Das Blut lief über meinen Arm. Die Tränen über mein Gesicht. Ja, ich hatte es getan. Ich hatte mich geritzt.
Ich hatte gezögert. Gezweifelt. Und dann hatte ich die Klinge angesetzt. Ich hatte die Rasierklinge fest auf meinen Unterarm gedrückt und durchgezogen. Das Blut war aus meinem Arm gequollen. Anfangs hatte ich Angst gehabt, doch als ich zu einem weiteren Schnitt ansetzte, waren meine Sorgen weg.
Der zweite Schnitt war tiefer gewesen als der Erste. Das Blut war schneller über meinen Arm gelaufen und um ehrlich zu sein, im Erstem Moment war ich etwas geschockt gewesen.
Doch es war tatsächlich befreiend gewesen. Im ersten Moment.
Jetzt stand ich hier. Völlig fertig. Die Tränen strömten über mein Gesicht. Was hatte ich getan?
Ich konnte es nicht glauben. So was hätte Ich nie getan. Oder doch? Wer war ich, wenn ich Sachen tat die Ich nicht getan hätte, aber das ich, dass ich nicht bin, oder jetzt doch bin getan hat?
Es fühlte sich an, als wäre es alles vorbei. Aber warum? Eigentlich ging es gerade erst los!
Meine Eltern hassen mich!
Sie hassen mich wirklich.
Doch ich hasse mich noch viel mehr.
Wieso war ich ich?
Ich hatte das Leben nicht verdient.
Ich war nicht gut genug.
Ich war alleine zu Hause. Meine Eltern und meine Brüder waren gerade nicht da. Wo sie waren wusste ich nicht. Doch es war mir egal. So egal, wie es ihnen war, dass ich hier war.
Ich war ihnen egal.
Weil ich nicht gut genug war. Ohne mich, wären sie besser! Ohne mich wäre diese Welt besser.
Ich war hier einfach falsch. Es ist nicht meine Welt. Und sie wird es nie sein.
Diese Situation war mir immer so ewig weit entfernt vorgekommen.
Doch jetzt war ich mitten drin. Und wusste nicht ob ich jemals rauskommen würde. Würde ich jemals wieder aufstehen können? Könnte ich weitermachen? Weiter Leben?
Wütend schmiss ich die mit Blut überzogene Rasierklinge auf den Boden. Blut sprizte auf den Boden. Ich schluchzte laut auf und schlug mit meiner Hand gegen die Wand. Ich schrie auf, denn ein starker Schmerz machte sich in meinem Handgelenk breit.
Lena war ich egal.
Meinen Eltern war ich egal.
Meinen Brüdern war ich egal.
Der einzige Mensch, den es in meinem Leben gegeben hatte, der mir gezeigt hat dass ich ihm was bedeute war Jake. Im Kindergarten und in der Grundschule war er mein allerbester Freund gewesen. Er hatte zu mir gestanden, wenn alle anderen gegen mich waren. Er war etwas Besonderes. Doch dann sind wir in unterschiedliche Klassen gekommen. Wir hatten uns einfach aus den Augen verloren und den Kontakt abgebrochen. Obwohl wir uns oft sahen, denn wir gingen ja noch auf die geleiche Schule, bekamen wir es einfach nicht auf die Reihe miteinander zu sprechen. Also beudeutete ich ihm wohl auch nichts mehr...
Und Sam? Scheiße, Sam! Ich warf erschrocken einen Blick auf die Uhr. Halb vier. Wir waren seit einer viertel Stunde verabredet. Scheiße. SO konnte ich unmöglich zu ihm.
Ich beugte mich übers Waschbecken und wusch mir die Wunden und das Gesicht. Zwei bleiche Narben blieben auf meinem Handgelenk. Ich klebte ein großes Pflaster auf die Wunden.
Dann fing ich an den Boden zu wischen. Das Blut war in kleinen Tropfen über den Boden verteilt.
Ich packte die blutigen Tücher in einen schwarzen Müllbeutel und brachte ihn in die Mülltonne. Als ich wieder auf dem Weg zum Haus war, wischte ich mir noch schnell Tränen aus dem Gesicht.
Ich zog mir Schuhe an und warf noch einen letzten Blick in den Spiegel. Meine Augen waren komplett angeschwollen und rot, doch ich hoffte, dass alles wie immer aussah wenn ich bei Sam ankommen würde.
Einfach so tun, als wäre nichts. Obwohl Sam es ja wusste. Sam wusste, dass nichts okay war.
Doch bei allen anderen war nichts. sie wussten nichts.
Every day's the same
She fights to find her way
She hurts, she breaks, she hides, and tries to pray
She wonders why, does anyone ever hear her when she cries
Ich lief alleine durch die Straßen. Bald würde ich ankommen. Bald würde ich ihn sehen.
Ihn.
Sam.
Meinen Freund.
Der mich über alles Liebte.
Der Einzige Grund warum ich überhaupt noch am Leben war.
Ich hatte Bauchschmerzen. Ich hatte Angst. Angst davor, dass Sam was merken würde. Angst davor, dass er wissen würde was los war. Und davor dass er mich hassen würde.
Aber vor allem hatte ich Angst davor, dass er mich nach Gründen fragte.
Ich würde ihm nicht in die Augen gucken können. Ich würde nicht mit ihm Sprechen können.
Ich kann ihn jetzt unmöglich treffen!
Ich wollte zurück.
Mich verstecken.
Vor Sam.
Vor Der Welt.
Ich konnte nicht mehr.
Ich wollte mich gerade umdrehen und in die Andere Richtung laufen als ich seine Stimme hörte.
"Fly!" rief er und kam auf mich zu gerannt. Ich starrte auf den Boden.
"Fly? Was ist passiert?" fragte er.
Ich antwortete nicht.
Ich starrte auf den Boden und sagte kein Wort.
"Fly! Was hast du gemacht?"
DU LIEST GERADE
Dear Fly...
General FictionSie denken, sie kennen dich. Sie denken, sie wissen wer du bist. Doch das tun sie nicht. Aber wie sollen sie es wissen, wenn du es selbst nicht weißt? Wie sollen sie deine Tränen sehen, wenn du sie hinter einem Lachen versteckst? Wie sollen sie die...