Kapitel 26: Schluss mit Spielchen

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Zaghaft nahm ich die Hand von seinem Arm und drehte mich noch einmal um. Wir standen im Flur vor meinem Zimmer, zwei Gardisten waren uns in etwa fünf Metern Abstand gefolgt.
Das warme, flackernde Licht der Fackeln spiegelte sich in den dunklen Augen des Lords, während sein Blick aufmerksam über mein Gesicht huschte.
„Wie hat Euch der Abend gefallen?"
„Nun ja, es waren viele neue Eindrücke, aber an sich denke ich... ganz gut."
Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und die Grübchen erschienen auf seinen Wangen.
„Das freut mich. Odrick scheint einen Narren an Euch gefressen zu haben. Ihr gefallt ihm."
Verlegen strich ich mir eine Strähne hinters Ohr, die sich wohl im Laufe des Abends aus meiner Frisur gelöst hatte. „Ich wüsste nicht, was ich gemacht habe..."
„Seid einfach Ihr selbst. Dann verzaubert Ihr jeden hier."
Ich lachte nervös. „Ich gebe mein Bestes."

Er antwortete nicht mehr, sondern sah mich einfach sanft an. Eine Weile erwiderte ich den Blick, bis ich das Gefühl hatte ihn irgendwie blöd anzustarren und sah verlegen weg.
„Nun ja, ich denke, ich gehe dann-" Ich griff nach dem Türknauf, wurde aber von ihm zurückgehalten.
„Wartet!"
„Hm?" Überrascht sah ich von seiner Hand auf meinem Arm zu seinem Gesicht.
„Ich habe eine Bitte an Euch."
Neugierig legte ich den Kopf schief, musste aber gar nicht nachfragen, denn er sprach bereits weiter.
„Wir werden bald heiraten. Und ich würde gerne... nun ja, auf einer vertrauteren Ebene mit Euch umgehen. Also möchte ich Euch bitten, mich bei meinem Vornamen zu nennen, wie ich Euch dann mit Eurem ansprechen würde. Selbstverständlich nur, wenn Ihr das wollt. Wenn es Euch lieber ist, weiterhin auf der höfischen Ebene zu bleiben, dann-"
„Nein." Ich lächelte. Süß, wie auch er mal nervös werden konnte. Unsicher sah er auf mich hinab, wahrscheinlich rätselte er wie das 'Nein' zu deuten war. „Nein, das ist in Ordnung." Vorsichtig hob ich die Hand und strich ihm über die Wange. „Gute Nacht, Rajan."

Damit öffnete ich die Tür, schlüpfte durch den Spalt und schloss sie hinter mir. Mit einem dicken Grinsen im Gesicht, wo auch immer es her kam, blieb ich hinter dem Rahmen stehen und wollte eigentlich auf seine Schritte lauschen, als mein Blick auf Roya fiel, die mich mit einem amüsierten Schmunzeln musterte.
„Ah, Mylady hatte einen schönen Abend?"
Ich beließ es bei einem Lächeln, dennoch sah sie ihre Frage wohl als beantwortet. Sie half mir aus dem Kleid, öffnete meine Haare und wünschte mir noch eine gute Nacht, bevor sie alle Kerzen, bis auf die auf meinem Nachttisch, löschte und auf leisen Sohlen das Zimmer verließ.
Mit einem Zug blies ich auch noch die letzte Kerze aus, anstatt aber ins Bett zu gehen, öffnete ich die mit Rosen verzierte Tür und trat auf den Balkon.
Die milde Nachtluft zauste ein wenig in meinen Haaren, als ich an die Brüstung trat. An den Wegen im Park waren Laternen entzündet worden und auch die Brunnen waren beleuchtet. Ich sah nur ein einziges Paar dort unten spazieren gehen, ansonsten schien es verlassen.
Ich atmete einmal tief ein und lehnte mich nach vorne auf das Geländer. Der Wind war angenehm und auch der Steinboden unter meinen nackten Füßen war noch vom Tag erwärmt, sodass ich auch nur im Nachtkleid nicht fror. In Schneewacht war um diese Jahreszeit nicht einmal tagsüber daran zu denken ohne einen Mantel das Haus zu verlassen.
Bisher gefiel es mir gut in Goldstern. Das Schloss war schön und hell und der Schlossgarten dort unten atemberaubend, auch wenn ich bisher keinen Fuß hinein gesetzt hatte. Das nahm ich mir definitiv für morgen vor. Bis auf den seltsamen Vorfall mit Lady Othilia kam ich auch mit den Menschen ganz gut zurecht. Mit König Odrick war es einfacher, als ich angenommen hatte und meine Befürchtungen schienen mir jetzt albern.
Wenn es weiter so bergauf ging, konnte es in Zukunft doch gar nicht so schlimm werden, wie ich gedacht hatte. Oder?

~

„Guten Morgen, Mylady!", ertönte eine heitere Stimme und die Vorhänge wurden energisch aufgeschoben, sodass die Sonnenstrahlen ins Zimmer fielen. Ich brummelte und drehte mich langsam auf den Rücken, irgendwie irritiert, aus meinem friedlichen Schlummer gerissen worden zu sein. Benommen blinzelte ich und ließ meinen Blick durch den Raum fahren, bis er an einer von der Sonne verdunkelten, weiblich-kurvigen Silhouette hängen blieb. Augenblicklich saß ich kerzengerade im Bett.
„Was willst du hier? Wo ist Roya?", fauchte ich sofort.
Sie machte einige Schritte, sodass sie vorm Bettende stand und ich sie nun in Farbe sehen konnte.
„Aber, Mylady, ich bin ebenso Eure Zofe, wie Roya", antwortete sie mit übertrieben schockiertem Gesichtsausdruck. Unter meinem finsteren Blick verzog sich ihr Mund aber schnell wieder zu ihrem üblichen überheblichen Lächeln. „Steht auf, ich will Euch hübsch machen für den Tag."
Tatsächlich wühlte ich mich aus den Decken, änderte aber nichts an meiner ablehnenden Haltung.
„Wo ist Roya?", wiederholte ich meine Frage von eben und kam langsam um das Bett herum.
Sarameh verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete mich so, wie man ein bockiges Kind betrachten würde. „Auf dem Markt." Damit wandte sie sich um und schritt zu meinem Kleiderschrank, wo sie zielstrebig ein roséfarbenes Kleid herauszog, welches sie dann an den Paravent hängte.
„Kommt", flötete sie, „wir wollen Euch umziehen."
„Ich kann das selbst", knurrte ich, was sie nur mit ihrem glockenklaren Lachen beantwortete.

~

Grimmig saß ich auf dem Stuhl vor der Frisierkommode und starrte vor mich hin, während Sarameh irgendwie meine Haare bearbeitete. Sie kämmte und steckte sie ganz vorsichtig hoch, aber ich hatte das Gefühl, dass sie mich mit allem was sie tat verspottete.
Immer wieder spürte ich durch den Spiegel ihren Blick auf mir, weigerte mich aber aufzusehen.
„Wie war Eure Nacht?"
„Gut", brummte ich nur.
„Habt Ihr gut geschlafen?"
„Ja." Ich verzog kurz das Gesicht, als sie eine letzte Klammer ins Haar schob und es unangenehm ziepte.
„Das freut mich sehr." Ihre Stimme war leise und irgendwie viel näher an meinem Ohr als zuvor. Ich hob den Blick und begegnete sofort ihren blitzenden grauen Augen im Spiegel. Eine fiese Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus, als sie anfing zu lächeln und mit ihren Fingerspitzen meinen Nacken hinab strich. Sie beugte sich noch ein Stück hinab, sodass ihre Lippen mein Ohr streiften. „Wie ist es mit Rajan, Mylady? Ich hatte zuletzt den Eindruck, er kann noch nicht viel mit Euch anfangen?" Ich nahm kaum wahr wie ich meine Fingernägel in das Holz des Stuhls grub. Sarameh sprach mit einem koketten Lächeln weiter. „Aber Ihr seid auch noch so jung, so...unerfahren. Ein kleines unschuldiges Küken, gerade erst geschlüpft und noch nicht viel gesehen von der Welt." Sie zog kurz einen leichten Schmollmund. „Aber macht Euch keine Sorgen, süße Lady, es liegt nicht an Euch, dass er lieber an bekannten Werten festhält."
Mit einem Ruck stieß ich mich vom Stuhl ab und starrte sie zornig an. „Was redest du da?! Was soll das heißen?!"
Sie stützte sich auf der Stuhllehne ab, während sie ihre andere Hand in die Hüfte stemmte. Mit einem lasziven Blick biss sie sich leicht auf die Unterlippe. „Ja, Liebste Aree. Was soll es nur heißen...?"
Ihr quälendes Lachen begleitete mich, als ich aus dem Raum stürzte und hallte noch in meinen Ohren während ich die Gänge entlang rannte. Ob die verdutzten Wachen mir folgten oder nicht war mir egal. Ich hatte nur einen Gedanken und ein bestimmtes Ziel.
Ohne ein Klopfen auch nur in Erwägung zu ziehen, riss ich die Tür auf und preschte in den Raum.
Seine dunklen Augen weiteten sich, als er von dem Papier, welches er in der Hand hielt aufsah und in mein zorniges Gesicht blickte.
„Warum gebt Ihr mir Eure Hure als Zofe?!"

Stern des NordensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt