Lesenacht Teil 1
"Grüß Harun und Tarik von uns."
Meine Blicke sahen nach rechts. Das Auto hatte angehalten, die Fenster waren unten. Plötzlich fuhr es weg. K Y 2455.
"Selma!", kreischte ich und lief auf sie zu.
"Hey Selma!", schrie ich und rüttelte an ihr.
"Verdammt Selma! Ich brauch Hilfe", sprach ich frustriert und ein Mann kam zugelaufen auf uns zu.
"Ich rufe einen Wagen", sprach er und ich nickte hastig.
"Selma wach auf mein Schatz. Los steh auf, du lebst. Es ist alles gut", redete ich mit irres Zeug selbst ein und drückte ihren plötzlich so kühlen und blutigen Körper an mir.
"Selma bitte. Mein Schatz steh auf. Der Wagen kommt", flüsterte ich und vergoss keine Träne. Ich war so geschockt, dass ich nichteinmal weinen konnte. Ich begriff die Lage einfach nicht. Eine Schockstarre.
"Selma!", kreischte ich nun und schloss meine Augen. Meine Lippen küssten ihre Stirn.
Der Mann lief auf mich zu und legte seine Hand auf die Schulter.
"Lassen Sie mich mal dran. Ich helfe Ihnen", sprach er ruhig und ich tat dies sofort. Es ging um Leben und Tod. Ich hörte Sirenen und sah zum Himmel. Allah, ich hab soviele Sünden begangen, aber bitte rette meine Seele, meine Schwester. Ya Allah, ich glaub an dich, rette sie.
Es ging alles so schnell. Zwei Sanitäter untersuchten sie, versuchten sie wiederzubeleben und ich stand da, mit weit aufgerissenen Augen, wie eine Verrückte, die sich so komisch fühlte. Die garnicht wusste, was geschehen war, da alles so schnell geschehen war. Selma wird überleben, redete ich mir ein. Sie schafft es.
Der Sanitäter fasste an ihrem Hals, um ihren Puls zu messen und schüttelte seinen Kopf.
Mittlerweile standen große Massen an Menschen um uns herum und sahen zu.
"Und?", fragte ich zitternd und verlor eine Träne.
"Sie lebt doch oder?", piepste ich und schluckte.
"Es tut mir Leid", sprach er und ich zog meine Augenbrauen zusammen.
"Sie lügen! Selma!", schrie ich und kniete mich zu ihr. Erneut legte ich ihren blutigen Kopf auf meinen Schoß und versuchte irgendwas zu tun, doch die Sanitäter versuchten mich von ihr zu lösen.
"Lasst mich los!", schrie ich weinend und schmiegte sie an mir.
"Selma", weinte ich und versuchte damit klarzukommen. Tod. Sie war tot. Eine Leiche. Ein lebloser Körper ohne Seele.
Schmerzhaft schluchzte ich und hielt mein Shirt gegen ihre blutige Wunde.
"Bitte macht was. Sie ist nicht tot", sah ich zum Sanitäter, der hoffnungslos den Kopf schüttelte.
Sie nahmen ein weißes Tuch. Zwei Polizisten zerrten mich von ihr, doch ich griff wieder nach ihr.
"Selma!", krächzte ich und fiel auf die Knie.
Zusehend, wie meine beste Freundin von einem weißen Tuch bedeckt wird. Es war mir sowas von egal, was die Menschen um mich herum dachten, ich starb gerade Stück für Stück. Allah hat mir meine Schwester genommen, ein Teil meines Lebens. Wie unrealistisch. Damals hatte ich nichteinmal den Gedanken daran, dass meine beste Freundin sterben könnte. Mein Körper war wie betäubt, dass ich mich nicht zwingen konnte, aufzustehen, sondern entsetzt zu einer Leiche hinzustarren musste, dessen Körper nun mit einem weißen Tuch bedeckt war. Wie pietätlos. Sie ließen sie auf dem eiskalten Boden liegen. Kein Wunder, das ihr Körper so kalt war.
Ich startete noch einen Versuch, ignorierte die Polizei und kniete mich zu Selma.
Fassungslos legte ich mein Gesicht in meine Hände und weinte. Allah, lass es ein Traum sein. Die Polizei sah, dass ich nur saß und tat nichts dagegen. Ich hingegen zog meine Strickjacke aus und legte diese über das weiße Tuch, wenigstens bisschen Wärme soll sie gewinnen, mein unschuldiger Engel.
Bestürzt legte ich meinen Kopf auf die Strickjacke, der sich auf ihrem Oberkörper befand.
"Du bist schwanger Selma. Du bist schwanger", weinte ich nun um das Doppelte. Allah schenk mir Kraft. Ich bekam Schwindelgefühle. Fest verankerte ich unsere Hände miteinander und küsste ihre kalt Hand. Unauffällig griff ich nach ihren beiden Händen und wärmte diese zwischen meinen.
"Selma!!!", kreischte ich und sah zum Himmel.
Ich verlor all die Kraft. Die Sanitäter halfen mir beim Aufstehen und setzten mich in den Wagen. Sie gaben mir Wasser, versuchten mit Mut zu machen, doch ich beobachtete von Weitem nur die Leiche. Die Polizisten untersuchten den Ort, taten jedoch nichts an Selma.
"Kann ich Sie was fragen?", fragte ich den Sanitäter.
Er sah zu mir. Mit verweinten Augen sah ich in seine und Wut staute sich in mir.
"Wieso haben sie nichts getan, auch, wenn sie schon tot war?", fragte ich bissig und verlor wieder Tränen.
Tränenüberströmt schloss ich meine Augen und schluchzte wie eine Verrückte. Ich wünschte es keinem Feind, jemand wichtiges zu verlieren. Sie war meine Familie, die ich nie hatte. Sie war schwanger. Sie war so glücklich. Harun würde zerbrechen. Wir beide würden zerbrechen. Ich könnte niewieder mehr mit ihr reden. Sie wird niewieder mehr ihre wunderschönen Augen öffnen. Niemals könnte ich ihr verrücktes Lachen hören. Es gab niemanden mehr, mit dem ich reden könnte. Harun hatte seine Freundin, seine große Liebe verloren. Er würde es nicht aushalten, er würde nur verrückt werden. Mein armer Engel ist tot, ihr Herz schlägt nicht mehr.
Mittlerweile war eine halbe Stunde. Die komplette Straße wurde gesperrt. Ein Leichenwagen kam und es war soweit.
Ich versuchte mich ihr zu nähern, doch die Polizei hielt mich ab.
Das erste was ich sah war Blut, als das weiße Tuch entfernt wurde. Blut, nur Blut. Ihr Gesicht war komplett geschädigt, ihr Körper zerstört. Weinend sackte ich zu Boden und war innerlich sowas von am Ende. Eine Leiche, eine verdammte Leiche und das ist die Leiche meiner besten Freundin. Sie wurde fortgetragen.
"Hayat?!", hörte ich in der dunklen Nacht hinter mir, doch saß weiterhin hingekniet zu Boden und sah zu Boden. Meine Hände waren ebenfalls am kalten Boden gestützt. Ich fühlte mich elend.
Er packte mich von hinten, doch ich schlug seine Hände aggressiv von mir weg.
"Lass mich in Ruhe!", schrie ich Tarik ins Gesicht und stand auf.
"Ihr habt meine beste Freundin umgebracht verdammt!", schrie ich weinend.
"Ich hasse mein Leben! Mir wurde meine beste Freundin genommen!"
Ohne weiteres gesagt zu haben, umarmte er mich stürmisch und ich weinte. Er hielt mein komplettes Gewicht, da ich wieder kurz vor Ohmacht war.
Laut schrie ich und ließ meine komplette Wut und Trauer an ihm heraus.
"Lass uns nach Hause Hayat. Es ist so kalt, du hattest Fieber und bist grad im Shirt."
Mein Blick huschte zu meinem Cardigan, der auf der Straße lag. Der Cardigan, den ich gerade noch über Selma gesehen hatte, um sie zu wärmen. Ich nahm ihn mit und stützte mich bei Tarik.
Meine Beine zitterten sowas von stark, dass ich nicht gehen konnte. Es fiel mir so schwer zu gehen, als würd ich durch Matsch marschieren.
Er hob mich hoch und trug mich in die Wohnung. Scheiße. Kader. Sie weinte schrecklich. Schnell kümmerte sich Tarik um sie und legte sie in dem Laufwagen.
Danach setzte er sich neben mich und nahm meine Hände in seine.
"Willst du mir erzählen, was passiert ist?"
"Selma wollte gehen und ich bin wegen der Post mitgekommen. Sie wurde so gefährlich angefahren, dass sie meterweise von der Stelle geschleudert wurde und ich hab es so richtig gehört, dass die Hälfte ihrer Knochen gebrochen sind. Die Autofahrer", murmelte ich am Ende. Ich weinte wieder in Strömen.
"Was ist mit den Fahrern?", fragte er ein wenig nervös.
"Sie haben gesagt, ich soll dich und Harun von denen grüßen. Die haben Selma mit Absicht mit so hoher Geschwindigkeit angefahren. Sie war schwanger und ist tot", flüsterte ich und wurde in die Arme genommen.
"Kannst du dich an etwas erinnern? An deren Gesichter oder an das Auto?"
Sofort schoss mein Haupt in die Küche und ich überlegte.
Tariks Sicht:
"K Y 2455",sprach sie.
"Schwarzer Bmw, ein älteres Modell", erinnerte sie sich und ich wurde wütend. Ich wusste, von wem sie sprach und ich würde töten. Diese Hurensöhne haben ihr ihre beste Freundin, mir meine kleine Schwester und Harun seine Liebe genommen. Meine Fäuste zitterten und ich versuchte meinen Atem in Kontrolle zu bekommen.
Es war eine Stunde vergangen und sie hat keines Weges aufgehört zu weinen. Es zerbrach mir das Herz und um ehrlich zu sein musste ich selbst weinen, Selma verloren zu haben. Sie war so ein lebensfroher Mensch und sie wurde und genommen, wegen Harun und mir. Angst, dass sie mir auch noch Hayat nehmen, breitete sich in mir und ich schmiedete ihren Kopf an meine Brust.
"Geh duschen und dich umziehen", sprach ich leise, da sie noch Selmas Blut an sich kleben hatte. Nickend stand sie auf und verschwand ins Bad. Frisch aus der Dusche und neu angezogen kam sie wieder zu mir und ich machte das Essen warm. Mein Kopf brummte noch von der Feier, doch ich musste für sie wachbleiben. Es ging ihr so schrecklich und elend. Erst ihr Baby und jetzt Selma.
Sanft strich ich über ihren Rücken und gab ihr meinen Hoodie.
"Zieh den an, nicht dass du wieder krank wirst."
Nach einer Weile legte sie ihren Kopf auf meine Schulter und wir taten nichts. Jeder war in den eignen Gedanken versunken.
"Ich kann es immer noch nicht fassen, was gerade passiert ist. Ich hab alles mit meinen Augen gesehen Tarik. Alles kommt mir vor die Augen", hauchte sie und ein Stich durchzuckte mein Herz. Ihre roten Augen sahen müde zu Boden und sie zitterte immernoch seit dem Vorfall.
"Woher wusstest du von dem Unfall?"
"Ich wusste eigentlich garnichts, aber wollte früher nach Hause und habe dich dann auf der Straße gesehen."
"Was ist mit Harun? Wir sollten ihn lieber anrufen", krächzte sie. Ihre Stimme war so heiser durch das Schreien.
Wortlos zuckte ich mein Handy aus der Hosentasche und rief meinen Bruder an.
"Harun?"
"Was geht?", lachte er leicht.
"Komm zu uns. Wir müssen dir was sagen, mach bitte schnell."
"Wieso so ernst?", fragte er verwundert.
"Harun komm einfach."
Es vergingen zehn Minuten. Hayat fühlte sich etwas stabiler und kümmerte sich um Kader, die heute ziemlich vernachlässigt wurde.
Es klingelte und sie öffnete nur schwer die Tür.
"Ist grad ein Unfall da vorne passiert?", fragte er und setzte sich auf die Couch.
"Yenge wieso weinst du?",fragte er Hayat, die nichts sagte, sondern wartete, dass ich ihm beichte, dass seine große Liebe an einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist.
"Harun. Der Unfall", murmelte ich und schloss kurz meine Augen.
"Was ist mit dem Unfall?", fragte er nun lauter.
"Und wo ist Selma?"
Langsam wurde ihm klar und die Zusammenhänge bildeten einen Puzzle.
"Selma wollte nach Hause gehen. Hayat hat sie bis nach unten begleitet, aber als sie die Straße überqueren wollte, wurde sie mit hoher Geschwindigkeit angefahren und-
"In welchem Krankenhaus liegt sie?!", stand er auf und ich stellte mich gegenüber ihm.
"Harun, Selma liegt nicht im Krankenhaus. Sie ist auf der Stelle ums Leben gekommen", sprach ich die Worte hart aus mir und bemerkte, wie blass er wurde.
"Sagt mir, dass ihr mich grad verarscht", sprach er und sah zu Hayat, die ihren Kopf schüttelte und anfing zu weinen.
"Sie ist weg Harun", flüsterte sie und schluchzte tief.
"Wie? Alter, wie?!", schrie er und ich nahm in die Arme.
"Ich will sie sehen!", schrie er wütend, doch ich hielt ihm auf.
"Wir können sie jetzt erstmal garnicht sehen. Der Leichnam wurde erst vor einer Stunde abtransportiert. Die Polizisten wissen, dass es Absicht war und untersuchen gerade alles."
Tränen bildeten sich in seinen Augen und er vergoss diese lautlos.
"Einfach so weg?", flüsterte er.
Entsetzt setze er sich auf die Couch und legte sein Gesicht in seine Hände.
"Sie war schwanger. Wir wollten eine Familie werden."
"Welcher Hurensohn hat sie angefahren?! Wenn ich den packe, dann ist nicht nur er dran, sondern seine komplette Familie!", brüllte er und ich strich über seinen Rücken.
"Bruder, lass das die Sache der Polizei sein. Beruhig dich erstmal", sprach ich und zog beide in meine Arme. Auf der einen Schulter weinte meine Frau, auf der anderen mein Blutsbruder, der wirklich nie weint und jetzt wegen seiner Freundin weint. Der wegen der Liebe am Boden zerstört ist. Diese ganze Nacht über weinten sie in meine Arme, während ich den starken spielte und all diesen Schmerz in mich hineinfraß. Wir dachten an Selma, beteten für sie. Etwas anderes blieb uns nicht übrig. Schließlich war sie nun bei Allah. Es konnte nichts mehr getan werden, wie ein Schlussstrich. Andererseits traf es uns so plötzlich, dass keiner von uns so richtig realisiert hat beziehungsweise die Sache verdaut hat. Hayat hatte ich teilweise gezwungen, schlafen zu gehen, da sie total schrecklich vom Weinen aussah. Harun war gegangen, da ihre Familie vom Unfall erfahren hatte und er sie trösten wollte. Kader war wach, lag auf meiner nackten Brust, während ich über ihren zierlichen Rücken strich und mit ihr kuschelte. Dieses Kind war mir so ans Herz gewachsen, einfach wie mein Kind. Alles würde ich für sie geben.
In Gedanken an heute schlief ich nur schwer wieder ein.
Da ich heute vormittags arbeiten musste, ging ich arbeiten und kam um 15 Uhr nach Hause. Hayat war bereits wach und war am kochen. Anscheinend hatte sie mich nicht bemerkt, weswegen ich sie von hinten umarmte und sie sich an den Tresen stützte.
"Was los?", brummte ich.
"Fieber", sagte sie leise.
Es herrschte Stille. Sie sprach kaum.
"Was hast du heute so gemacht?", fragte ich sie.
"Bin erst seit einer Stunde wach, nichts besonderes."
Sie stocherte in ihrem Essen rum, als wir uns fürs Essen an den Tisch setzten.
"Ich wurde heute angerufen. Es war die Mutter von Selma. Auch wenn sie keinen guten Draht zueinander hatten, war sie so schlimm am weinen. Sie kümmern sich um die Beerdigung, die wahrscheinlich übermorgen stattfindet."
Wissend nickte ich.
Ihre verweinten roten Augen sahen in meine.
"Wer hat sie angefahren?"
"Das ist erstmal mir überlassen. Lass die Beerdigung stattfinden, dann klären wir es."
"Ich hab ein Recht darauf zu wissen, welcher Bastard so kaltherzig ist und sie angefahren hat", zischte sie nun wütend und legte ihr Besteck wütend beiseite.
"Hayat bitte. Es ist echt kein guter Zeitpunkt."
"Hast du Harun gestern erlebt? Wie kaputt er war?", wurde sie laut.
"Sag es mir verdammt, ich weiß, dass du es weißt!"
"Hayat versteh mich", versuchte ich mich zu verteidigen. Sie war dem Weinen nahe und das wegen mir.
"Es ist besser, wenn ihr es danach erfährt. Jetzt ist alles viel zu früh. Glaub mir, ich möchte nicht, dass euch soviele Nachrichten aufeinmal überschütten."
Sie schwieg daraufhin, stand auf und verließ die Küche. Im Schlafzimmer tauschte ich mein Hemd gegen ein Poloshirt und eine Jogginghose. Ich beschloss Harun anzurufen, um nach ihm zu fragen. Es ging ihm erbärmlich. Er war zuhause und meinte, er würde selbst klarkommen. Er wollte allein sein und ich beließ es auch dabei.
Im Wohnzimmer entdeckte ich Hayat und Kader und setzte mich zu ihnen.
"Tarik sag es mir bitte", flüsterte sie und sah nach vorn.
"Hayat versteh mich. Ich kann nicht. Lass ein paar Tage warten, bis sich alles gelegt hat."
Plötzlich sah ich auf meinem Display ein Bild, was wohl die Reporter gemacht hatten. Ein Bild vom Unfall, wie über dem Leichnam ein weißes Tuch lag und Hayat daneben hingekniet saß. Ihr Gesicht in ihre Hände vergraben. Wut staute sich in mir. Sie konnten doch nicht ernsthaft im Internet dieses Bild laden.
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Verliebt in ein Verbrecher
RomanceHayat und Tarik, auch Bonnie und Clyde genannt. Hayat ist ein beneidenswertes und hübsches Mädchen, Tarik ein Krimineller, ein Player. Zwischen ihrer Liebe liegt ein Geheimnis. Ein Geheimnis, was einen enormen Effekt in die Beziehung bringt. Hayat i...