach, warst immer du die Unruhestifterin und ich habe ihr geglaubt.", sprach er leise und irgendwie auch voller Trauer. Ich glaubte sogar, eine kleine Träne in seinen Augenwinkeln gesehen zu haben. "Es tut mir unendlich leid, dir nie geglaubt oder zugehört zu haben. Es ist meine Schuld, dass es jetzt so ist."

Ich legte meine rechte Hand auf seine, um ihm zu zeigen, dass ich ihm verzieh oder irgendwann verzeihen konnte. Er war mein Vater. Klar war ich noch sauer auf diese Lüge, aber Clary war einfach hinterhältig. Immer dachte ich, dass meine Eltern mich einfach nicht wollten, dass ich ein Unfall war. Doch jetzt weiß ich es besser. Er war einfach blind vor Liebe gewesen und dachte bis jetzt noch, dass er sie lieben würde.

"Verzeihst du mir?", fragte er anschließend.

Zögernd schüttelte ich jedoch meinen Kopf. Es würde dauern, bis ich ihm verzeihen könnte.

"Kommst du damit klar?"

Ich nickte.

"Wirst du mir je vergeben können? Damit wir endlich eine richtige Familie werden können?"

Ich nickte erneut. Wie heißt es so schön? Zeit heilt alle Wunden.

"Danke, Echo. Ach und Dean muss nichts arbeiten gehen. Sieh sein Bleiben als danke an."

Ich lächelte ihn an.

Dann fiel mir etwas auf. Ich hatte jetzt keine Mutter mehr. Also keine Stiefmutter. Dann müsste ich doch eigentlich eine richtige Mutter haben.

Fragend runzelte ich meine Stirn. Er musste es mir sagen. Schnell rannte ich aus der Küche und in mein Zimmer, um einen Stift und ein Blatt zu holen. Dean war schon fertig und saß im Wohnzimmer auf unserer Couch. Er wusste wohl, dass ich mit meinem Dad redete. Beziehungsweiße sprach mein Vater und ich nickte und schlüttelte lediglich meinen Kopf.

Mit meinen Materialien ging ich zurück zu meinem Vater. Mit völlig verrüttelter Schrift schrieb ich meine Frage auf: Wer ist meine leibliche Mutter?

■19.07.16■

SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt