Kapitel 31: Das Turnier - II

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Ich war heilfroh, dass Rajan mein kleines Malheur nicht mit bekommen hatte, da kam sein Pferd auch schon angetrabt. Eisern presste ich die Lippen zusammen, stolzierte mit aller Würde die ich aufbringen konnte – und begleitet von Odricks und Therisas Gelächter - zur Balustrade und beugte mich vor, um nach dem Ring zu haschen. Genau in dem Moment, als meinen Finger das Holz berührten, verlor dieser jedoch seinen Halt und rutschte ein Stück weiter runter, genau außerhalb meiner Reichweite. Deprimiert ließ ich den Kopf hängen. Die Welt war heute gegen mich.
Ich hörte Rajans gedämpftes Lachen, während er die Lanze leicht senkte, den Ring wieder nach vorne rutschen ließ und mir erneut hinhielt. Eilig schnappte ich ihn mir und kehrte schon wieder mit hochrotem Kopf zu meinem Platz zurück.
Noch ein drittes Mal holte Rajan den Ring erfolgreich vom Galgen und ließ ihn von mir abnehmen, dann verschwand er vom Turnierplatz und ließ einen anderen Ritter sich in dieser Disziplin beweisen.
Kaum hatte Roya mir diese 'Trophäe' auch abgenommen, beugte ich mich zu Therisa rüber, die in Gedanken versunken an ihrem Wein nippte.
„Was wollte mir Lord Thymeris damit sagen?"
„Womit?"
„Mit den Ringen."
Sie sah mich ungläubig an. „Er hat Euch seinen Erfolg gewidmet. Das ist nichts Ungewöhnliches."
„Oh." Langsam lehnte ich mich wieder zurück. „Achso."
Therisa grinste und schüttelte den Kopf. „Ich habt ja wirklich gar keine Ahnung."
„Wie denn auch?", antwortete ich schnippisch und verschränkte schmollend die Arme vor der Brust. Aber mal ehrlich, das hätte ich mir wirklich denken können.
Ich wollte grade dem nächsten Ritter beim Ringstechen zu schauen, als meine Aufmerksamkeit von etwas anderem angezogen wurde. Weiter hinten auf dem Platz, dort wo sich die Männer im Schwertkampf maßen, sprang jemand auf und ab und fuchtelte wie wild mit den Armen in der Luft herum. Ich erkannte nur einen roten Haarschopf.
Möglichst unauffällig versuchte ich Janus ebenfalls zu zu winken, aber erschien mein leichtes Handzeichen nicht zu sehen oder er verstand es nicht, denn er hörte einfach nicht auf herumzuzappeln.
„Was ist das denn für ein komischer Kauz", murmelte Odrick neben mir und beugte sich mit zusammengekniffenen Augen weiter nach vorne. Ich hingegen lehnte mich soweit wie möglich zurück und versuchte unauffällig zu tun. Also mich meinte der ganz bestimmt nicht.
Hey, Aree! Hallo! Hier!", klang seine Stimme von dort hinten, aber gut verständlich, zu uns.
Der König sah irritiert zu mir. "Ihr kennt ihn?"
„Hm?" Ich lehnte mich etwas vor und tat so, als sähe ich Janus jetzt erst dort herumspringen. „Oh, ja, er war ein Mündel meines Vaters." Jetzt hob ich knapp den Arm, sodass er es auch sehen können musste, doch er hörte nicht auf. Also seufzte ich und stand auf. „Entschuldigt mich bitte." Ich verneigte mich leicht vor Odrick und verschwand dann hinter dem Vorhang.

~

Mit meinen Gardisten im Nacken stakste ich unsicher zwischen den Turnierzelten umher. Ich hatte gehofft, dass Janus den Wink verstanden und mir entgegen kommen würde, aber es fehlte jede Spur von ihm. An jedem der bunten Zelte prangte eine anderes Wappen, sowohl von den großen, als auch von kleineren Lordschaften. Viele Junge Burschen und Knappen huschten mit Rüstungen oder Satteln beladen an mir vorbei und der ein oder andere Ritter stolzierte erhobenen Hauptes den Weg entlang.
Ich hatte den Plan, mich näher zum Übergang zwischen Zeltlager und Turnierplatz zu begeben, in der Hoffnung Janus dort anzutreffen, da er ja scheinbar an den Vorspielen teilnahm. Doch plötzlich rempelte mich unerwartet jemand an und ich stolperte, direkt gegen die hintere Flanke eines Pferdes, welches vor einem Wassertrog angebunden war. Das Tier erschrak und trat mit einem schrillen Wiehern nach hinten aus. Die Hufe wirbelten vor mir in der Luft und ich sah vor meinem geistigen Auge schon, wie sie mich hart im Gesicht trafen und ich zu Boden ging, doch eine Hand umfasste meinen Oberarm und riss mich grob nach hinten. Völlig erschrocken stand ich da, meine Beine zitterten und mein Herz raste. Ich hatte einmal gesehen, wie ein durchgegangenes Pferd einen Stallburschen traf. Das hätte böse enden können.
„Hast du keine Augen im Kopf?", fauchte einer meiner Gardisten den geschockten Jungen an, der vor Schreck den Sattel in seinem Arm fallen gelassen hatte, während mich der andere, der mich offenbar vor den Hufen des Pferdes gerettet hatte, genaustens musterte.
„Seid Ihr in Ordnung, Mylady?", murmelte er mit rauchig-tiefer Stimme, meinen Oberarm hatte er noch immer umfasst, als hätte er Sorge, dass ich umkippte.
„Ja... Ja, mir geht es gut. Danke."
„I-i-i-ch hab sie nicht gesehen...", stotterte der Junge, der völlig bleich um die Nase geworden war.
„Weißt du überhaupt, was hätte passieren können?!", knurrte der Soldat und näherte sich dem Burschen, welcher abwehrend die Hände gehoben hatte und ängstlich zitternd zurückwich.
„Es tut mir leid!"
„Wartet", begann ich und wollte grade dazwischen gehen - schließlich hatte er mich ja nicht mit Absicht angerempelt, als sich plötzlich eine andere Stimme einmischte.
„Verzeiht dem Jungen, er ist ein Tölpel und grade das erste Mal hier." Ich wandte mich verwundert um und sah einen jungen Mann, vielleicht etwas jünger als Rajan, der auf uns zu kam. Er trug eine glänzende Silberrüstung und ein schwarzer Umhang fiel über seine Schultern. Sein blondes Haar war ordentlich zurück gestrichen, doch einige der glatten Strähnen fielen ihm leicht in die Stirn und in die hellen grünen Augen, aus welchen er uns aufmerksam musterte.
„Ist das Euer Knappe?", blaffte mein Gardist und deutete auf den wimmernden Kleinen, den er mittlerweile grob am Kragen gepackt hatte.
„Ja, ebenso wie es mein Pferd ist. Das Tier ist noch jung und etwas schreckhaft."
„Ihr solltet Euren Gaul erzogen haben, bevor Ihr ihn auf eine solch große Veranstaltung mitnehmt!"
„Er ist genau aus dem Grund hier, dass er sich an so etwas gewöhnen soll", antwortete der junge Mann erstaunlich entspannt. Mit einem sanften Lächeln wandte er sich an mich. „Bitte verzeiht mir, Mylady, ich wollte Euch nicht einen solchen Schrecken einjagen und auch bestimmt nicht, dass jemand zu Schaden kommt. Es tut mir leid."
Er machte Anstalten sich zu verbeugen und nach meiner Hand zu greifen, doch der Gardist, der noch bei mir stand machte einen eindeutigen, harten Schritt nach vorn, sodass der Ritter entschuldigend die Hände hob und mir stattdessen nur respektvoll zu nickte.
„Dürfte ich noch meinen Knappen wieder haben?", fragte er schmunzelnd und deutete auf das zitternde Kind.
„Baliin", murmelte der Soldat bei mir seinem Gefährten zu und mit einem letzten warnenden Blick ließ dieser den Kragen des Jungens los. Er plumpste zu Boden, blieb jedoch nicht dort sitzen sondern rettete sich halb stolpernd, halb krabbelnd zu seinem Herrn, der ihn kopfschüttelnd, aber mit einem leichten Lächeln auf den Lippen ansah.
„Was hast du nur wieder angestellt", hörte ich ihn noch sagen, während meine Wachen mich schon weiter scheuchten.

~

Grade als ich seufzte und mich wieder auf den Weg zu den Tribünen machen wollte, nachdem ich eine halbe Ewigkeit durch das Lager geirrt war, hörte ich wie jemand meinen Namen rief und sah Janus auf mich zu rennen. Mit wild rudernden Armen bremste er scharf ab und kam nur knapp zum Stehen, bevor er gegen Baliin geschlittert wäre, der sich vor mich gestellt hatte.
„Äh..." Mit großen Augen sah er zu dem gepanzerten Hünen auf, der seinen Blick vermutlich wenig beeindruckt erwiderte.
„Es ist in Ordnung", sagte ich. „Ihn habe ich gesucht."
Der Soldat warf kurz einen zweifelnden Blick zu mir, dann einen skeptischen zu Janus, bevor er gehorsam zur Seite trat.
„Hallo Janus." Lächelnd verschränkte ich meine Finger ineinander und betrachtete sein vom Laufen errötetes Gesicht.
„Aree." Er strahlte und streckte die Arme nach mir aus, besann sich aber noch rechtzeitig mit einem Seitenblick zu meinen Gardisten und ließ sie wieder sinken.
„Komm, wir gehen ein Stück", meinte ich und hakte mich bei ihm unter. Das wird ja wohl erlaubt sein.
„Laufen die dir immer hinterher?", fragte er mit einem unbehaglichen Blick über die Schulter, als wir schon ein paar Schritte gegangen waren.
Ich lächelte milde. „Ja, meistens. Außer Rajan ist bei mir."
„'Rajan'?" Er zog eine Augenbraue hoch und musterte mich kritisch. „So weit seid Ihr jetzt also schon, ja?"
Mit einem halbherzigen Versuch seine Schulter zu erwischen, schlug ich nach ihm, doch er hüpfte rechtzeitig zur Seite. „Janus. Wir werden vermutlich einen ziemlich großen Teil unseres Lebens miteinander verbringen. Da können wir uns nicht ewig wie Fremde behandeln."
„Hm", machte er nur und sah zu Boden. Er schien es immer noch nicht ganz akzeptiert zu haben, das ich mit Rajan ging und nicht mit ihm zurückgekehrt war. Aber Hauptsache er zettelte nicht noch einmal so einen Konflikt an, wie den Abend im Gasthaus.
„Wie lief es im Turnier?", fragte ich heiter, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. „Sehe ich dich heute?"
„Öööh." Er kratzte sich am Kopf. „Also, das war so, da war so ein Kerl, der war bestimmt fast fünfzig und der sah so aus, als würde er zum morgendlichen Training immer Löwen verprügeln und-"
Ich lachte. „Janus!"
Er ließ den Kopf hängen, musste aber grinsen. „Nein, ich hab's leider nicht geschafft. Aber ich übe weiter und beim nächsten Turnier schaffe ich es! Ich hab dir ja versprochen deinem 'Rajan' den in Samt gewickelten Hintern zu versohlen!"

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