Kapitel 2 ☑☑

88 11 15
                                    

Kapitel 2: Eine seltene Bekanntschaft

Im nächsten Moment hörte Maria, wie unten die Haustür ging. Keine Minute später näherten sich Schritte über die Treppe, dann öffnete sich die Tür: »Mary, schläfst du scho-«

Aylin war wie zur Salzsäule erstarrt, als ihr Blick auf Penelope fiel, und ein undefinierbarer Ausdruck schlich sich in ihre Augen. Die Fee starrte zurück und fragte mit piepsiger Stimme: »Würden Sie bitte so freundlich sein, uns kurz alleine zu lassen, Miss Evans? Ich habe eine dringende Unterredung mit Ihrer Tochter.«

Aylin blinzelte daraufhin kurz, dann schluckte sie, wirbelte herum und eilte davon. Sie schien wütend zu sein. Maria konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals sauer gewesen sei, geschweige denn so sehr. Normalerweise war ihre Devise, dass Gewalt nichts brachte, und auch nicht, wenn man zornig wurde, doch nun hielt sie sich selbst nicht daran. Ein komisches Gefühl beschlich Maria.

»Wie war das noch einmal mit Königin Liarëen?«

»Sie möchte mit dir sprechen. Aber nun muss ich los, du bist nicht die Einzige, der ich eine Nachricht überbringen muss. Mejra wartet sicher schon.« Penelope löste sich in Luft auf, war einfach von einem Moment zum nächsten verschwunden. Die Schülerin jedoch schmiss sich aufs Bett, starrte die Zimmerdecke an und dachte darüber, was geschehen war, nach. Jetzt, wo Penelope fort ist, überkam sie das Schockgefühl, das sie irgendwie schon vermisst hatte. Eigentlich war sie gläubige Katholikin, doch dass Penelope einfach in ihrem Zimmer aufkreuzte ... Eine Fee ...

»Werde ich allmählich verrückt?« , fragte sie leise in das stille Zimmer hinein, als das Schweigen sie zu erdrücken drohte. »Was passiert hier bloß? Warum passiert das? Warum mir? Oder ist das alles doch bloß ein Traum?«

Maria hob die Hand zum Oberarm und kniff sich. Schmerz durchzuckte ihren Oberarm, doch das musste nicht heißen. Manchmal hatte sie realistische Träume, in denen Phantomschmerzen auftraten, obwohl sich das abstrus anhören mochte. Sie beschloss, es in ihr Tagebuch schreiben, dann würde sie schon merken, ob es ein Traum war.

Sie griff den schmalen Band und begann, in klaren Buchstaben den Eintrag zu schreiben.

Ihr Tagebuch war eigentlich mehr eine gesamte Lebensaufzeichnung. Als Maria noch nicht schreiben konnte, wurden die Seiten von Aylins Handschrift gefüllt, bis diese plötzlich von Kindergekrakel, das nach kurzer Zeit immer sicherer wurde, abgelöst wurde. Um ehrlich zu sein, war es nicht nur ein Buch, sondern eine ganze Reihe an exakt gleich aussehenden Büchern, derer sie nun - einschließlich dessen, in das sie nun schrieb - einundzwanzig besaß. Zweimal im Jahr benötigte sie ein neues, welches Aylin ihr dann besorgte, ohne zu sagen, woher sie es hatte oder wie sie so viele exakt gleich aussehende Bücher bekam.

Maria legte das Buch beiseite, zog sich ihr cremefarbenes Nachthemd an und löschte das Licht. In dieser Finsternis, die einzig der Schein der Sterne durchbrach, setzte sie sich im Schneidersitz auf ihre hellblaue Bettdecke und begann, mit gesenktem Kopf zu beten: »Lieber Gott, ich bin verwirrt. Ist das heute tatsächlich geschehen? Ist dies ein Zeichen oder soll ich es ignorieren? Oh, hilf mir, Gott. Soll dies eine Prüfung sein oder eher doch ein unwichtiger Meilenstein auf meinem Weg des Lebens? Schicke mir bitte ein Zeichen, falls es doch besonders sein sollte. Amen.«

Kaum öffnete das verunsicherte Mädchen die Augen, erschien eine gleißende Gestalt aus Licht vor ihr. Silbrig war die Haut, die Augen waren wie flüssiges, das schier endlos lange Haar wie gesponnenes Gold. Ein sanftes, gütiges Lächeln erhellte das Gesicht der Frau.

»Wer ... wer sind Sie?«

»Du hast mich doch um Hilfe gebeten, oder nicht?« Ihre Stimme war hell und vom Klang eines Glockenspiels.

Quest Of An Äreviel 1: Die Legende Der KierlineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt