Kapitel 29

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"Lass mich los!", schrie ich und zog meine Augenbrauen zusammen.
"Yenge man!", schrie Harun und sah mir wütend in die Augen.
"Wir suchen dich schon seit Stunden! Komm gefälligst nach Hause!"
"Du hast mir nichts zu sagen Harun, reingarnichts. Immerhin hat dein bester Freund verschissen, nicht ich?!", spuckte ich regelrecht aus mir und drückte Yavuz enger an mich, der mittlerweile weinte.
"Erzähl es ihm nicht."
"Sag mir wenigstens wo du bist. Ich sage ihm kein Wort. Ich will nur, dass dir nichts passiert", sprach er besorgt. Er ließ meinen Handgelenk immernoch nicht los.
"Yenge bitte."
"Harun chill, ich bin heute erst abgehauen, schon schiebt ihr so eine Welle!", sprach ich verdutzt.
"Er ist unnormal am Boden Yenge. Er stirbt vor Sorge."
"Das juckt mich nicht", log ich, obwohl ich Mitleid empfand.
"Sag es mir. Ich verspreche es dir, dass er nichts erfährt."
"Im Hotel hinter Karstadt", sagte ich kleinlaut und er ließ mich los.
Plötzlich lief er weg.
"Harun!", schrie ich mitten durch die Innenstadt, doch er war weg.
"Scheiße!", murmelte ich, denn ich könnte wetten, dass er es Tarik sagen würde.
Schnell legte ich meinen Sohn in den Kinderwagen hinter Kader und ging zum Hotel, der etwas weiter weg war und ich durch die große Stadt laufen musste. Schweratmend ging ich ins Zimmer und schloss die Tür auf.
"Mama."
"Warte Kader. Gleich mein Schatz", flüsterte ich und fing an panisch meine Sachen zu packen. Ich verlor viel Zeit, doch ich schmiss alles regelrecht in den Taschen. Alles war gepackt, nur hatte Yavuz schrecklichen Hunger und in der Kälte würde ich ihn, vorallem nicht draußen, stillen. Seufzend stillte ich ihn und beobachtete Kader, die durch den Raum krabbelte und die ganze Zeit wie eine Verrückte lachte. Sogar in so einer Situation brachte mich mein Engel zum Lachen.
Es klopfte meine Tür.
"Frau al-Sayed?", hörte ich.
"Ja?", fragte ich, doch blieb auf dem Bett wegen Yavuz sitzen.
"Sie haben etwas verloren und es wurde zur Rezeption gebracht, eine Kindermütze, die ihnen gehören soll", sprach der Mann.
"Moment!", rief ich und richtete meinen Bh wieder in Ordnung. Nachdem ich mein Shirt runtergezogen hatte und Yavuz auf meine Schulter für sein Bäuerchen legte, öffnete ich die Tür und lächelte den Mann an.
"Wo ist die Mütze?", fragte ich verwundert, als er nichts tat.
Doch plötzlich kam ein allzu bekanntes Gesicht und ich machte einen Schritt nach hinten. Tarik. Harun hatte mich verraten.
Sofort sah ich zu beiden und mir wurde durch den Mann klar, dass Tarik ihn erpresst hatte.
"Tut mir wirklich Leid", konnte ich nur trocken von mir geben. Er nickte nur ein wenig traumatisiert und verschwand. Bitte, er ruft nicht die Polizei an.
"Was willst du hier?", fragte ich hauchend und stotternd. Meine Angst wurde so groß. Unglaublich. Ich fürchtete mich vor meinem eigenen Ehemann, der mich normalerweise schützen sollte.
"Hayat bitte. Wir müssen reden", sprach er nervös und schloss die Tür.
"Nicht!", schrie ich, doch er nahm den Schlüssel heraus und steckte sich diesen in seine Jackentasche. Mittlerweile stand ich am anderen Ende des Flurs, gemeinsam mit Yavuz und Kader. Yavuz legte ich in den Maxicosi und Kader gab ich ihre Trinkflasche, damit sie nichts mitbekommt.
"Verzieh dich Tarik", kam aus mir und ich drückte mich fest an die Wand.
Tränen sammelten sich in meine Augen und ich wurde wieder schwach. Er hatte mich vergewaltigt, mich ausgezogen, mich schikaniert, mich beleidigt. Er ist so rücksichtslos in meine Intimsphäre eingedrungen. All diese Gründe könnten ihm bei der Polizei ordentliche Probleme machen. Wegen ihm sind meine Handgelenke, mein Hals blau und mein Unterleib zerstört. Meine Psyche ist kurz vor dem Ende. Ich hatte die Worte von der letzten Nacht nicht vergessen, die er vor sich hingemurmelt hatte. Ich hatte reingarnichts vergessen und das würde ich auch niewieder mehr im Leben tun.
Zielgerecht näherte er sich immer mehr und ich bekam so schlimme Angstzustände, das ich viel zu viel zitterte und kein Wort über meinen Mund rutschte. Meine Tränen fanden ihren Lauf und ich hauchte:"Tu mir bitte nichts."
Eine brennende Träne fuhr über meine Wange und er blieb augenblicklich stehen.
"Hast du Angst vor mir?", fragte er leise, mit einem Hauch Nervosität und Reue.
Mit einer Lüge dahinter schüttelte ich den Kopf und presste meine Lippen fest zusammen, denn die Schluchzerei solle ein Ende finden.
"Ich-
"Ich will mit dir nicht reden Geschweige denn dich angucken. Ich sag es zum letzten Mal, zisch ab und lass mich", sprach ich ruhig und sah zur Seite.
"Hayat-
"Nein, nichts Hayat. Du hast es zu weit getrieben und brauchst dich nicht zu entschuldigen. Sowas ist nicht zu verzeihen. Du hast meine Vergewaltiger umgebracht, willst du dich nicht umbringen, weil du auch ein Vergewaltiger bist hm? Willst du dich nicht umbringen, weil du deinem angeblichem Mädchen wehgetan hast?!", schrie ich am Ende und Yavuz zuckte zusammen.
"Geh und trete nicht nochmal unter meine Augen. Verpiss dich", versuchte ich mich zu beherrschen.
Die Liebe ist eine Krankheit und keine Therapie hilft dagegen, nur die Person, die du liebst, kann es heilen.
Mir kam es so vor, als würde sich mein Körper plötzlich so unangenehm in seiner Nähe fühlen, als wolle mein Körper verschwinden.
"Bitte hör mir zu, nur zuhören. Eine Minute Askim, eine Minute", flehte er.
Plötzlich kniete er sich vor mich und nahm meine Hände.
"Ich flehe dich an Hayat. Hör mir bitte zu", sprach er bettelnd und drückte meine Hände.
Leicht nickte ich nur und entzog meine Hände, da mir wieder die Tränen in den Augen stiegen und ich mich zur Seite umdrehte und auf den Tisch zuging. Nun saßen wir beide uns gegenüber und ich bemerkte, durch seine Stille, das er sprach los war.
"Jetzt oder nie. Ich hab nicht immer Zeit", versuchte ich so kalt wie möglich zu klingen und sah zu meinen Händen. Wieso muss ich so sensibel sein und bei jeder scheiße heulen? Wieso nur?
"Ich war so besoffen und ich habe den größten Fehler meines Lebens gemacht Hayat. Ich bin ernsthaft gestorben, als ich mich erinnern konnte. Ich bin so ein Bastard, dass ich dir sowas angetan habe. Ich weiß garnicht, was ich sagen soll oder wie ich das in Ordnung bringen soll. Es tut mir so scheiß Leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war, wirklich. Ich kann es nicht zurück drehen. Hayatim", kurz seufzte er.
Er sah meine Tränen, die stumm herunterkullerten.
"Weißt du eigentlich, was du mir zugefügt hast Tarik? Ist dir überhaupt klar, was du mir angerichtet hast?", fragte ich fassungslos und hielt meine Hand in die Höhe, als er was sagen wollte.
"Ich kann nicht mehr richtig schlafen und habe so schlimme Angstzustände. Ich fühle mich wie damals Tarik und ich vertraue dir kein Stück mehr. Nichteinmal einen Prozent."
Er sah zu meinen Handgelenken, die halbwegs blau waren.
"Du hast meine Hände zugebunden, mich beleidigt und schikaniert, gezwungen Sachen zu tun, die ich nicht wollte. Du hast mich wie eine Nutte ausgenutzt. Du warst besoffen, aber ein Betrunkener würde sowas niemals tun und das garantiere ich dir, vorallem nicht du. Erinnerst du dich an deine Worte von gestern Tarik? Ich zitiere "Du stillst nie meine Bedürfnisse. Ich hab die letzten Tage gefickt." Du hast eins zu eins diesen Satz gesagt und glaub mir, ich will wirklich nicht wissen, was du Abends während unseres Streites getan hast. Du bist so tiefgesunken vor meinen Augen, ich will dich einfach nur verlassen, denn sowas hab ich nicht verdient", spuckte ich aus mir und sah mit glasigen Blick in sein scheiß Gesicht.
"Ich würd dir so gern einfach nur ins Gesicht zu spucken, aber du bist meine Spucke nicht wert."
Das saß.
"Ich hasse dich seit dieser verdammten Nacht. Du hast mich zerstört, mir tut jede verdammte Stelle weh. Aber Tarik merk dir eins. Ich werde dir niemals mehr vertrauen können. Du warst mein Beschützer, der mich schützt, aber du hast jede Hoffnung in mir zerstört. Mag sein, dass ich kein starkes Mädchen bin, aber eine Vergewaltigung ist das Schlimmste, was einem Mädchen je passieren kann. Du könntest mich schlagen, mich beleidigen, aber nicht sowas. Nicht so eine verdammte Scheiße abziehen?!"
Wütend stand ich auf, dass sogar der Stuhl nach hinten kippte und schnappte mir Yavuz und danach Kader. Davor warf ich beide Taschen über meine Schulter. Auch er stand auf und sah zu mir.
"Auf nimmer Wiedersehen Tarik-al-Sayed."
Schnell verließ ich das Zimmer und lief die Treppen herunter, obwohl es mir so schwer gelang beide zu halten.
"Yeter!(es reicht)", schrie er hinter mir und packte mich an meine Schulter. Grob drehte er mich zu sich. Die Menschen sahen uns empört an. Erst war es ruhig, doch dann tuschelten sie.
Er zwang mich regelrecht aus dem Hotel und nahm mir Kader ab. Beim Auto angekommen schmiss er die Taschen in den Kofferraum und setzte die Kinder in ihre Sitze.
"Was tust du da? Lass uns!", schrie ich, doch er schubste mich nach vorn und schloss ab, nachdem er sich reinsetzte. Zu schnell fuhr er irgendwo im Nirgendwo hin, wo er im Dunkeln parkte.
"Steig aus."
Ausgestiegen stand ich nun ihm gegenüber. Nur eine schwache Lampe, die über uns leuchtete und keine einzige Menschenseele.
"Hayat", zitterte er plötzlich so stark. Seine Atemzüge waren so laut und so schnell. Er verhielt sich so dermaßen seltsam. An seinem Hals zeichneten sich die dicken Adern und sein Kiefer war so angespannt, dass man es von außen sah.
"Ich komme nicht mehr klar verdammt. Ich komme nicht darauf klar, was ich dir angetan habe und ich hasse mich dafür, dich so verletzt zu haben."
Tränenüberströmt blickte ich ihm ins Gesicht. Seine Hände gelangen zu meinen Wangen und er bückte sich zu mir.
"Hör auf. Ich flehe dich an hör auf", hauchte er und ihm entwich eine Träne.
"Hör auf wegen mir zu leiden. Ich hasse mich mittlerweile sowas von Hayat. Ich bin so ein verfickter Hund, ich hab so scheiße gebaut", hauchte er weiter und mir wurde schwindelig.
Erneut entwich ihm eine Träne und ich legte meine Arme um ihn.
"Wein doch nicht",wimmerte ich in seiner Brust und er schluchzte.
"Ich hab Niemanden Hayat. Ich bin allein und will dich nicht verlieren. Verdammt, ich bettele dich an, verlass mich niemals Hayat. Ich habe Niemanden, keine Familie, nichts. Ich bin Einzelgänger. Ich bin allein", wiederholte er und ich weinte so stark wegen seinen Worten. Er war so schwach. So verdammt schwach. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Ich kannte diese Seite an ihn garnicht.
"Verlass mich nicht Hayatim, ich habe Niemandem", flüsterte er in meiner Schulter.
Er hielt sich in Kontrolle und tat so, als würde er nicht weinen, doch ich spürte seine Tränen auf meinem Oberteil.
"Niemals Tarik. Versprochen", flüsterte ich und schluchzte tief.
"Es wird niemals geschehen. Niemals", versuchte ich ihn klar zu machen.
Mein Herz schlug so schnell, zu schnell und zu laut. Das Pochen in meiner Brust wurde so schlimm, dass ich mich von ihm löste und meine Hand auf die Brust legte.
"Hayat!", schrie er.
"Verdammt Hayat, was passsiert hier gerade?!", schrie er und rüttelte an mir. Alles um mich herum wurde so komisch. Mein Herz zog sich zusammen und meine Beine konnten nicht mehr mithalten, doch er fing mich auf und lief mit mir auf sein Auto zu.
Schnell setzte er mich ab und gab mir die Wasserflasche. Durstig nahm ich mehrere Schlücke. Mein Shirt war halb durchnässt, so gierig hatte ich getrunken. Doch es half mir, denn meine Atemzüge wurden langsamer und ich lehnte mich an den Sitz.
"Wir fahren jetzt sofort ins Krankenhaus!", sprach er panisch, doch ich schüttelte meinen Kopf.
"Mir geht es gut", sprach ich.
"Nein Hayat. Was war das eben?"
Kurz schüttelte ich meinen Kopf.
"Ich weiß es nicht Tarik. Es war wie Herzrasen."
Hinten blickte ich zu meinen schlafenden Kindern.
"Fahren wir einfach nach Hause."
Er nickte und ich schloss meine Augen. Mal wieder habe ich ihm verziehen, nur weil er mich wieder schwach bekommen hat. Wegen seinen Tränen, die ich zum ersten Mal erlebe. Er hat wegen mir geweint.
"Hayat?", fragte er und ich öffnete meine Augen.
"Bleib wach bitte", sprach er autoritär und ich blieb wach. Doch er parkte vor dem Krankenhaus.
"Ich will da nicht hin Tarik", murmelte ich und sah aus dem Fenster.
"Aber wieso?", fragte er nun genervt.
"Ich will nicht", zischte ich wütend.
"Nenn mir einen Grund Hayat."
"Weil die sofort meine Flecken bemerken werden, wenn die meinen Oberkörper sehen. Ich will das nicht."
Kurz schloss er seine Augen und beherrschte sich. Er war sauer auf sich.
"Hast du noch Herzrasen?"
"Nein es ist alles gut, wirklich, hadi dreh jetzt um", sagte ich kalt und er befolgte meinen Befehl. Zuhause trug ich Yavuz und er Kader mit den Taschen. Nachdem ich mich für die Nacht fertig gemacht hatte legte ich mich sofort ins Bett, aber nein, Yavuz weinte, weswegen ich aufstand, ihn nahm und mich seitlich hinlegte, sodass ich ihn im Liegen stillen konnte. Tarik legte Kader in den Nebenzimmer und als er reinkam, zog ich die Decke automatisch über meine nackte Brust. Zu meinem Pech sah er es, ignorierte meine Reaktion und holte sich seine Sachen. Meine Brüste schmerzten. Meine blaue Flecke drückten und meine Seele brannte wie die Hölle.
Du stillst nie meine Bedürfnisse.
Ich habe die letzten Tage gefickt.
Du bist nur zum Ficken gut.
Ich liebe deinen Körper.
War es wirklich nur seine Liebe zu meinem Körper? War alles wirklich nur, weil es bei ihm im Kopf um Sex ging? Vielleicht ist es wirklich alles nur wegen Sex. Aber soviel Aufwand samt Hochzeit? Damit er sein Vergnügen hat? Ist Tarik wirklich so ein Arschloch, so stark fixiert auf seine Bedürfnisse?
Er legte sich zu mir, doch ich sah ihn nicht, sondern spürte seine Blicke auf meinem Rücken. Nachdem Yavuz satt war, richtete ich mein Oberteil und musste leise stöhnen. Wieso hast du mich so fest daran gepackt Tarik. Ich stille doch. Innerlich seufzend legte ich mich hin und mir floss eine Träne entlang der Wange, die ich sofort wegwusch. Nichts war beim Alten. Nichts.
"Ich hab mit Niemandem was intimes gehabt, das war gelogen. Ich schwöre auf mich."
"Ich will schlafen. Hör auf zu reden", sprach ich mit einem Hauch Wut und schloss meine Augen. Und innerlich brannte der Satz auf meinem Herzen, wie ein neugemachtes Tattoo:Wieso hast du mir das angetan Tarik?

Verliebt in ein VerbrecherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt