Kapitel 5

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"Ausziehen?", fragte ich vorsichtig und verwirrt zugleich.
"Selma?", sah ich sie fragend an, denn sie gab keine Antwort.
Sie gab mir ein Zeichen, das ich mich zu ihr setzen solle.
"Es war nicht direkt so gemeint, aber ich hab aufgehört."
"Ich hab auch meinen Job verloren. Der Hund hat mir gekündigt."
Sie seufzte und atmete ein und aus, um sich zu beherrschen.
"Es gibt eine andere Variante. Sie ist nicht grad angenehm, aber wir könnten damit ordentlich Kohle machen."
"Die wäre?", fragte ich neugierig.
"Drogenhandel."
Ich verschluckte mich.
"Haben wir den ersten April?", fragte ich unsicher.
"Ich mein es ernst", sagte sie.
"Ich bin raus, ich mach da nicht mit. Ich hab meinen Abitur. Ich werde irgendwas schon finden", wurde ich unsicher.
"Lass es uns doch erstmal probieren. Ich kenne genug Leute und dadurch macht man soviel Geld!"
"Ist mir egal. Ich will in solche Spielchen nicht geraten. Später bin ich wirklich ein hässlicher Junkie."
"Du kommst morgen mit. Punkt."
Sicherlich würde ich nicht mitkommen. Ich ging ohne weiteres gesagt zu haben, denn ich müsste stundenlang diskutieren, um zu gewinnen und dafür hatte ich nicht einmal einen halben Nerv.
Am nächsten Morgen stand ich pünktlich auf, das hieß 14Uhr. Ich machte mich fertig und sah Abeds Pulli. Schulterzuckend nahm ich diesen zur Hand und streifte ihn über meinen Oberkörper. Abed roch echt gut.
Um ehrlich zu sein sah es auch garnicht mal so schlecht aus.
Plötzlich fiel mir ein, dass er mich heute doch abholen wollte.
"Fuck!", fluchte ich laut und schminkte mich schnell. Den Eyeliner ließ ich ausnahmsweise raus. Concealer und Mascara würden reichen, da meine Augenbrauen zum Glück die Form eines Perfektionisten trugen.
Meinen Lippen gab ich einen mattroten Ton. Ich trug oft knalles rot und es gefiel mir immer.
Wie, als könnte Abed meine Gedanken lesen klingelte es an die Tür.
"Du gehst!", rief ich vom Zimmer aus zu Selma.
Schnell schmiss ich die Schminke in die Schublade, schmiss die Kleidung ebenfalls in den Schrank und faltete meine Decke.
Ich lobte mich, ein ordentliches Zimmer in nur einer Minute zu schaffen.
"Hey Kleines", küsste er meine Schläfe und umarmte mich.
"Steht dir", lachte er, als er seinen Pulli um mich sah. Ich bedankte mich.
"Lass Kirmes", grinste er.
"Ja!", strahlte ich, doch senkte meinen Mundwinkel. Ich hatte kein Geld dabei.
"Warte du hier, ich komme", lächelte ich falsch und ging zu Selma.
"Gib mir mal Geld!", flüsterte ich aufgebracht.
"Für Kirmes", ergänzte ich und bekam 70€ in die Hand gedrückt.
"Gib das Selma zurück. Ich bezahle", hörte ich hinter mir.
"Nein. Ich zahle für mich selbst", sagte ich, ohne mich umzudrehen.
Plötzlich nahm er mir das Portmonee aus der Hand und drückte es Selma in die Hand.
"Los komm", zog er mich mit sich und ich gab mich dämlicherweise geschlagen.
"Viel Spaß euch", küsste sie meine Wange.
Schon fuhren wir Richtung Kirmes. Ich war der absolute Kirmesfreak, ein Fan von solchen Geräten, aber ich wollte nicht, dass er zahlt.
Angekommen sprang ich förmlich vom Sitz, klammerte mich an Abed und schleppte ihn mit mir mit.
"Zu aller erst holen wir uns Zuckerwatte. Das ist die Vorspeise für den Tag", grinste ich und stellte mich beim Stand mit ihm an.
"Wie ein Kind", schüttelte er lachend den Kopf.
"Ich war schon so lange nicht mehr auf Kirmes."
Nachdem ich mir volle Ladung Zuckerwatte besorgte, spazierten wir die ganze Runde bis zum Ende und überlegten dabei, welche Geräte wir als aller erst benutzen würden. Das Highlight des Tages war eines der schlimmsten Geräte hier. Abed zögerte. Er war nicht so der Typ, der sich gern schütteln ließ und mochte nicht Sachen, die ihn in die Luft schleuderten, doch ihn überreden würde ich.
Wir fuhren viele Runden Autoscooter. Um ehrlich zu sein waren hier viele hübsche Männer, doch Aufmerksamkeit schenkte ich ihnen nicht. Nachdem wir weitere seltsame Geräte probierten, stieg die Neugier, wie es sich wohl anfühlt, indem schleudernden Ding zu sitzen. Wir beschlossen zuletzt darauf zu gehen, da es wirklich brutal aussah.
Wir waren auf viele Karusselle drauf, doch es waren die meisten für kleine Kinder da.
"So Abed jetzt aber", sah ich hoch zu ihm.
"Ich muss allein beim Anblick kotzen."
"Das ist garnicht so schlimm. Man weiß nur nicht wo oben und unten ist", kichterte ich ihn seinen Oberarm, den ich hielt.
Ich zog ihn dahin und kaufte zwei Tickets.
"Stellen Sie sich bitte rechts an, damit wir sehen, dass Sie die Größe dazu haben."
Mit aufgerissenen Augen sah ich zu Abed. 1.65?!
Abed hingegen tat so, als hätte er etwas fallen lassen, kniete sich zu Boden und hob mich hoch, ein Zeichen, das ich mich auf die Zehnspitzen stellen soll.
Der Mann an der Kasse nickte mir zu. Auf Zehnspitzen ging ich davon und fing an mit Abed zu lachen.
"Glück gehabt", lachte er laut.
"Wenn du nicht mit mir drauf gehst, setze ich mich neben diesem Model da", zeigte ich auf einem Jungen, neben dem ein Platz frei war.
"Ich komme mit. Du bist mir was schuldig", grinste er. Wir nahmen uns die Plätze gegenüber von dem Jungen.
"Bin so aufgeregt", grinste ich und versuchte meine schwitzenden Hände unter Kontrolle zu bekommem, als uns eines der Arbeiter den komischen Gurt anlegte. Es war eher ein Panzeranzug, den er fest an unsere Oberkörper machte. Langsam gingen wir hoch, bis nach oben.
"Es passiert ja garnix", sprachen wir gleichzeitig.
Nach gezählten zwei Sekunden fiel das Gerät wortwörtlich zu Boden, als wäre eine Schraube locker, doch das gehörte zur Eigenschaft dieses Gerätes. Ich schrie laut. Abed hingegen war unter Schock.
"Du bist mir mehr als nur etwas schuldig", sprach er entgeistert. Ich kicherte nur und genoss es. Wir wurden langsam hin und her geschleudert, bis sich die Geschwindigkeit verdoppelte und ich wie eine Verrückte am Spieß kreischte. Abed verhielt sich wie die letzte Memme, denn er sagte dauernd, dass er seine Mutter überalles liebe.
Um ehrlich zu sein war es wirklich krass, denn man bekam kaum Luft. Nach vier Minuten endete es. Mir war schwindelig, doch ich lachte ununterbrochen.
"Das war krass", lachte ich laut. Er bejahte. Er fühlte sich so, als wäre er auf einem anderen Planeten.
Wir beschlossen zuletzte WOK Nudeln zu kaufen und sie im Auto zu verspeisen.
Im Auto angekommen aßen wir in Ruhe und danach kam er mit zu mir nach Hause.
"So Kleines, ich muss los", strich er mir durch die Haare.
"Wohin?", fragte ich verwundert.
"Paar Geschäfte erledigen. Hadi", küsste er meine Schläfe und ging. Merkwürdig.
Plötzlich kam Selma herein.
"Zieh dir eine Jacke an. Ich nehme dich jetzt mit", zog sie mich gegen meinen Willen mit.
"Ganz sicher nicht. Ich gehe nicht mit."
"Man wieso?"
"Stell dir vor das sind irgendwelche Spießer, die uns vergewaltigen?"
"Nein Schatz, das Gegenteil. Die sind alle heiß", biss sie sich lachend auf die Lippe.
"Naund? Trotzem komme ich nicht. Geh du dich ruhig vergnüngen."
"Ich will nicht allein hingehen. Komm schon, wir haben doch schon so vieles schlimmes gesehen, wieso nicht einen riskanten Versuch starten?"
Seufzend stand ich auf und zog mir die Schuhe an.
"Ich hasse dich gerade so", murmelte ich, während sie grinste und mich mit einer Umarmung erdrückte.
Spät schnappten wir uns den Bus, fuhren mit der U-Bahn zum Platz hin. Selma hatte Freunde, die dealten und wir heute zugucken müssten. Eine Art Ausbildung zum Drogendealer. Ich hatte Angst.
Sie telefonierte mit den Leuten, während ich ihr folgte.
Angekommen sahen wir eine Bande voller gefährlicher Männer, die uns umarmten und ich mich wie die letzte Schlampe fühlte. Sie hielten uns für ehrenlose Frauen.
"Wir treffen uns mit anderen Leuten und gehen zusammen dahin. Es kann gefährlich werden, deshalb bleibt ihr hinter uns, okay?", fragte einer der Jungs. Wir nickten.
Dann gingen wir erneut ein Stück spazieren. In der Dunkelheit war nichts zu erkennen. Vorallem die Gasse, in der plötzlich soviele aufkreuzten und sich vermischten.
"Wieviel gibt ihr für acht Gramm?", fragte einer.
"120."
"Wir nehmen zwölf Päckchen", sprach der andere gefährlich und rau.
"Los!", schrie jemand.
Rasch landete eine Faust auf einen Unbekannten. Ich sah um mich herum und entdeckte keine Selma.
Plötzlich zog mich jemand aus der Gasse und drückte mich an die Wand.
"Gehts dir noch gut? Was tust du hier?!", schrie mir eine bekannte Stimme ins Gesicht. Tarik.
Er nahm seine Kufiya vom Mund und drückte mich nun fester gegen die Wand.
"Weißt du überhaupt, wie gefährlich sowas ist? Verdammt rede!", spuckte er mit seinen Worten wie Feuer herum.
"Selma hat mich mitgenommen. Ich wusste das nicht, ich schwörs", stotterte ich nervös und atmete erleichtert, als er losließ.
"Was hängst du mit Leuten wie Selma ab? Du-
Plötzlich hörten wir Sirenen, die nicht weit von uns waren.
"Komm mit", nahm er meine Hand und lief los.
"Warte ich kann nicht so schnell laufen", hielt ich ihn außer Atem an, nachdem wir grad mal fünfzehn Sekunden gelaufen waren.
Ich schrie auf, als er mich über seinen Rücken fallen ließ und weiter lief.
"Bist du verrückt geworden? Woher nimmst du dir das Recht, mich zu tragen?", schrie ich laut, als er mich in sein Auto ablegte und einstieg.
"Halt die Fresse. Du verbreitest mir Kopfschmerzen du Hexe", zischte er.
"Kein Problem. Ich wollte sowieso gehen", sagte ich und öffnete die Tür. Gewaltsam wurde ich nach hinten gezogen.
"Nein. Jetzt erst recht nicht. Es ist dunkel und in der Nähe sind die alle noch. An deiner Stelle würde ich hier sitzen bleiben und die Klappe halten", sprach er rau an meinem Ohr und startete den Motor seines überteuerten Autos. Ich bekam Gänsehaut.
Er war also am Drogenhandel und alldem Drum und Dran beteiligt, ein Mitglied. Selma hatte also auf der Hochzeit Recht, er ist ein unvernünftiger Mann, Junge.
Plötzlich fuhr ein Auto an uns vorbei. Tarik sah ihn an, der Fahrer ihn. Allein beim Blicktausch erkannte ich, dass etwas zwischen den beiden nicht stimmte. Tarik raste davon und fluchte.
"Wer war das?", fragte ich ihn.
"Ein Bastard, der dich gesehen hat und denkt, dass du meine Perle wärst."
"Das heißt?"
"Dass du zu mir mitkommst, weil er sehr wahrscheinlich Pläne schmiedet und denkt, er könnte mich verletzen, indem er Menschen wie dich verletzt."
Ich bekam Bauchschmerzen. Selma du falsche Schlange, ich werde dich noch zusammen scheißen.
Bei ihm angekommen sah er sich jede Sekunde um, als würde sich jemand in unserer Nähe aufhalten. Ich trat in eine kleine, schicke Wohnung.
"Und nein, meine Familie hat alles renoviert."
"Woher willst du wissen, dass das meine Frage sein würde?"
"Viele meiner nächtlichen Besuche haben das gefragt."
Schon wieder dieser Vergleich mit irgendwelchen Schlampen.
"Das heißt nicht, dass ich dir auch so eine behinderte Frage stellen muss. Falls du mich hier wegen einer dummen Nacht verschleppt hast, sag ich dir eins, vergiss es."
Er lachte.
"Du bist so naiv", lachte er.
Er nahm mich überhaupt nicht ernst.
"Ich will zu Abed. Ruf ihn an", forderte ich ihn auf.
"Ich fahr dich zu ihm. Du bist unerträglich", sagte er und führte mich raus. Ich sagte nichts mehr, damit er seinen Plan nicht ändert, denn er tat das, was er für richtig hielt und wenn ich ihn weiterhin angeblich auf die Nerven gehen würde, würde er mich mit Absicht nicht zu Abed fahren. Er scheißte mich die ganze Fahrt zusammen, weil ich bei diesem Treffen dabei war. Er warf tausende von Argumenten gegen meinen Kopf und war wütend, wieso ich mich nachts raustraute. Blabla, es wäre gefährlich, es passt nicht zu mir blabla.
"Tarik?", sah ich ihn fragend an, als er vor einer Döneria anhielt.
"Erst essen wir was, dann", beruhigte er mich und zwang mich mitzukommen.
"Wir essen hier, such einen Platz. Ich komme gleich."
Wie letztends, als wir in der Döneria waren. Ich musste lachen, denn ich musste mich ungewollt an dem Vorfall erinnern, als ich den Mann angemotzt hatte, weil mich seine Blicke angewidert hatten.
Ich setzte mich hin, bis zwei Mädchen, in meinem Alter, auf mich zukamen.
"Bist du mit Tarik hier?", fragte sie mich und setzte sich hin.
Tarik kam dazu, so fühlte ich mich etwas besser und antwortete.
"Wie du siehst, ja", antwortete ich ebenso arrogant wie das Weib.
Sie umarmte Tarik, meiner Meinung nach zu lang. Gott sei Dank hielt wenigstens ihre Freundin ihren übermalten Mund.
"Lang nicht mehr gesehen", grinste sie und küsste plötzlich seine Wange.
"Wer ist das?", fragte sie ihn und zeigte auf mich.
"Uninteressant", lächelte ich verschmitzt.
"Leg dich nicht mit mir an", sprach sie verärgert, machte ihren Becher auf und schüttete die Flüssigkeit über mich.
Zum unpassenden Moment hatte ich nur eine Bluse an und die Jacke war im Auto.
"Misstück", zischte ich und wollte auf sie losgehen, doch wurde gewaltig an meinem Oberarm gepackt und nach hinten gezogen.
Jeder Mensch sah uns zu, vorallem auf mich und meiner nassen Bluse, in der mein BH in HD Qualität zu sehen war.
"Dein Ernst?", schrie Tarik laut und war kurz davor ihr eine reimzuhauen.
Ich verschwand, denn meine Tränen nahmen ihren Lauf. Ich fühlte mich wie das letzte Opfer, ich hasse Tarik. Er und seine dreckigen nächtlichen Besuche. Er und sein Charakter. Er und seine Art.
Mir wurde scheiß kalt, weswegen ich zitterte, doch ich versuchte mich zusammenzureißen.
Ich spürte seine Hand an meiner Schulter, die ich sofort von mir schlug und mich zu ihm drehte.
"Wer war diese Schlampe?", fauchte ich ihn an.
"Und was bist du für ein minderwertiger Idiot, dass du dumm zusiehst und nichts tust? Ach wem erzähl ich das schon? Dich interessieren tut das nicht einmal einen Millimeter! Ich hasse dich sowas von Tarik al-Sayed. Ich hasse dich!"
Rasch legte ich meine Arme vor meiner Brust, als seine Blicke dahin huschten. Stumm zog er sich die Jacke aus, legte sie um meine Schultern und machte den Reisverschluss zu. Meine Augen füllten sich.
"Komm ins Auto. Du bist richtig kalt", zog er mich mit sich und setzte mich in sein Auto.
Ich verlor wieder Tränen, denn ich schämte mich zutiefst, dass ich von sovielen Menschen in der nassen Bluse gesehen wurde. Ich könnte mich vor Scham erhängen. Und das Tarik einer der Menschen war, brachte mich um.
Unerwartet strich er über meine Wangen und fuhr los.
"Mach dir keinen Kopf über die", sah er zu mir.
"Stimmt wieso auch? Waren ja nur Menschen, die mich so gesehen haben und deine Schlampe, die so eine Aktion abgezogen hat."
"Sie ist nicht meine Schlampe-
"Sondern war. Mach mir nichts vor Tarik. Fahr einfach."
Er parkte wieder vor seiner Wohnung, aber ich sagte nichts. Wenn er so stark darauf bestand, mich zu beschützen, nur weil ein Feind mich gesehen hat, dann gehorchte ich ihm eben. Verkackt hatte er bei mir schon ab Tag eins. Auf Selma war ich so sauer, dass ich erst garnicht darüber sprechen wollte.
"Hier. Du kannst duschen gehen, sonst kleben deine Haare bis morgen", drückte er mir ein Handtuch und seine Anziehsachen in die Hand.
"Und Schampoo?"
"Besorge ich dir sofort. Dusch, bis dahin rufe ich Harun an, dass er es mir vorbei bringen soll.
Ich nickte und stieg in die Dusche. Diese Furie wird mir nicht davon kommen. Nachdem ich meinen Körper fertig gesäubert hatte, klopfte es auch zum perfekten Zeitpunkt an meiner Tür. Ich nahm schnell das Handtuch und wickelte diesen um meinen Körper.
"Warte", sprach ich und versuchte alles zu verstecken, denn besonders groß war das Handtuch nicht.
Plötzlich ging die Tür komplett auf, sodass ich meine Augen aufriss und mit angebissenen Lippen zu ihm sah.
"Ehm", kam nervös aus mir, als er einen Schritt auf mich machte und mir ein orangenes Garnier Fructis Schampoo in die Hand drückte.
"Hier," sagte er mit rauer und tiefer Stimme.
Er sah mich bis unten hin an und ich? Ich sah wie eine Bekloppte zu Boden und ließ mir das gefallen. Verdammt, er hat mich im knappen Handtuch gesehen.
"Harun der Spast hat mich geschubst", erklärte er mir und verschwand.
Mein Blutdruck wurde immer niedriger. Was war das eben? Schnell rappelte ich mich auf und wusch meine Haare. Ich traute mich nicht, vor ihm zu stehen, doch ich musste ihn ertragen. Schnell föhnte ich meine Haare und schlüpfte in seine Kleidung. Das Shirt passte mir, doch seine Jogginghose war mir viel zu groß.
"Ich hab ein Problem", ging ich mit der Jogginghose zu ihm und musste mir sein kurzes, wunderschönes Lachen anhören.
"Schonmal gedacht, den Bund zuzumachen?"
"Hab ich ja, aber das löst sich wieder auf, also der Knoten", erklärte ich ihm.
"Lass mich dir helfen", kam er mir nahe und kniete sich mit einem Bein herunter. Mir lief ein Schauer über meinem Rücken, als er den Bund berührte und konzentriert versuchte, eine vernünftige Schleife hinzubekommen, während ich hilflos nach unten sah und die Gänsehaut mich quälte. Er sah so unverschämt heiß aus.
Er hatte anfangs keinen Knoten gemacht, weswegen ihm die Schleife nicht gelang, also legte ich meinerseits überraschend meine Hände auf seine und half ihm. Wieder ein kalter Schauer. Als er aufstand, sah er hinunter zu mir. So nah war er mir, dass ich seinen Atem spürte. Sein kalter Atem kitzelte mich, doch ich sah weiterhin unschuldig zu ihm hoch und versuchte ihm diese verdammte Verunsicherung nicht zu zeigen.
"Süß", grinste er, als er meine Kleidung sah.
Ich lächelte nur kurz und er zeigte mir jedes Zimmer in der Wohnung.
Danach kam ein Lieferant und gab uns zwei Schachteln Pizza, die wir zusammen aßen und es uns in eine Decke auf seinem grauen Sofa bequem machten.
Die Döner von vorhin mussten wir warm machen und aßen auch dies genüsslich.
Nach einem kalten Glas Sprite lehnte ich mich nach hinten und schaute Fernsehen. Ich fühlte mich etwas unwohl bei ihm, zum Beispiel spürte ich seine Blicke auf mir.
Mitten in der Dunkelheit öffneten sich meine Lider. Ich verlor die Orientierung und versuchte den Raum zu erkennen, der mir fremd vorkam. Doch mir fiel ein, dass ich bei Tarik im Wohnzimmer wohl oder möglich eingeschlafen war. Meine Blase meldete sich, also rappelte ich mich auf und sah durch das Mondlicht, wo sich die Tür befand. So tollpatschig ich war, stolperte ich über irgendwas, traf mit meiner Hand den Schalter, der das Licht anmachte und fiel ausversehen zu Boden.
Mir wurde klar, dass es ein Mensch war, auf den ich drauf gefallen war, denn ich nahm ein Stöhnen wahr.
"Oh mein Gott, tut mir Leid", entschuldigte ich mich und wollte aufstehen, doch ich hatte mich in seiner Decke verheddert.
Kurz riss er seine Augen auf, als er mich auf seinem Oberkörper sitzen saß, doch ein Lächeln zierte seine vollen Lippen.
"Amüsant", brummte er und legte beide Hände hinter seinem Kopf.
Sofort stand ich auf und suchte das Bad, was ich nach zwei Zimmern fand. Schnell pinkelte ich und ging wieder in unser Zimmer. Unser.
Er lag auf einer Matratze neben dem Bett, indem ich schlief. Er tat mir schon Leid, aber das er sich nicht zu mir gelegt hatte, wunderte mich. Entweder stank ich oder er sah mich als keine Schlampe. Ich wählte die zweite Variante, endlich denkt er, dass ich Vernunft in mir trage. Naja bis auf die Drogen, die ich verticken wollte.
Er lag da oberkörperfrei, doch viel zu sehen gab es nicht, da er seine Decke darüber gelegt hatte.
Ich schloss meine Augen, als ich das Licht ausschaltete und ohne zu fallen, zum Bett ankam.
Seine Bettwäsche roch verdammt gut, er trägt wohl teure Parfums. Doch anscheinend war dies auch sein Eigengeruch.
"Aufwachen Schlafmütze", hörte ich jemand an mir rütteln.
Mit einem Ruck schlug ich meine Lider auf und sah unschuldig in sein makelloses Gesicht.
"Du redest in der Nacht und du bewegst dich so oft", beschwerte er sich, als ich aufstand und meinen Dutt zurecht machte.
"Hoffe, ich habe nichts falsches gesagt", schmunzelte ich.
"Man hat es kaum verstanden. Los jetzt. Abed war hier und hat netterweise Frühstück gebracht."
"Ist er da?", fragte ich neugierig.
"Er ist gegangen."
Schade, dachte ich mir.
Wir frühstückten zusammen.
"Wann darf ich wieder nach Hause?", fragte ich ihn.
"Heute eigentlich. Treib dich niewieder mehr um solche Uhrzeiten draußen herum. Du hattest Glück, das ich und meine Brüder da waren."
Erneut vergingen Minuten, in denen er die Vater- und Bruderrolle spielte und mir Lektionen erteilte.
"Ich fahr dich. Wenn dich jemand fragt, ob du mich kennst, sagst du einfach nein. Sonst steckst du dich selbst in Schwerigkeiten und wehe Abed erfährt etwas davon, dass du hier geschlafen hast", warnte er mich.
Er fuhr mich nach Hause und ich schloss die Tür auf. Was ein bescheuerter Tag.
"Selma!", rief ich durch die Wohnung, doch es kam nichts. Anscheinend war sie wohl nicht da.
Den Rest des Tages suchte ich nach einem Job und Selma war immernoch nicht da. Auch versucht zu erreichen hatte ich sie, doch die Mailbox sprach. Den nächsten Tag verbrachte ich mit Abed. Am Abend besuchten wir die Shishabar und danach kam er noch mit zu mir. Auch an diesem Tag hatte ich sie versucht zu erreichen und heimlich Tarik gefragt, wo sie wäre, doch er hatte keine Ahnung. Ich dachte aller ernstes, dass sie bei Harun wäre. Als auch er in der Shishabar zu sehen war, wollte ich nichts wie weg und sie suchen. Gesagt hatte ich es nur Tarik, eher gefragt, wo sie wäre, erneut.
Ich rief die Polizei an, als ich weiterhin wartete.
Schnell nahm ich die Bahn und fuhr zur Polizei. Sie nahmen ihre Daten auf und meinten, dass sie in 24 Stunden eine Vermisstenanzeige veröffentlichen würden.
Sie würden sich melden, versprachen sie mir und schickten mich nach Hause. Den Rest verbrachte ich damit, zu beten, dass sie zurück kommt, denn ich machte mir unheimlich Sorgen.
Plötzlich klingelte jemand ADHS gestörte an meiner Tür. Genervt riss ich sie auf und sah Tarik, der sich über die Lippen leckte und mich ansah.
"Du hast wieder deine Tasche vergessen", hielt er die Tasche hoch.
"Oh", piepste ich und sah ihm zu, wie er hinein trat, die Tasche ablegte und wieder zu mir sah.
Er kam mit nahe, zu nahe, drückte meine Schultern nach hinten, bis zur nächstbesten Wand. Mein Atem verschnellerte sich, mein Herz rutschte in die Hose und meine Beine fühlten sich taub an.
"Tarik", stotterte ich leise, als er näher an mich rückte. Plötzlich spürte ich seine Lippen meiner Wange vorbei streifen. Seine feuchten Lippen, er hauchte. Verdammt, ich geriet völlig außer Kontrolle und konnte nicht mehr mithalten. Sanft küsste er meine Wange und drückte noch einen Kuss an meinem Hals.
"April, April, naive Hayat", grinste er, während meine Gesichtszüge entgleisten.

Verliebt in ein VerbrecherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt