3. Wo bist du?

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"Nein Dascha, wir haben schon beinahe die halbe Flasche leer getrunken. Jetzt ist genug!" "Komm schon, noch ein Glas", säuselte die Brünette verführerisch, doch der Brite ließ sich nicht überzeugen. "Nein, es reicht. Ich möchte nicht, dass wir uns auf diesem Schiff bis zur Bewusstlosigkeit betrinken. Lass uns nach draußen gehen, ich brauche frische Luft", meinte Ciel und stand auf um sich mit einem Tuch abzutrocknen und sich wieder anzuziehen. "Ja, Mama", seufzte die Russin und trocknete sich ebenfalls ab. Draußen war die Party immer noch im vollen Gange. Einige Leute tanzten zu der anstrengenden Musik, andere saßen an der Bar und wieder andere standen fummelnd und küssend an der Wand und hatten nicht genug Anstand sich ein Zimmer zu suchen. Der Geruch von Schweiß und Erbrochenem lag in der Luft, weshalb Ciel und Darja beschlossen ein Stückchen weiterzugehen, doch wurden unglücklicherweise von dem inzwischen stark schwitzenden fremden Mann aufgehalten. "Ey, du bist doch das geile Schneckchen von vorhin. Hattest du Spaß im Whirlpool? Sag mir bloß nicht, dass du es mit diesem Versager darin getrieben hast", faselte der Fremde, währen er versuchte Darja an sich heranzuziehen. "Wen nennst du hier einen Versager du kleine Ratte", schrie Ciel, der mit geballten Fäusten auf ihn zukam und jeden Moment ausholen konnte. Doch Darjas Blick verriet ihm, sich aus dieser Sache herauszuhalten. "Was, hat der Pirat etwa seine Zunge verschluckt?" "Lass mich los, bevor ich dich verletzte!", drohte die Brünette mit Wut in ihrer Stimme. "Das heiße Schnittchen kann also bissig werden? Ich stehe auf Wunden. Möchtest du mir deine wilde Seite nicht im Bett zeigen?", raunte der Unbekannte und ließ seine Hände auf dem Rücken der Russin wandern. "Du hast es nicht anders gewollt." Mithilfe seiner Schultern sprang Darja aus seinem Griff. In der Luft trat sie gezielt auf die Brust des Fremden, woraufhin dieser nach hinten stolperte und die Brünette problemlos und elegant auf dem Boden landete. Sie nahm Ciels Hand und lief mit ihm davon. "Du kleine Schlampe, komm zurück!" Der Angetrunkene wollte ihnen hinterher rennen, doch wurde von einer starken Hand auf seiner Schulter gestoppt. Ein großer Mann mit rabenschwarzen Haaren stand hinter ihm und lächelte ihn unschuldig an. "Wenn ihnen ihr kleiner Freund wichtig ist, halten sie sich besser von diesem Mädchen fern. Sie gehört nämlich einzig und alleine meinem jungen Herren." Der Angetrunkene lief panisch zurück zu seinen Jungs. Noch nie hat sich eine Frau aus seinen Griffen befreien können, oder hatte es jemals gewollt, weshalb er völlig aufgebracht war. Der Butler grinste nur zufrieden und machte sich auf den Weg, seinen jungen Herren und die Russin zu suchen.

"Miss Zwetkowa, der junge Mann wird sie nicht weiter belästigen", berichtete Sebastian, als er die beiden auf der Veranda fand und sich respektvoll verbeugte. "Vielen Dank, Sebastian." "Du kannst jetzt gehen, Sebastian", sagte Ciel, der die Zweisamkeit mit Darja noch eine Weile genießen wollte. "Jawohl, mein junger Herr", sprach der Butler und verschwand auf die andere Seite des Schiffes. Die Hände der Grünäugigen ruhten auf dem Zaun der Veranda, während Ciel mit dem Rücken an ihm lehnte. Eine sanfte Brise wehte durch ihre Haare und hinterließ den salzigen Duft des Ozeans in ihren Nasen. "Hast du eine Ahnung, was sich in dem Geschenk befinden könnte?", wollte Darja wissen. "Du weißt doch, wie Layla ist. Es sind wahrscheinlich irgendwelche pornografischen Bilder, die uns auf die Palme bringen sollen, drinnen", antwortete der Brite mit amüsierter Stimme. "Ja, das würde ihr ähnlich sehen", lachte Darja und fing an zu gähnen. "Lass uns schlafen gehen. Wir sind heute Morgen sehr früh aufgewacht und sind jetzt immer noch auf den Beinen", sagte die Russin müde. "Du hast recht. Morgen ist auch noch ein Tag."

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"Dascha!"

*klopf klopf klopf*

"Dascha!"

*klopf klopf klopf*

"Mach die verfluchte Tür auf, Dascha!", schrie Ciel verzweifelt. Darja, die gerade gemütlich im Bett lag und Träumte, wachte langsam aus ihrem Schlaf auf und öffnete ihre noch müden Augen. Das dunkle Zimmer wurde von einer rot blinkenden Lampe hell erleuchtet und das Schiff wurde mit einer schrillen Sirene und panischen Schreien gefüllt. "Was geschieht hier?" "Darja verdammt, wir werden sterben!", rief der Brite. Nun war Darja bei vollem Verstand und sprang hastig aus ihrem Bett um die Türe ihrer Kabine zu öffnen. Vor ihr stand Ciel, verschwitzt mit zerzaustem Haar, mit nichts außer einer Boxershorts am Leib und seinem Koffer in der Hand. "Nimm dein Gepäck. Wir müssen schleunigst von hier verschwinden! Hast du verstanden?", schrie der Brite aufgebracht. "Würdest du mir erst einmal erklären was hier los ist?" "Das Schiff geht unter! Und es brennt! Beeil dich verdammt. Sebastian hat uns ein eigenes Rettungsboot bereitgestellt und wartet dort auf uns!" "Sollten wir uns nicht lieber zum Sammelplatz begeben, so wie es uns die Besatzung im Falle einer Evakuierung befohlen hat?", widersprach Darja mit Unsicherheit in ihrer Stimme. "Du weißt, dass wir Sebastian vertrauen können. Und jetzt komm endlich!" Die Russin ließ sich überreden, packte sofort panisch ihren Koffer aus dem Schrank und folgte dem Briten zum Rettungsboot. Als sie dort angekommen waren, mussten sie jedoch feststellen, dass sich der Butler nicht in dem läuchtend orangenen Boot befand. "Sebastian! Sebastian wo bist du?", brüllte Ciel, der seinen Koffer abstellte und zurück laufen wollte. "Ciel, wo willst du hin?", fragte Darja, während sie ihn am Handgelenk festhielt und ihn somit vom Weglaufen hinderte. "Sebastian suchen, wir können nicht ohne ihn fahren", war seine Antwort. Seine Stimme zitterte und seine Augen füllten sich mit Tränen, was sehr unüblich für den Briten war. "Ciel, Sebastian ist ein Teufel. Er wird schon nicht sterben. Und jetzt komm runter ins Boot bevor wir sterben! Wir haben nämlich keine Zeit mehr!", schrie Darja und zog den Blauäugigen zu sich zurück. Mühevoll, mit den Koffern an den Armen, kletterten sie die Strickleiter herunter, um sich erst einmal erschöpft in das relativ große Boot zu setzten und das Gepäck abzustellen. "Wir müssen schnell die anderen einholen, sie wissen bestimmt wo es langgeht. Wenn wir sie nicht finden sind wir am Arsch", meinte Darja. "Die sind höchstwahrscheinlich auf der anderen Seite des Schiffes. Hier sind die Ruder. Es wäre besser, wenn du das Boot in Bewegung bringst, da du stärker bist als ich", sagte Ciel, und überreichte der Russin die Paddel. Darja nahm sie in die Hand und begann das Schiff, mit einem sicheren Abstand um dem Sog des untergehenden Wasserfahrzeuges zu entkommen, zu umrunden. Ihr Nachthemd flatterte im kalten Wind, welcher den beiden eine starke Gänsehaut verpasste. "Da, ich kann sie sehen!", rief Ciel, und zeigte in die Richtung der weit entfernten Boote, die bereits auf dem Weg zu einem anderen Schiff waren und beinahe in der Dunkelheit verschwanden. Darja reagierte sofort und ruderte mit doppelter Geschwindigkeit auf sie zu. Doch das brachte ihr wenig, als ein dichter Nebel aufzog und ihnen die Sicht versperrte. "Scheiße, ich kann sie nicht mehr sehen!" "Wir sind geliefert."

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