Meine erste Gruppentherapie hatte ich direkt am nächsten Morgen. Neben mir saß Sophia, mit der ich mir auch mein Zimmer teilte.
Eine Frau setzte sich zu uns in den Kreis. "Hallo, schön, dass ihr alle wieder dabei seit." lächelte sie.
"Heute wollen wir gemeinsam über das Thema "Familie" sprechen. Und ich möchte, dass jeder von euch etwas sagt, dass euch zu Familie einfällt. Es kann nur ein Wort sein. Aber erstmal nur positive!"
"Liebe", sagte der erste Junge, der wenn ich mich richtig erinnerte James hieß.
"Vertrauen", sagte Sophia.
Ich war dran. Für einen Moment dachte ich nach.
Eine Familie hatte ich nicht mehr.
Aber ich wusste was fehlte.
"Zusammenhalt." murrmelte ich.
Darauf folgten andere Wörter. Es tat weh das alles zu hören, denn genau das, war hier gesagt wurde, fehlte in meinem Leben. Irgendwann hatte jeder ein Wort gesagt.
"Und jetzt Negative. Wieder nur ein Wort!"
"Streit."
"Wut."
"Hass." sagte ich.
"Unsichtbar."
Wieder folgten Begriffe. doch diesmal konnte ich sie verstehen. Ich wusste was es hieß unsichtbar zu sein.
Es tat so unendlich weh zuzuhören. Jedes Wort bohrte sich wie ein Messer in mein Herz. Jeder Ton hallte in meinem Kopf wieder und lies mich nicht mehr los.
Ich konnte nicht mehr. Jede Sekunde war eine Qual um nicht die Kontrolle zu verlieren.
Ich hielt die Luft an, bis ich mich einigermaßen wieder beruhigt hatte. Doch ich fühlte mich noch immer eingesperrt. Ich fühlte mich einfach bedrängt und einsam zugleich.
Angst. Ich hatte Angst und Panik die Kontrolle zu verlieren.
Am Liebsten wäre ich losgerannt. Weg von diesen Menschen. Raus aus diesem Haus. Einfach weg. Weit weg.
"Ihr alle habt zwar Probleme mit eurer Familie und viele denken sie werden von ihren Familien gehasst. Aber glaubt ihr was wirklich?" Die Frau machte eine Pause.
Schweigend saßen wir da. Die meisten starrten einfach auf den Boden.
Keiner Traute sich etwas zu sagen.
Zuerst konzentrierte ich mich auf das Schweigen, bis mir auffiel, dass eine Frage gestellt wurde.
Ob ich das wirklich glaubte?!
Ich wusste es. Ich war mir sicher.
Doch dann war dort ein winziger Funken Hoffnung. Eine leide Stimme die nach meiner Familie schrie. Ein kleiner Finger der versuchte sich an meiner Familie fest zu halten.
Doch die Stimme verstummte.
Der Finger hatte keine Kraft mehr.
Nichts war mehr da.
Keine Liebe.
Kein Zusammenhalt.
Ich war allein. Einsam. Hilflos. Und langsam hatte ich keine Hoffnung mehr.
Die letzte halbe Stunde der Therapie zog an mir vorbei wie ein tonloser Film.
Ich saß da.
Schwach.
Einfach nur schwach.
**
Einige Zeit später wurde an meine Tür geklopft. Sophia hatte gerade Sprechstunde, deshalb war ich alleine. Ich saß einfach nur da und starrte vor mich hin. Den Drang zum Ritzen versuchte ich zu unterdrücken. Bis jetzt hatte ich es geschafft, doch es wurde jede Sekunde schlimmer.
Als die Tür aufging drehte ich mich erschrocken um. Auch wenn ich wusste dass die Tür aufgehen würde, erschrak ich trotzdem.
"Hallo Fly." Die Frau von gestern mit den blonden Haaren - mittlerweile wusste ich sogar das sie Dr. Blatt hieß- stand vor mir. "Darf ich?" fragte sie und nach einem Nicken meinerseits setzte sie sich vor mich aufs Bett.
"Und wie war's heute?" fragte sie besorgt. Ich biss mir auf die Lippen. "Ich weiß es nicht." Nuschelte ich.
"Ist dir das hier alles zu positiv?"
"Schon aber... ich weiß es nicht."
Nach einer Weile fand ich wieder Worte. "Es ist einfach komisch. Auf der einen Seite hab ich das Gefühl das mich
Endlich jemand versteht, aber dann bin ich immer noch so... abweisend. Und das find ich von mir selber scheiße, aber ich kann es einfach nicht ändern. Vielleicht kann ich es. Und ein Teil von mir will es bestimmt, aber ich habe keine Kraft."
Mehr Worte hatte ich nicht um das alles zu beschreiben. Mehr kraft hatte ich nicht.
Dr. Blatt sah mich an. "Wenn ich jetzt sage, dass alles gut wird glaubst du mir das wohl kaum, aber es wird besser Fly, das kann ich dir versprechen. Vielleicht wird es erstmal schlimmer werden, aber irgendwann wirst du sehen, dass es Besserungen gibt."
Mein Blick klebte am Boden. Ich spürte nur wie mir jemand über den Rücken strich und kurz darauf den Raum verließ.
*
*
Den Rest des Tages verbrachte ich im Bett. Ohne mit jemandem zu reden. Ich versuchte zu schlafen, doch es ging nicht. Allerdings stellte ich mich schlafend als es Abend essen gab, denn essen konnte ich jetzt genauso wenig wie schlafen.
Mitten in der Nacht - Sophia schlief schon - holte ich einen Stift aus meiner Tasche.
Liebes Tagebuch,
Ich weiß nicht was passiert ist. Irgendwas hat sich verändert, das spüre ich. Doch ich kann es nicht beschreiben.
Die anderen hier, ich meine, eigentlich sind sie doch aus den selben Gründen hier wie ich, aber irgendwas ist einfach komisch.
Irgendwas fühlt sich so falsch an, aber trotzdem so richtig. Ich versteh es einfach nicht mehr.
Ich würde so gerne mit Sam reden. Ich würde ihm so gerne sagen wie leid es mir tut. Ich würde...
Ich weiß es nicht. Ich will weg. Und gleichzeitig bleiben. Ich will rennen aber fallen.
Ich versteh es einfach nicht.
Es ist so unecht.
Aber es ist doch Realität oder ? Es ist doch echt.
Bitte hilf mir.
Ich könnte Bücher mit meinen Gedanken füllen, doch bin zu schwach dazu.
Ich versteh es nicht mehr.
Bitte hol mich hier raus.
Bitte rette mich!
Doch logischerweise konnte mich mein Tagebuch nicht einfach retten. An diesem Abend war es ein spitzer Stift, den ich mir so tief in die Haut drückte dass es blutete.Es tut mir sooo Leid, dass ich so lange gebraucht habe um upzudaten :(((
Ich hoffe trotzdem, dass euch dieses Kapitel gefällt und soo ... wenn ja, dann bitte kommentiert und votet <3
Das neue Kapitel ist schon fast fertig und außerdeeeem ist die Story fast fast zu ende, ja das doppelte fast ist absicht :D
Love you <33 xx
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Dear Fly...
General FictionSie denken, sie kennen dich. Sie denken, sie wissen wer du bist. Doch das tun sie nicht. Aber wie sollen sie es wissen, wenn du es selbst nicht weißt? Wie sollen sie deine Tränen sehen, wenn du sie hinter einem Lachen versteckst? Wie sollen sie die...