Kapitel 15: Misstrauen

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  Ich starrte mit offenem Mund in die Richtung, in die Sarameh so eben verschwunden war.
Das. War. Keine. Halluzination.
Ich sah zu Roya. Ihr sonst durchgängig lächelnder Mund war zu einem dünnen Strich zusammengepresst und sie starrte auf den Boden. Sie hatte es gesehen, da war ich mir sicher.
Wut durchfuhr mich, kribbelte in meinen Fingerspitzen, sowie in meinen Zehen. Was war das hier? Was wurde hier für ein mieses Spiel gespielt?
Wir waren stehen geblieben, ohne dass ich es wirklich realisiert hatte. Fassungslos sah ich zum Zelt. Mein ach so ehrenhafter Verlobter betrog mich mit meiner eigenen Zofe. Zu allem Überfluss auch noch zu einem Zeitpunkt, in dem ich jeden Moment auftauchen könnte. Den Verdacht, den ich schon einige Zeit mit mir herum trug hatte sich letzten Endes bestätigt. Was würde Vater dazu sagen?
Ich presste bitter meine Lippen aufeinander. „Komm, Roya." Meine Worte klangen hart und hörten sich irgendwie fremd an, als ich sie weiterzog.
Nein, ich hatte nicht vor, ihn damit zu konfrontieren. Ich würde meine Manieren nicht vergessen und damit meine Ehre verletzen.
Ohne irgendeine Ankündigung platzte ich ins Zelt, Roya blieb draußen zurück. Den Lord fand ich eigentlich so vor, wie es immer war. Er saß in seinem Stuhl, das Kinn auf der Hand abgestützt und starrte in die Flammen der Kerze vor sich. Als ich herein stürmte sah er etwas verwundert auf, lächelte dann aber.
„Mylady." Er stand auf und kam mir entgegen, um mir einen Kuss auf die Hand zu hauchen. „Es freut mich, dass Ihr meine Einladung dieses Mal angenommen habt."
Du mieser Heuchler.
Ich setzte ein steifes Lächeln auf, antwortete aber nicht, sondern ließ mich einfach zu meinem Platz führen. Er huschte zu seinem und betrachtete mich über den Rand seines Weinkelchs hinweg, so wie er es immer tat. Eine Weile schwiegen wir uns an. Ich erwiderte seinen Blick trotzig. Ich war schlimm wenn ich sauer war, bockig wie ein Kind.
„Habt Ihr Hunger?", fragte er irgendwann.
„Nicht wirklich", erwiderte ich patzig. Verdammt. Ich wollte mich doch zusammen reißen.
Seine Augen verengten sich ein Stück. „Hm."
Da betrat Joffrey das Zelt. Ohne den Blick von mir zu lassen bat der Lord ihn, zu servieren. Erst als der Diener ihm das Essen auftat, hörte er auf mich anzusehen.
Ich nutzte den Augenblick einen flüchtigen Blick zu seinem Bett zu werfen. Es stand relativ unauffällig und halb durch einen behelfsmäßigen Vorhang verdeckt in der Ecke schräg hinter mir. So gut wie ich es eben möglichst unauffällig konnte musterte ich es genaustens, jedoch waren die Laken ohne Makel glatt gestrichen. Fast bedauerte ich es.
Ich schrak auf, als Joffrey mich ansprach. Etwas ertappt ließ ich mir ein wenig Essen auf tun.
Ohne den Lord eines weiteren Blickes zu würdigen kaute ich schweigend auf meinem Essen herum. Auch er machte sich nicht die Mühe ein Gespräch anzufangen.
Den Braten – natürlich eigens erlegter Hirsch – versuchte ich mit dem Salat zusammen runter zu würgen, trotzdem hatte ich irgendwie Probleme es herunterzuzwängen. Ergeben griff ich nach dem Weinkelch, da ja kein anderes Getränk zu Verfügung stand um den Brocken in meiner Kehle herunterzuspülen.
Es grenzte an ein Wunder, dass ich mich bei meiner Überraschung nicht verschluckte. Das was ich da gerade getrunken hatte war kein Wein. Der korkig-herbe Geschmack fehlte, sondern war eher fruchtig-süß. Irritiert sah ich auf – und begegnete dem amüsierten Blick von Lord Thymeris, der mich schon die ganze Zeit beobachtet hatte. Ein schelmisches Grinsen hatte sich in sein Gesicht gestohlen, das wieder die Grübchen auf seinen Wangen hervor rief. Es erinnerte mich an das eines Jungen, der einen Plan ausgeheckt hatte, der nun aufgegangen war. Wie gesagt, ich bin mit mehreren Brüdern aufgewachsen, ich wusste genau, wie ein solches Grinsen aussah. Zwar hatte er seinen Kelch in der Hand, versuchte aber nicht sein Amüsement zu verstecken.
„Traubensaft", erklärte er, nachdem er ein paar Sekunden meine Verwirrung genossen hatte. „Ich hatte den Eindruck, Ihr mögt keinen Wein."
Ich muss zugeben, ich war beeindruckt. Jeden anderen hätte das kein bisschen gestört. Schließlich gehörte Wein in unserem Stand zu einem normalen Mahl dazu.
Sein Grinsen hatte sich zu einem Lächeln vermindert, aber noch immer waren die Grübchen zu sehen. „In der Königsstadt wird das wohl nicht mehr möglich sein, aber bis dahin sollt Ihr Euch nicht quälen."
Warum errötete ich jetzt? Misstrauisch blickte ich in meinen Kelch, den ich immer noch in der Hand hielt, dachte kurz nach und bedachte den Lord dann mit einem prüfenden Blick. „Und warum muss ich dann weiterhin das Fleisch essen?" Ich wollte nicht zu aufmüpfig wirken, aber ein bisschen Provokation musste er ertragen, wenn ich schon seine Frau werden sollte.
Sein Lächeln verschwand, aber sein Blick war keineswegs hart, als er mich aufmerksam musterte. Langsam schüttelte er den Kopf. „Ihr könnt nicht nur von Salat leben. Ihr braucht das Fleisch."
„Andere Menschen verbringen ihr ganzes Leben, ohne jemals Fleisch gekostet zuhaben." Vorsicht, Aree. Du solltest ihn nicht so angreifen.
„Ja, und das ist eigentlich nicht richtig so." Antwortete er bestimmt und ohne zu überlegen. „Wir sollten dankbar sein, die Möglichkeit dazu zu haben."
So sehr es mich wurmte, darauf fand ich keine passende patzige Antwort mehr. Also widmete ich mich einfach wieder meinem Essen.
Natürlich war er vor mir fertig und betrachtete mich, bis ich das Mahl ebenso beendete. Ein schlechte Angewohnheit von ihm, wie ich fand. Dadurch,dass wir aber schweigend zu ende gegessen hatten, hatte ich genügend Zeit mir zu überlegen, wie ich den Lord aus der Reserve locken konnte. Für das, was er tat, fand ich wirkte er viel zu unschuldig und gefasst. Hatte dieser Mann denn gar kein schlechtes Gewissen? Wie würde er wohl reagieren, wenn ich anfing, in seinem Zelt herumzuschnüffeln? Irgendein Anzeichen auf Saramehs Anwesenheit vorhin musste es doch geben.
So legte ich lächelnd mein Besteck beiseite, tupfte mir vorbildlich den Mund ab und erhob mich. Man kann sich nicht vorstellen, wie sehr ich seinen verdutzten Blick genoss, als ich auf ihn zu kam – und an ihm vorbei lief.
„Ist die Möblierung aus dem Süden?" Autsch. Aree, das muss besser werden.
„Ja." Ich hörte wie er hinter mir den Stuhl zurück schob und sich erhob.
Ich strich mit der Hand über die kleine Kommode. „Und das Holz? Auch südländisch?" Mein Blick fuhr prüfend über die wenigen Sachen, die darauf standen, unter anderem teures Duftwasser. Benutzte er das überhaupt? Allerdings war alles wohl sortiert und sah nicht so aus, als wäre es erst beiseite geschoben und dann schnell wiedergerichtet worden. Was weiß ich, wo man überall unanständige Dinge tun konnte.
„Ja", antwortete er nur wieder. Ich wandte mich von der Kommode ab und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Außer dem Tisch, dem Bett und zwei Truhen befand sich aber keine sonstige Möblierung darin. Mist.
Etwas hilflos sah ich an den Wänden hoch, zur Decke. „Es ist beeindruckend, wie schnell Eure Männer diese Zelte errichten können." Langsam, darauf bedacht es möglichst zufällig wirken zu lassen, näherte ich mich seinen Truhen. „Wisst Ihr wie das geht?"
Die Truhen waren sorgfältig verschlossen und sahen auch sehr unauffällig aus.
„Nein. Also, doch, ja, aber ich denke nicht, dass Euch das wirklich im Detail interessiert."
Ich hätte mich fast wieder abgewandt, da fiel mir etwas auf, was hinter den Truhen versteckt war. Neugierig kniff ich die Augen zusammen und trat einen Schritt näher. Waren das Kleider?
Er räusperte sich hinter mir. „Verzeihung, Mylady. Ich vergaß die Zeit und hatte meinen Diener bereits fortgeschickt, musste mich aber noch umkleiden. Mir fehlte die Zeit, es ordentlich zu verstauen."
Ich drehte mich um und betrachtete ihn lächelnd. Ich hoffte das es nicht zu giftig wirkte.
Aber natürlich, Mylord. Natürlich. Das war die mickrigste Ausrede, die ich je gehört hatte. Er hatte gar nicht wissen können, wann genau ich komme, also hätte er quasi alle Zeit der Welt gehabt. Und ich wusste ja, dass Sarameh kurz zuvor bei ihm war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man sich vor diesem gewissen Vergnügen noch die Zeit nahm, die Klamotten vorsichtig abzulegen und ordentlich zu verstauen. Du mieser Lügner.
Ich spürte schon wie sich bei der neu aufkochenden Wut meine Züge verhärteten. „Ich denke ich werde mich jetzt zurück ziehen." Ohne irgendeine Antwort von ihm abzuwarten stürmte ich an ihm vorbei in Richtung Ausgang – kam aber nicht weit.
„Wartet!" Er ergriff mein Handgelenk und hielt mich zurück. Als ich zu ihm sah, stand in seinen dunklen Augen ein Ausdruck, den ich nicht ganz deuten konnte. Reue? Bedauern? „Ich möchte mich entschuldigen."
Ach was.
„Ich...Es war unüberlegt."
Wirklich?
„Ich wollte Euch nicht zu Nahe treten."
Bitte?
Er schien meinen verwirrten Ausdruck zu bemerken, denn seine Augen zuckten schnell über mein Gesicht. „Am Lagerfeuer. Es war nicht meine Absicht Euch zu bedrängen. Ich weiß, Ihr kennt mich kaum. Und ich war... ich habe nicht darüber nachgedacht, was ich da tue. Bitte verzeiht mir."
Mit einem wirklich reumütigen Blick sah er mich an. Ich hingegen hatte Mühe, meine Kinnlade vorm Herunterklappen zu bewahren. War das sein Ernst? Dachte er ernsthaft dieser seltsame Fast-Kuss war der Grund, warum ich so erzürnt war? Warum ich ihn eine ganze Woche ignoriert hatte?
„Schon gut", war das einzige was ich bei dem Gedankenchaos, welches in meinem Kopf herrschte, hervorpresste. Ich entzog ihm meine Hand und floh aus dem Zelt. Es war mir absolut egal, dass ich den Lord einfach so dort stehen ließ.  






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