Kapitel 7

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Diese Stunden waren die wertvollsten Stunden meines Lebens. Dieser Engel hatte sich innerhalb von fünf Minuten mit mir angefreundet und war einfach wie ich. Ich hatte mich in sie verliebt, sie war verdammt Zucker. Doch leider verging die Zeit wie im Flug, weswegen Cem auftauchte und sie mit sich genommen hatte.
Am nächsten Tag kam Selma wieder nach Haus. Heute würden wir zu Tarik und Harun shishan. Sie hatte Harun nichts gesagt, weswegen der Kontakt noch da war zwischen ihnen. Sie hatte sich in der letzten Sekunde zurück gezogen. Ich war nicht so begeistert von der Idee, doch überredet hatte sie mich zu gut. Wir taten einfach alles zusammen und um ehrlich zu sein brauchte ich ein wenig Ablenkung, denn ich war ziemlich baff, seitdem ich meine Schwester gesehen hatte.
Eilig machten wir uns auf dem Weg zur Bahn und kamen mithifle des Busses relativ problemlos an, obwohl meine Haare noch nass vom duschen waren. Harun öffnete uns die Tür, da Tarik duschen war. Laute Musik ertönte von innen. Wir gingen rein.
Plötzlich sah ich mehrere Flaschen mit Alkohol auf dem Tisch liegen, der an der Wand gelehnt wurde und es hier nach einer Vorbereitung für eine Hausparty aussah. Nein, es sah nach Hausparty aus. Verdammt, mehrere Menschen tanzten und schrien wie Idioten.
"Du scheiß Hoe, shishan?", sah ich aufgebracht zu Selma, die kicherte und mich ins Wohnzimmer zog.
"Man Selma!",versuchte ich mich von ihr wegzureißen, doch sie zog mich nur mit sich zu dem Tisch und drückte mir eine ganze Alkoholflasche in die Hand.
"So Hayat, jetzt schalt mal ab. Ich verspreche dir, dass es dir dann wieder gut gehen wird. Sei keine Spaßverderberin und tu es für mich", küsste sie mich auf die Wange und nahm einen Schluck.
"Komm schon. Was soll denn bloß schief gehen?", lachte sie.
Ich zögerte. Einmal ist keinmal. Verdammt, nein. Ich bin nicht die Vernünftigste, aber ich kann nicht einfach lostrinken, um den Kummer zu vergessen. Ich hab versucht mir den Ruf zu retten, doch Selma beeinflusste mich wirklich sehr.
Kurz huschten meine Blicke zu ihr, wie sie mich erwartungsvoll ansah.
"Ausnahmsweise", verdrehte ich genervt meine Augen, schloss diese und trank einen großen Schluck vom hochprozentigen Alkohol. Es dauerte keine Minute, mein inneres betäubte sich mit dem Gift und schon spürte ich, wie meine Hormone einen Chaos bildeten. Erneut legte ich die Flasche an meinem Mund und schluckte den Gift in mir, was ein kurzes Brennen im Hals verursachte.
Immer wieder, ohne jegliche Gedanken, ohne überhaupt zu Selma zu schauen, nahm ich den Alkohol zu mir. Ich kam aus der Sucht nicht mehr raus.
"Lass tanzen", schrie sie und zog mich zu den Leuten. Die meisten steckten sich die Zunge in den Hals.
Ich wechselte von traurig auf überglücklich und tanzte zur Musik. Der nicht allzu große Raum füllte sich. Plötzlich zogen mich bekannte Arme nach hinten und rasch fiel ich auf die Person drauf. Tarik.
"Du hier?", grinste er mit leicht nassen Haaren. Er roch so gut.
"Ja", kicherte ich und legte meine Hand auf seine Brust. Obwohl ich schon auf seinem Schoß saß, zog er mich näher zu sich und strich meine Haare zur Seite.
Unerwartet näherten sich seine Lippen meinem Hals. Leichte Küsse berührten meinen empfindlichen Hals. Gänsehaut umhüllte mich, doch ich tat nichts dagegen, sondern genoss seine Berührungen.
"Lass in mein Zimmer", flüsterte er und hinterließ einen Kuss an meiner Wange. Mit seiner Hand zog er mich mit sich und schloss die Tür. Die Musik war kaum zu hören, sodass es ruhig zwischen uns wurde. Das dachte ich zumindest, denn er zog mich auf sein Bett und stützte sich über mich.
"Du siehst so heiß aus", hauchte er und näherte sich mir.
Wie aus dem Nichts küsste er mich so wild wie nie. Seine Hände berührten meine Brüste, die zum Glück unter meinem Shirt lagen. Zum Kuss massierte er diese und ich? Ich explodierte innerlich förmlich. Herz gegen Verstand. Ich verlor diesen Kampf. Meine Hormone spielten verrückt. Er war äußerlich so perfekt. Seine Schönheit brachte mich aus der Fassung. Er küsste mich.
Mein Magen kitzelte, als ich ihn eng an mir spürte.[..]
Mir wurde heiß. Verdammt, ich lag in Unterwäsche vor Tarik-Al-Sayd. Wir hatten uns geküsst und er hatte mich überall berührt.
Wie aus heiterem Himmel setzte ich mich aufrecht hin. Da ich noch angetrunken war, konnte ich nicht klar handeln.
"Du mieses Arschloch, was hast du dir dabei gedacht mich auszunutzen, nur weil ich getrunken hab?", schrie ich laut.
Laut lachte er auf und stellte sich vor mich hin.
"Du bist so naiv Hayat. Denkst du wirklich, dass ich dich ficken wollte?", fragte er amüsiert.
"Nach was sah es denn sonst aus?!", schrie ich und sah erst jetzt, dass ich in Unterwäsche vor ihm stand. Scheiß Dreck aber auch.
Rasch suchte ich nach meinen Sachen und nahm sie zur Hand.
"Du dückst dich, ich entzück mich", grinste er und sah in meinen Ausschnitt. Schnell zog ich mir mein Oberteil an, was zum Glück lang genug war, um alles zu verdecken.
"Du bist das letzte Tarik. Fick dich."
"Du bist die naivste Hayat. War schön dich mal näher kennenzulernen."
"Und ja, ich wollte dich eben ficken. Schlampe."
Weiter hielt ich es nicht mehr aus, sondern klatschte ihm eine. Wie fest ich nur konnte.
"Lass mich und Selma in Ruhe. Du bist so ein Bastard Tarik. Ich hoffe du bekommst durch deine Huren Aids."
Fassungslos schüttelte ich meinen Kopf, knöpfte meine verdammte Hose zu und knallte seine Tür zu. Dadurch, dass ich angetrunken war, konnte ich mich nicht auf Beinen halten. Ich schaffte es gerade noch bis nach draußen und setzte mich auf ein Bordstein, weiter entfernt von der Wohnung.
Verzweifelt über meine Lage, über das Geschehen fing ich an zu weinen und schluchzte nebenbei wie verrückt. Er hatte mich verletzt. Es hatte mich zerstört, wie er mit mir gesprochen hatte, als ich alles unterbrochen hatte. Es tat weh, dass er mich als Schlampe sah. Doch der größte Fehler meines Lebens war, dass ich meine Gefühle vor ihm nicht unter Kontrolle bekam. Es klang wie ein Scherz, doch ich hatte Tarik-Al-Sayd ins Herz geschlossen. Ich hatte mich verliebt. Ich hatte mich in Tarik-Al-Sayd verliebt, in einen Player.
Beinahe hätte ich vor Liebe mit ihm geschlafen.  Wie konnte ich nur so arglos sein? Ich selbst hatte mich nicht so naiv wie heute erlebt, allgemein vor seiner Nähe. Ich hatte mich ihm hingegeben.
Wie kann ein Mensch sich in so kurzer Zeit in so einen schlechten Menschen verlieben? Wie? Ich hasste ihn doch, woher kamen diese verdammten Gefühle?
"Hayat?", hörte ich eine zu bekannte Stimme.
Sofort schoss mein Haupt in die Höhe.
"Abed", flüsterte ich hilflos und versuchte aufzustehen, doch er reagierte schneller und schloss mich in den Arm, nachdem er sich hinkniete.
"Abed", schluchzte ich in seine Brust und traute mich nicht in seine Augen zu schauen.
Fest umschloss ich ihn, wie er mich und weinte mich bei ihm aus.
"Was ist passiert Kleines?", flüsterte er und küsste meinen Ansatz.
Was sollte ich ihm bloß sagen und wie? Würde er es überhaupt akzeptieren? Einfach so hinnehmen?
"Hayat", wiederholte er.
"Ich will dich wirklich nicht zwingen, aber bitte sag mir welcher Hurensohn das war."
"Ich hab mich verliebt Abed", gestand ich und verfiel wieder ins Heulen.
Ruhe herrschte. Er dachte nach.
"In wen?"
"Tarik."
Seine Hände um mich lockerten sich. Sofort bereute ich es, es ihm erzählt zu haben.
"Wie konnte das passieren?"
"Ich-ich weiß es nicht. Es ist einfach passiert, dabei kenne ich ihn kaum, aber in letzter Zeit haben wir uns so oft gesehen. Ich verstehe es trotzdem nicht."
Nickend küsste er meinen Scheitel und drückte mich an sich.
"Und was ist eben passiert?"
"Er hat mich ausgenutzt, weil ich Alkohol zu mir genommen hab."
"Wie weit ging das?"
"Ich hab rechtzeitig gestoppt."
Wieder stauten mir Tränen in den Augen. War ich wirklich verliebt? Mir war so verdammt schwindelig, dass ich überhaupt nicht denken konnte und jede weitere Minute immer schwächer sah.
Wieder überlegte Abed. Ich fragte mich, woher er kam oder wieso er so früh zurück gekommen war. Er müsste doch noch etwas bleiben, soweit ich wusste.
"Lass uns in mein Auto. Wir fahren zu mir."
"Aber deine Eltern?"
"Ich wohn alleine", versuchte er zu lächeln, doch er war wütend.
Ich gab mich geschlagen und setzte mich mit ihm ins Auto. Ich vertraute ihm voll und ganz und seine Nähe ließ mir Ruhe. Ruhe von alldem scheiß Stress, den ich mir eben von Tarik geholt hatte. Ich war selbst Schuld.
Wir kamen relativ schnell an.
"Habt ihr euch geküsst?"
Schluckend nickte ich.
"Mehr war da aber nicht", ergänzte ich betrübt und folgte ihm in seine Wohnung.
Er atmete tief ein und aus. Irgendwas stimmt mit ihm nicht und da war ich mir sowas von sicher. Er war so komisch zu mir, als würde er sich nicht gut fühlen.
Ich zog meine Schuhe aus und setzte mich neben ihn. Er jedoch zog mich zu sich und legte seinen Kinn auf meinem Kopf.
"Lass deine Finger von ihm. Er ist mein bester Freund, deswegen stelle ich ihn nicht schlecht dar, aber vom Typ her seid ihr beide so verschieden. Du liebst ihn und ich hatte es am ersten Tag an deinen Blicken gesehen, aber Hayat, ich will nicht, dass dein kleines Herz so grausam verletzt wird", hauchte er.
Wieder stiegen mir Tränen in den Augen. Er war so fürsorglich, mein großer Bruder.
Meinen Kopf lehnte ich an seine Schulter und spielte mit seiner Hand.
"Abed schwör mir, dass du nicht zu seiner Sorte gehörst."
"Ich schwöre es dir Hayat. Ich werde dich niemals im Stich lassen, geschweige denn verletzen. Du hast mein Wort."
Fest schloss ich meine Augen und stoppte dadurch meine Tränen.
"Schlaf lieber. Geh auf mein Zimmer und leg dich auf das Bett.
"Und wo schläfst du?"
"Auf der Matratze unten", lachte er.
Ungewollt erinnerte ich mich daran, als Tarik und ich genau so geschlafen hatten.
"Los, komm", motivierte er mich.
Er gab mir sein Shirt und eine Jogginghose. Dazu machte ich meine Haare zu einem Dutt, steckte das Shirt in die Jogginghose, um noch normal auszusehen.
"Gute Nacht Kleines."
"Nacht", hauchte ich und schloss meine Augen.
Nichteinmal mein Bett war so bequem wie seins. Es roch nach Tariks Parfüm.
Am nächsten Morgen frühstückten wir gemeinsam.
"Wieso eigentlich wohnst du denn nicht mehr bei deinen Eltern?"
„Sie haben falsch von mir gedacht, mir für alles die Schuld gegeben und letzendlich auf die Straße geworfen. Ist halt mein Schicksal gewesen, traurig aber wahr."
Ohne jegliche Gefühle blickte ich ihn an.
"Vermisst ihr euch nicht?"
"Sie hassen mich", sprach ich verbittert.
"Wie die Pest, abgöttisch hassen sie mich."
"Selma ist kein guter Umgang für dich."
"Was habt ihr alle mit Selma?"
"Hayat die einzige Angst, die ich habe ist, dass du wegen Geld deine Ehre verkaufst. Es hat nichts mit dir zu tun, ich will dich auch nicht als Schlampe abstempeln, aber in einer Notsituation wie dieser tut man alles, um aus dem Teufelskreis rauszukommen. Selbst mit Männern schlafen."
"Ich komme zurecht."
"Wieso erzählt Selma Harun, das ihr beide hungert? Dass du dir nichteinmal die Tabletten für deine Migräne leisten kannst?"
Ich schwieg.
"Du bist so ein hübsches Mädchen Hayat. Mach dir deine eigene Zukunft nicht kaputt, du sollst eine Perspektive haben. Du hast dein Abitur, es wird Zeit sich einen Job zu suchen."
"Es ist belastend für mich."
"Lass mich dir helfen, Hayat."
Nickend half ich ihm beim aufräumen und dann schauten wir hauptsächlich nur TV.
Wir alberten herum, bis es klingelte und überraschenderweise ein Lieferant mit drei Pizzen da stand.
Nachdem er bezahlt hatte grinste er mich an.
"Du kannst Gedanken lesen", umarmte ich ihn wie ein glückliches Kind und nahm auf dem Weg die Spriteflasche mit.
Gemeinsam aßen wir wie zwei Hungernde die Pizza und tranken von der Flasche. Nachdem wir satt waren wurde es für mich Zeit nach Hause zu gehen, doch er hielt mich ab.
"Bleib bitte."
"Aber Selma?"
"Ich sag Harun, das er sie bei sich übernachten lassen soll."
"Lass bisschen raus und so", lächelte er.
"Okay und so", stand ich auf und nahm mir meine Khakigrüne Jacke.
Ich war immernoch in seiner Chillerkleidung, doch es war sowieso schon dunkel, also was solls.
Er legte seinen Arm um mich, als der kühle Wind uns negativ beeindruckte.
"Dealst du eigentlich noch?", sah ich hoch zu ihm.
"Ja."
"Tarik auch?"
"Ja, aber naja wir machen das, um uns zu finanzieren. Mit einem Hauptabschluss ist es nunmal nicht einfach einen Beruf zu finden, indem du viel Kohle machst. Beim Dealen verdient man viel."
"Ehrlich gesagt bereu ich es auf die Schule geschissen zu haben", hauchte er leise.
Ich nickte nur.
"Was ist denn mit deiner Familie?"
"Das ist kompliziert. Ich bin ausgezogen, weil es unerträglich dort war. Klar lieben wir uns, aber ich bin halt nicht der Vernünftigste und ja", lachte er den Schmerz weg.
"Meine kleine Schwester ist vor vier Jahren ums Leben gekommen", flüsterte er plötzlich, was mich zum Stehen brachte und seine Worte nochmal in mir durchgingen.
"Sie ist gestorben?", fragte ich leise nochmal wie aus einer Schockstarre herausgepresst.
"Es war ein Bastard, der ihr in den Kopf geschossen hat. Wir waren in der Türkei, um Urlaub zu machen, doch dann."
"Wie alt war sie?"
"Fünf, ein unschuldiger Engel war sie und mir hat jemand noch nie so bedeutet wie sie."
Selbstverständlich zog ich meine Arme und legte sie um seinen breiten Körper.
"Mein Beileid", flüsterte ich und spürte, wie er seinen Kinn an meinem Kopf ablehnte und wir beide in dieser Stellung blieben.
"Wegen ihr war ich in der Türkei, aber es wäre blöd, wenn ich dir am Flughafen in den letzten Minuten das so erzählt hätte. Ich bin früher zurück, weil die Jungs auf mich so lange gewartet hatten."
"Sie liegt also in der Türkei", schlussfolgerte ich leise.
Wie hart muss es für ihn gewesen sein.
"Weißt du, ich habe das Gefühl, das es einer unserer Feinde war, aber das konnte ich schlecht meinen Eltern sagen. Es ist hart und schwer durchzustehen, denn sobald wir neue Feinde haben, töten sie wichtige Menschen in unserer Umgebung und einer davon bist du."
Wie aus heiterem Himmel wurde mir schwindelig und übel. War das ernst gemeint? Wollte er mir auf indirekter Art nur klar machen, dass ich das nächste Opfer seiner Feinde sein konnte? Ich jeden Moment sterben könnte? Mir fielen die Szenen ein, als ich mit Tarik war und und ein Auto beobachtet hatte. Sie kannten mich, sie kannten mein Gesicht.
"Aber ich werde dich beschützen. Es ist nunmal, so wie es ist."
Wie soll es denn sein? Waren sie nicht selbst Schuld, das mich die Feinde gesehen hatten?

Verliebt in ein VerbrecherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt