11. Echo

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Die Polizisten führten mich durch die Eingangstüre unseres Hauses.

Ich fühlte mich, als wäre ich in einem schlechten Film. Sauer auf meine Mutter, lief ich auf das Polizeiauto zu. Darin konnte ich zwei Personen erkennen, jedoch sah ich die eine Person nur von hinten und von der anderen konnte ich kaum etwas erkennen.

"Also Kleine, setz dich hinten rein. Die beiden Jungs werden dir schon nichts tun.", sagte der ältere Polizist und hielt mir die Türe auf.

Ich lächelte leicht, manchmal waren Polizisten ja doch recht nett.
Und dann erkannte ich die beiden Personen im Auto. Es waren doch tatsächlich Drew und Jace. Genau die beiden, mit denen ich in den letzten Jahren am meisten zu tun hatte. Das jedoch auch erst seit ein paar wenigen Tagen. Aber wieso zur Hölle saßen die Beiden im Polizeiauto?

Jace rutschte langsam in die Mitte der hinteren Sitzreihe und starrte mich die ganze Zeit über gespannt an. Am liebsten hätte ich in böse angefunkelt, oder angepflaumt, wenn ich sprechen würde. Als ich mich hingesetzt hatte, starrte ich einfach gerade nach vorne. Die ganze Zeit über. Trotzdem konnte ich die Blicke meiner Mitschüler sehen.

"Was hat sie gemacht, wenn ich fragen darf.", unterbrach Drew die Stille und schaute die Beamten fragend an.

"Frag sie doch selbst.", sagte der Fahrer abwesend.

"Sie wird mir nicht antworten."

"Vielleicht will sie ja auch nicht, dass du es weißt. Darüber schon mal nachgedacht?", sagte der Beifahrer ironisch die Augen verdrehend.

"Ich denke, dass es ihr nichts ausmacht. Aber sie ist gerade nicht all zu gut auf mich zu sprechen. Vermutlich, weil sie nicht weiß wieso ich hier drinnen sitze. Also wären sie bitte so freundlich, ihr zu sagen das ich unschuldig bin und mir dann erzählen, wieso sie hier ist?", diskutierte Drew weiter. Es war irgendwie amüsant.

"Wieso nochmal?"

"Weil ich mit dem hübschen Mädchen hier,", er lächelte mich an, "gestern erst ein Date hatte und ich hoffe mal, dass sie auch auf ein weiteres zusagen wird."

"Meine Güte. Wenn du dann endlich deine Klappe hälst. Ist ja noch schlimmer als bei meiner Schwiegermutter.", brummte der Ältere. "Also Kleine, die Labertasche hier, hat nichts schlimmes getan. Der Bursche neben dir hat eine Delle in sein Auto getreten und bekommt jetzt eine Anzeige wegen Vandalismus, von Mister Barrymore."

Ich schaute die Jungs und die Polizisten sprachlos an. Jace hatte Drews Auto zerschlagen? Wieso hatte er das getan?

"Naja, der liebe Jace neigt zu leichten Agressionsproblemen.", erklärte Drew als er meinen fragenden Blick sah.

Neben mir ballte Jace seine Hände zu Fäusten. Ich legte blitzschnell meine Hand auf seine. Nicht, dass es jetzt hier drinnen noch ausartet. Er schaute mich erst verwirrt an, entspannte seine Faust dann jedoch. Ich nahm meine Hand wieder weg. Irgendwie hatte es sich richtig angefühlt, in dem Moment, meine Hand auf seine zu legen. Ich kannte ihn nicht, aber er schien eine interessante Persönlichkeit zu sein. Vielleicht sollte ich ihn das nächste Mal nicht gleich verscheuchen, sondern ihm zuhören.

"Also wieso ist sie jetzt hier?", fing Drew wieder mit dem Thema an. Na klasse, jetzt beginnt die Lüge.

"Sie hat einen Diebstahl an ihrer Mutter begangen und ist ohne Fahrerlaubnis Auto gefahren.", sprach der Polizist sachlich. Ich schnaupte auf. Ich habe sicherlich nichts von all dem getan. Meine Mutter ist ein Biest und eine dreiste Lügnerin. Sie konnte mich noch nie leiden und ich hatte keinen blassen Schimmer weshalb.

"Und das wissen sie woher?", fragte Drew weiter. Jaces Blicke konnte ich immer noch auf mir spüren.

"Ihrer Mutter. Apropos, sie hat uns immer noch nicht ihren Namen verraten.", stellte der Jüngere fest. Der Award geht an die aufmerksamsten und besten Polizisten in dieser Stadt. Die beiden vor mir. Sie machen ihren Job, wie es aussah, nicht gerade prickelnd. Immerhin sollte man schon wissen, wie die Person hieß, die man hinten im Polizeiwagen sitzen hatte. Dann richtete er sich an mich. "Also, wie wäre es jetzt mit deinem Namen? So schwer ist es doch nicht. Außerdem würde es uns die Arbeit um einiges erleichtern."

Ich lachte kurz auf und schaute ihn dann finster aus dem Rückspiegel an. Manche Polizisten sind echt Idioten. Wenn es keiner sagen würde, würden sie nie darauf kommen, dass ich nicht redete.

Auch Drew fing an zu lachen.

"Was gibts da zu lachen? Es war nur eine Frage.", sagte der Jüngere leicht agressiv. Es sollte wohl einschüchternd wirken. Aber man musste mehr über ihn schmunzeln, als dass man ernst und eingeschüchtert sein könnte.

"Weil die ganze Sache ziemlich lustig ist. Sie wissen einfach nichts. Und wenn ich es ihnen nicht verraten würde, würden sie sich bestimmt unnötig die Haare aus dem Kopf reißen. Das Mädchen hier kann sehr stur sein." Stur? Aber hallo, stur war mein zweiter Vorname.

"Dann erleuchte uns doch, Drew Barrymore.", sagte der Ältere sarkastisch und zog seinen Namen leicht ins Lächerliche. Okay, sein Name war aber wirklich irgendwie lustig. Vorallem, weil er wie eine damals sehr berühmte Schauspielerin hieß. Vielleicht wollten seine Eltern eigentlich ein Mädchen. Wer weiß?

"Sie redet nicht.", sagte nun Jace. Seine Stimme war rau und tief. Genau wie vorhin, als er mich angesprochen hatte. Er hatte eine schöne Stimme. Wie meine wohl war?

"Dummchen. Als ob wir dass noch nicht gemerkt haben.", meinte der Ältere genervt. Er verstand es nicht.

"Nein Sir, sie verstehen das ziemlich falsch. Dieses Mädchen hier,", Drew zeigte auf mich, "hat seit 10 Jahren kein Wort mehr gesagt. Und sie wird es sicher auch nicht mehr tun."

Voller Schock machte der Jüngere Polizist eine Vollbremsung. Verwirrt und geschockt zugleich drehten sich beide zu uns um un schauten mich an.

Ich jedoch zuckte nur mit den Schultern.

"Nie geredet? Seit 10 Jahren? Aber du bist nicht stumm, oder? Also krank-stumm.", harkte Officer Labon nocheinmal nach. Es ergab kaum Sinn, was er redete.

Ich nickte trotzdem.

"Das ist, faszinierend." Und da war es wieder. Ich schnaufte auf. Ich bin nicht faszinierend, oder sehe ich aus wir ein Tier auf einem Einrad? Himmel, wie ich dieses Wort hasste.

"Sie mag es nicht als faszinierend abgestempelt zu werden.", sagte nun Jace. Wenigsten hatte er sich das gemerkt. Ich hatte das Gefühl, dass er anders war, als die meisten Typen.

"Ja und wie heißt sie nun?"

"Echo Silver.", antwortete Drew und lächelte mich leicht an. Ich lächelte kaum merklich zurück.

■20.06.16■

SilenceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt