Prolog

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 Der Mercedes meines Vaters rast über die Autobahn. Die Landschaft zieht blitzschnell an mir vorbei und ich starre aus dem Fenster. Es ist bereits Abend und wir halten auf den Sonnenuntergang zu. Ich sehe mir aufmerksam die fremden Nummernschilder an und mache im Kopf eine Liste, wie häufig ich welches Nummernschild zähle. Das habe ich früher oft mit meinem Bruder Robert gespielt, wenn uns auf langen Fahrten langweilig wurde. Die am häufigsten vorkommenden Nummernschilder sind aus Osteuropa.
Inzwischen ist mir das zu langweilig und ich denke über meine Zukunft nach:Heute beginnt meine Reise in einen neuen Lebensabschnitt. Ich werde in wenigen Stunden im Flieger nach Cork, Irland, sitzen und meine Heimat verlassen. Dort erwartet mich eine sympathische Gastfamilie mit ihren drei Kindern, für die ich sorgen werde. Denn ich werde als au- Pair dorthin fliegen. Unter Irland stellen sich viele Menschen nur eine karge Insel vor,ohne Bäume und mit vielen Schafen oder Kühen. In den Reiseführern und dem Internet konnte ich mich vom Gegenteil überzeugen, sonst hätte ich mich nicht für dieses Land entschieden. Natürlich hatte da auch meine Freundin Christin ein Wörtchen mitzureden, die mir in zwei Monaten nachfolgt. Sie wird ebenfalls als au- Pair in Irland arbeiten und nur wenige Minuten von mir entfernt wohnen. Darauf freue ich mich schon am meisten! Wer Christin kennt, weiß, dass sie schneller spricht, als Lucky Luke schießen kann. Und der schießt immerhin schneller als sein Schatten! Aber natürlich schätze ich ihre freundliche,offene Art, mit der sie nicht nur mich verzaubert hat. Wir werden bestimmt viele Abenteuer erleben auf dieser kleinen Insel.
Mein Vater biegt von der Autobahn ab und mein Herz wird schwer. Gleich heißt es Abschiednehmen für eine sehr lange Zeit. Zwar wollen mich meine Eltern mal in Irland besuchen kommen, aber das macht es nicht wirklich besser. Was ist, wenn ich schreckliches Heimweh bekomme und das mit dem au- Pair nicht durchziehen kann? Oder wenn das Flugzeug überdem Meer abstürzt und ich ertrinke? Oder wenn Terroristen es kapern und alle umbringen?Der Wagen hält vor dem Eingang des Flughafens. Die letzten Sonnenstrahlen beleuchten ihn als wäre er das Tor zum Himmel...was er in gewisser Weise auch ist.Mit klopfendem Herzen steige ich aus und hole meine Koffer aus dem Kofferraum. Mein Vater lächelt mich zuversichtlich an und meine Mutter eilt schon voraus, soweit ihre kurzen Beine sie tragen können. Mit einem Seufzen folge ich ihr.
Am Check-in lege ich meine Karten vor und gebe mein Gepäck auf. Es sind nicht viele Reisende unterwegs. Da meine Eltern Abschiede genauso hassen, wie ich, machen wir es kurz. Ich gebe beiden einen Kuss auf die Wange und lächele sie traurig an.
„Das wird schon, Tori", sagt mein Vater.„Gib dir Mühe mit den Aufgaben, die du dort erledigen sollst", gibt mir meine Mutter mit auf den Weg. In den letzten Wochen durfte ich ihr Vorbereitungsprogramm durchlaufen, bei dem ich auf mein Leben in Irland vorbereitet wurde und jetzt garantiert jeden Haushaltstrick beherrsche.
„Tschüss", sage ich schlicht und wende mich zum Gehen. Ich schaue nicht zurück, sonst hätte ich jetzt schon angefangen zu weinen. Das will ich niemandem antun.Als ich am Zoll angekommen bin, werfe ich dennoch einen Blick zurück. Meine Eltern sind schon weg.Nun bin ich auf mich allein gestellt. Zum ersten Mal in meinem Leben. Aber ich wollte es ja so, also muss ich da durch.Nach eingehender Kontrolle werde ich durch den Zoll gewunken und stehe nun vor dem Beginn eines neuen Lebens.  

Story of my Life - Ein englisches GeheimnisWhere stories live. Discover now