Wie alles begann..

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Der Wecker klingelt. Es ist 6 Uhr 30. Ich will nicht auf stehen. Ich kann nicht aufstehen. Wie eine magische Kraft, werde ich immer tiefer in mein Bett gedrückt. Ich kann dass nicht. Nicht noch ein Tag voller Schmerz und Leid. Das halte ich einfach nicht mehr aus.

Es klopft an der Zimmertür. Sara, eine der Betreuerinnen kommt hinein.
"Bist du fertig?"
Fragt sie mich.
"Die anderen warten schon auf dich. Wir wollen los!"
Es klang sehr vorwurfsvoll. Sie schaut mich ernst an, als würde sie ernsthaft auf eine Antwort warten, doch ich will nicht reden. Es wird sowieso alles in frage gestellt, was ich sage.
"Jetzt mach es uns doch nicht wieder so schwer! Du versaust es auch wieder für die anderen."
Sagt sie, und verschwindet durch die Tür.
"Was soll ich denn machen? "
Meine Stimme ist so leise, dass ich mich selbst kaum hören kann.

Mit aller Kraft versuche ich mich auf zu setzen. Mein ganzer Körper schmerzt. Die Schläfen pochen, mein Kopf schmerzt und fühlt sich an als würde er jeden Moment explodieren.

Ich mache den Wecker aus, der schon wieder anfängt zu klingeln.
Die Eingangstür der Station knallt zu.
Ich bin allein.
Allein in der Psychiatrie.
Irgendwie schaffe ich es, diesen Gedanken und die, dabei entstandene Angst zu ignorieren.

Ich sammle noch einmal meine Kräfte, um mich auf die Bettkante zu setzen und ziehe meine lila Hausschuhe an. Meine Augen füllen sich mit Tränen, doch ich weiss nicht warum. Sie sind so schwer und müde, als wären sie noch nie zu gewesen.

Eine Träne läuft mir über die Wange.
Ich nehme die Klinge aus einer kleinen Schachtel, die unter meinem Kopfkissen versteckt ist.
Ich spüre gar nichts und doch so viel.
Ich schließe die Augen.
Als ich sie wieder öffne, sehe ich das rote Blut an meinen Armen entlang fließen.
Es tropft auf die Bettdecke, die immer noch über meinen Beinen liegt.
Ich sehe und fühle das warme, rote Blut und die Wunden, doch meine Kopf registriert es nicht.

Meine Füße tragen mich wie in Trance zum Kleiderschrank.
Ich ziehe einen schwarzen Kaputzenpulli und eine graue jogging Hose hinaus und streife sie mir über.

Ich gehe weiter Richtung Zimmertür.
Das erste Mal bemerke ich, daß sie den gleichen lila Ton hat, wie meine Hausschuhe.

Mit der rechten Hand drücke ich die Türklinke runter und öffne langsam dir Tür. Direkt vor mir, eine schwarze Wand. Ich gehe zwei Schritte vor.
Es ist nicht nur die Dunkelheit die mir Angst macht. Es ist auch etwas anderes.
Plötzlich knallt die Tür hinter mir zu.
Ich bin wie erstarrt und kann mich nicht bewegen.
Alles in mir schreit, dass ich weg rennen soll, doch ich kann nicht.
Ich spüre einen kalten Schauer, der meinen ganze Körper umzingelt.
Es gibt kein entkommen mehr.
Ich will an die Türklinke hinter mir fassen, doch irgendetwas feuchtes, dass zu gleich warm und kalt ist, hat sie vor mir zu fassen bekommen.

Ich falle zu Boden.
Ich schließe die Augen.
Ich habe Angst.
Todes Angst.
Ich will um 'hilfe' schreien,
doch kann einfach nicht.
Die Dunkelheit hat mich gefangen
und alles wird schwarz.

Als ich wieder zu mir komme, werde ich von einem hellem Licht geblendet. Die Deckenbeleuchtung wurde angeschaltet. Meine Kopf schmerzt noch mehr. Am liebsten würde ich ihn nicht mehr bewegen.
Ich schaffe es irgendwie mich auf zu setzen. Ich muss mich mit der einen Hand an der wand stützen, um nicht wieder zu stürzen.
Ich gehe Schritt für Schritt langsam an der Wand entlang.

Ich kann Stimmen hören, doch weiss nicht aus welcher Richtung sie kommen.
Vielleicht sind sie ja nur in meinem Kopf?
Vielleicht aber auch nicht.
Ich gehe Richtung Küche.
Zwei Personen stehen an der Arbeitsfläche angelehnt und halten jeweils eine Tasse in der Hand. Sie reden mit einander und lachen.
Mir wird schwindelig.
Ich weiss nicht mehr wo oben und unten ist.
Ich spüre wieder dieses feuchte, was zu gleich warm und kalt ist, meine Hände und Arme entlang kriechen.
Ich sehe wie die zwei Personen auf mich zu gelaufen kommen.
Die eine schreit, doch ich verstehe nicht was sie sagt.
In diesem Moment Wird mir schwarz vor Augen und die Dunkelheit hat mich wieder gefangen.
Ich höre nur noch wie mein Kopf dumpf auf den harten Boden auf knallt.

Ich sehe Licht.
Was ist passiert?
Das Licht wird immer heller und blendet mich. Dann ist es plötzlich wieder weg.
Ich sehe wie sich jemand über mich beugt, doch kann noch nichts genaues erkennen, da alles verschwommen ist.
Ich erkenne einen weißen Kittel.
Irgendwer verbindet mir gerade die Arme.
Ich realisiere langsam, was geschehen sein muss.

Warum haben Sie mich nicht einfach sterben lassen? Warum mussten Sie mich retten? So ein Leben ist doch nicht Lebenswert. Jeden Tag die selben Schmerzen und Qualen. Das kann doch nicht deren Ernst sein?!

Das sind meine ersten Gedanken nach meinem zweiten, missglückten Suizid Versuch.

Ich blinzle und öffne die Augen einen Spalt.
"Sie ist wach."
Höre ich eine Stimme sagen.
Es ist meine Betreuerin.

Ich fühle mich so hilflos.
So ausgeliefert.
Und genau darum Schäme ich mich.
Nicht weil ich versucht habe mich umzubringen. Nein. Weil ich es mal wieder nicht geschafft habe.

Eine weitere Betreuerin kommt in das Zimmer.
Deine Augen sind voller Sorge und Angst.
Etwa meinet wegen?
Man sieht dir an, dass du mit den Tränen kämpfen musst.
Du umarmst mich immer, wenn es mir schlecht geht. Du bist die einzige, der ich überhaupt noch vertrauen kann. Du bist der Grund, weshalb ich es wohl nie schaffen werde.
Du gibst mir unglaublich viel Kraft und Hoffnung, die ich zum Überleben brauche.
Du gibst mir immer so viel Liebe und Geborgenheit. So einen Menschen habe ich vorher noch nie getroffen.

"Was ist passiert, Herzelein?"
Fragst du mich, mit zitternden Stimmte.
Aber ich will jetzt nicht reden.
Ich will die Augen schließen und alles um mich herum vergessen.
All die Erinnerungen und Gedanken sollen einfach verschwinden.

Ich höre wie der Arzt irgendetwas von 'Stabil genug' und 'viel ruhe' redet.
Dann kommt er zu mir.
"Tascha. Kannst du mich hören?"
Ich überlege, ob ich etwas sagen soll, doch nicke dann kaum merkbar.
Er leuchtet noch einmal mit einer kleinen Taschenlampe, in meine Augen.

Du nimmst meine Hand in deine und fragst mich, ob ich dich hören kann.
Ich drücke deine warme, weiche und doch kräftige Hand ganz kurz.
Das machen wir oft, wenn ich mal wieder in so einem Dissoziativen Zustand bin, und nicht in der Lage bin, klar zu denken und zu antworten.
Ich merke sofort, dass dir gerade ein Stein von Herzen gefallen ist, als ich deine Hand gedrückt habe.
Du umarmt mich kurz.
Währenddessen kam Sara, die Betreuerin von heute morgen, ins Ärztezimmer.
Beide helfen sie mir auf, damit ich mit auf setzen kann.
Der Arzt geht raus und kommt kurze Zeit später, mit zwei Sanitäter wieder zurück.
Die Sanitäter stützen mich von beiden Seiten, da ich noch sehr wackelig auf den Beinen bin. Wir gehen in den Flur. Hier steht eine Trage. Ich soll mich drauf legen.

Mir ist alles egal.
Egal, was sie jetzt mit mir machen.
Egal, wo sie mich hin bringen.
Egal, wie lange ich an diesem Ort sein werde.
Egal, was sie mit mir anstellen.
Mir ist alles egal.

Sie schallen mich mit Gurten fest. Draussen schieben sie mich in den Krankenwagen.
Mein Kopf schmerzt und mir wird schon wieder schwindelig.

Auf einmal bist du weg gegangen.
Wo willst du hin?
Du sollst doch bei mir bleiben.
Bitte..
Ich mache die Augen zu und wünsche mir ganz fest, dass du wieder zurück kommst.
Als ich die Augen öffne, sitzt du neben mir auf einen Stuhl, im krankenwagen.
Wir sind am fahren.
Bestimmt auf dem Weg ins nächste Krankenhaus.
Mir ist so kalt.
Ich bin am zittern.
Du legst deine eine Hand auf meine.
Es wundert mich nicht dass ich sofort ruhiger werde.
Alles Wird schwarz vor meinen Augen.
Ich höre noch irgendwelche Monitore, die anfangen laut zu piepen.
Du bist bei mir und dass ist das einzige was für mich zählt.

Ich kann mich endlich fallen lassen.

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