16. Das Ritual

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Darja hatte ihren Freund schweren Herzens gehen lassen. Er war so überzeugt, dass die Russin ihn gar nicht überreden konnte. Nun saß sie da und wusste nicht, was sie mit sich anfangen sollte. Gelangweilt lief sie am Strand entlang und betrachtete das weite Meer. Überall nur Meer. Bis zum Horizont nur Meer. Es war zum Kotzen. Darja hätte sich nie erträumen können, dass sie einmal die Schnauze voll von diesem Gewässer haben würde.

>>Das ist sie, da bin ich mir sicher! Holt sie euch!<<

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Die Insel war nicht schwer zu erreichen, weshalb Ciel das Meer dazwischen schnell überquert hatte und nun den ersten Fuß in den Sand setzte. Neugierig schaute er sich um. Bis auf einige Palmen und den Büschen mit der Dypia, war die Insel kahl und trostlos. Hier könnte man nicht lange überleben. Achtsam ging er auf die Büsche zu und untersuchte die Pflanze. Ja, es war die selbe, wie die auf dem Bild im Tagebuch. Er pflückte fast die ganzen Büsche leer und legte die Blätter anschließend ins Wasser. Er wartete ein Weilchen, bis er sie schließlich aus dem Wasser nahm und sie ausprobieren wollte, doch dann hörte er plötzlich einen kläglichen Schrei in der Ferne.

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>>Lasst mich los!<<, schrie die Russin und wand sich hin und her, doch die Griffe der Inselbewohner waren viel zu fest, sodass sich die sonst so starke Brünette nicht befreien konnte. >>Ich bin sofroh, dich gefunden zu haben, Herion<<, meinte der Häuptling und sah Darja liebevoll an. >>Ich bin nicht deine 'Herion'<<, gab sie nur trotzig als Antwortet. >>Ach, so bescheiden! So habe ich mir die Herion vorgestellt<<, schwärmte der Dicke und klatschte freudig in die Hände. >>Häuptling, das Ritual müssen wir aber trotzdem durchführen, richtig?<<

>>Richtig! Bindet sie an einen Stamm und breitet danach das Feuer aus.<<

>>Bitte WAS?!<<

Darja schaute die Eingeborenen entsetzt an und wand sich jetzt nur noch mehr, aber es half nicht. Mühsam banden sie die Russin an einen losen Stamm, der fest in die Erde gesteckt wurde. Sofort kamen ihr die Erinnerungen wieder in den Sinn. Die arme Frau, die an so einem Stamm bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. Die Schreie, der schmerzverzerrte Gesichtsausdruck. Langsam füllten sich ihre Augen mit Tränen, bevor die Flüssigkeit ausbrach und ihr über die Wangen lief. Ihre Lippen zitterten und Darja fing an zu wimmern.

×Ihr miesen Schweine, lasst mich sofort frei!×, schrie die Brünette. ×Zur Hölle mit euch! Ich habe euch doch nichts getan!× Die Russin zeterte weiter, auch wenn sie sich bewusst war, das sie die Sprache höchstwahrscheinlich nicht verstünden. Die Fesseln drückten ihr unangenehm gegen die Magengegend und dadurch, dass sie so fest waren, raubten sie ihr gleichzeitig den Atem. Nun hing sie an dem Stamm und weinte. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, die Tränen und Geräusche zu unterdrücken. Sie sollten sehen, dass sie ganz und gar nicht zufrieden mit dieser Situation war. Doch sie ignorierten es gekonnt und entflammten das trockene Laub, welches sie vorher um den Stamm herum verteilten. Nachdem das Feuer entfacht wurde, fingen die Einwohner an zu Tanzen und zu singen. Das Feuerwurde immer größer und langsam konnte Darja die Hitze an ihren Füßen spüren. "Ciel? wo bist du? Bitte hilf mir. Hilfe!", schrie sie so laut sie konnte, doch verlor die Hoffnung, als sie die ersten Flammen an ihren nackten Zehen spürte. Reflexartig fing sie an zu schreien und zog ihre Beine an, um dem Feuer zu entkommen.

Sie sprach schon ihre letzten Gebete, als sie plötzlich eine leichte, erfrischende Brise wahrnahm. Diese Brise jedoch, entwickelte sich schnell zu einem Wind und schließlich zu einem Sturm. Darja kniff ihre Augen zusammen und hielt die Luft an, während die Inselbewohner sich ängstlich duckten. Der Sturm legte sich, und erst jetzt bemerkte Darja die Stille. Sie blickte nach unten und entdeckte die ungläubigen Gesichtsausdrücke der Bewohner. Das Feuer war erloschen. >>Sie ist es wirklich<<, stellte einer mit zitternder Stimme fest. Auf einmal kam der Häuptling mit zwei anderen Einwohnern aus dem Gestrüpp und schaute die Russin verliebt an. >>Kniet nieder vor der Herion! Wir haben sie endlich gefunden!<<, rief er stolz, woraufhin seine Gefolgsleute gehorchten und sich mehrere Male vor Darja verbeugten. >>Freut euch, denn heute wird gefeiert!<<

Darja hat alles versucht, um von den Einwohnern wegzukommen, doch nach unzähligen Fluchtversuchen wurden ihr schließlich Arme und Beine gefesselt. Nun wurde sie auf den Armen einiger Untergebenen transportiert und in ein kleines Dorf mitten im Dschungel gebracht. Dort wurde sie auf einen Stein gesetzt und von einigen Frauen begutachtet. >>Sie ist wirklich schön<<, meinte eine der Frauen. >>Macht sie bereit für die Hochzeit<<, schrie plötzlich eine Andere und fing an, die Haare der Russin zu kämmen und zu flechten.

>>Hochzeit?<<, fragte Darja ungläubig. >>Ja! Ihr habt ja so viel Glück, dass Ihr den Häuptling heiraten dürft.<< Der Russin wurde übel. Den sollte sie heiraten? Einen Mann, den sie nicht kannte? Einen Mann, der sie fast umgebracht hätte? >>Was, wenn ich nicht will?<<, wollte die Brünette nun wissen und schaute stolz auf die Frauen hinauf. Sie fingen nur an zu lachen. >>Herion, Ihr seid echt witzig. Natürlich müsst Ihr ihn heiraten. Er hat Euch so lange gesucht. Ich möchte mir nicht vorstellen, was er wohl anstellen würde, wenn Ihr Euch ihm widersetzt.<<

Darja war verzweifelt. Kaum hatte sie ihr Glück in der Liebe gefunden, wird alles wieder vom Schicksal zerstört. Sie wollte den Zorn des Häuptlings auf keinen Fall heraufbeschwören, weswegen sie beschloss zu gehorchen. Jedoch hatte sie Hoffnung auf Rettung. Ciel hatte gesagt, er würde nicht lange weg sein. Er würde bestimmt nach ihr suchen, wenn er wieder zurück kommt. Alles, was sie bis dahin machen musste, war durchzuhalten und zu überleben.

Es dauerte nicht lange, bis die Frauen Darja schön gemacht hatten. Sofort wurde sie in die Mitte des Dorfes, wahrscheinlich der Haupttreffpunkt des Stamms, gezerrt, wo auch schon der Häuptling, der sich ebenfalls herausgeputzt hatte, stand und sehnsüchtig auf seine Braut wartete. >>Wow, ihr kommt ja echt schnell zur Sache<<, sagte die Russin eher zu sich selber, doch bekam sogleich eine Antwort. >>Natürlich! Schließlich wollen wir so schnell wie möglich Nachfahren des Häuptlings und der Herion begrüßen.<< Darjas Herz blieb stehen und ihr Magen drehte sich bei diesen Worten um. Niemals würde sie jemanden an sich heranlassen. Ciel war natürlich ausgeschlossen.

Plötzlich fingen die Inselbewohner an auf Trommeln und anderen Instrumenten zu spielen und Darja wurde sachte in Richtung des Häuptlings geschubst, welcher begann um sie herum zu tanzen und sie so zu umwerben versuchte.

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