Das Baby

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Meine Mutter ist so geschockt, dass sie kein Wort raus bringt. Dann fängt sie an zu heulen. Ich will gehen, aber meine Therapeutin geht dazwischen.
"Du wirst bald Mutter, Tascha. Du musst lernen dich Situationen zu stellen, jetzt wo du ein Kind erwartest."
Also sitze ich da und versuche es durch zu stehen. Meine Therapeutin versucht meine Mutter zu beruhigen, die jetzt aufgebrachter ist, als ich es jemals war. Naja, vielleicht doch nicht ganz so sehr, doch hatte man das Gefühl, dass sie jeden Moment ausrasten würde. Letzt endlich bricht meine Therapeutin das Gespräch ab. Wir wollen uns in zwei Tagen noch einmal mit dem Jugendamt zusammen setzen. Ich bin ja noch minderjährig..

Der restliche Tag verlief ziemlich ruhig. Alles war wie immer. Zimmer, Mittagessen, Zimmer, Spatzieren, Zimmer, Abendbrot, Zimmer, schlafen.

Am nächsten Morgen, bei dem Frühstück werden unsere Termine aufgezählt. Als mein Frauenarzt Termin aufgezählt wurde, schauten mich alle verwundert an. Wie war das noch Mal mit dem Datenschutz? Ich halte das nicht aus, wie mich alle anstarren. Ich stehe auf, stelle meinen Teller weg und gehe ins Zimmer. Der Betreuer, der mit am Tisch sitzt, ruft mich zwar zurück, doch ignoriere ich es gekonnt. Etwas später klopft eine Frau an meiner Zimmertür. Sie will mich zum Arzt fahren.

Die Fahrt über spreche ich kein Wort. Sie versucht oft, ein Gespräch an zu fangen, doch habe ich nicht den Kopf dazu. Ich will nicht zu diesem Arzt. Ich will nicht untersucht werden. Ich will nicht darüber reden. Ich will einfach nur weg.

Wir stehen im Parkhaus und sitzen noch immer im Auto. Sie dreht den Autoschlüssel um und der Motor erstummt. Ich sitze stumm da. Sie grinst mir zu und legt eine Hand auf meinen Oberschenkel.
"Du schaffst dass schon. Da muss jedes Mädchen mal durch."
Die hat doch keine Ahnung, wovon sie da spricht. Ich verdrehe die Augen, schnalle mich ab und steige aus dem Auto. Mit gezielten Schritten gehe ich hinüber zum Ärztehaus. Während ich am großen Schild, mit den Beschreibungen der ganzen Ärzte vorbei laufe, habe ich gesehen das der einzige Frauenarzt im Haus, im 1. Stock ist.
Ich gehe zu den Treppen hinüber und nehme immer zwei Stufen auf einmal nach oben. Ich gehe in die Praxis hinein und muss mich erst einmal an eine Schlange anstellen.
Meine Aufregung steigt. Warum muss ich warten? Wenn ich warte, mache ich mir mehr Gedanken, mehr Gedanken, mehr unwohlsein, mehr unwohlsein, schnelleres abhauen.
"Tascha. Ich habe einen Termin."
Die Frau hinter der Rezeption schaut nicht einmal hoch.
"Krankenkarte Bitte!"
Ich schaue mich um. Zum Glück kommt gerade die Frau, die mich gefahren hat, hinterher. Als sie mich sieht, atmet sie erleichtert aus.
Die Frau an der Rezeption schaut auf.
"Ich brauche deine Krankenkarte."
Die andere Frau kommt auf mich zu, fischt meine Karte uns ihrer Tasche und gibt sie mir. Ich gebe sie weiter.
"Danke."
Sagt die Frau hinter der Rezeption.
"Nimm Bitte im Wartezimmer platz."
Wieder warten. Ich nehme meine Karte wieder endgegen und suche schnell alles nach dem Wartezimmer ab. Als ich es gefunden habe, gehe ich darauf zu.
Nach ungefähr 10 Minuten wurde ich von einer Schwester aufgerufen. Ich muss eine Urin Probe abgeben. Na toll.

Eine halbe Stunde später, werde ich dann erneut aufgerufen.
Ich gehe in das Behandlungszimmer. Mein Bauch schmerzt. Ich habe das Gefühl mich übergeben zu müssen.
Hinter einem Schreibtisch sitzt eine ältere Frau. Sie hat schon ein faltiges Gesicht und teilweise graue Haare, aber sieht ansonsten fitt aus. Sie reicht mir die Hand.
"Hallo. Wie geht's dir? Ich darf doch noch du sagen oder?"
"Hallo. Ja alles gut."
Beantworte ich beide fragen gleichzeitig.
"Wir wollen heute mal schauen ob man schon mit dem Ultraschall etwas erkennt."
Grinst sie aufgeregt.
Mehr als ein "hmm." Bekomme ich gerade nicht mehr raus. Sie führt mich zu dem Stuhl. Der Stuhl. Von vielen jungen Mädchen gefürchtet. Aber bestimmt nicht so sehr wie von mir.
"Hier wirst du dich gleich drauf setzen. Deine Beine werden auf diesen Stützen liegen und dann, brauchst du dich nur noch nach hinten legen und zu entspannen.
Dort kannst du dich schon mal unten rum entkleiden, bitte."
Erzählt sie mir und deutet auf eine Umkleide. Währenddessen zieht sie sich Gummihandschuhe über die Finger. Ich will zu der Umkleide gehen, doch bleibe wie erstarrt in meiner Bewegung stehen, als mir klar wird, dass ich mich jetzt wirklich ausziehen muss. Die Ärztin bemerkt dies, als mir die erste Träne über die Wangen kullert.
Sie kommt auf mich zu und fragt was los ist. Sie legt eine Hand auf meine Schulter, was mich eigentlich beruhigen sollte, doch diese Berührung erzeugte genau das Gegenteil. Ich schlage ihre Hand, mit einer Armbewegung von mir weg. Sie schaut mich erschrocken an.
"Du musst schon eine Menge durch gemacht haben."
Sagte sie mitleidend.
"Naja."
Sagte ich.
"Bringen wir es hinter uns!"
Sie wendet sich ein Stück ab und läßt mir Platz, um zum Stuhl zu gehen.
Ich gehe also, wie ein Roboter zu diesem Stuhl. Setze mich auf ihn. Spreize meine Beine und lasse es geschehen.

Die Ärztin versucht mir zu erklären was sie tut, doch ich habe meine Augen die ganze Zeit über geschlossen und wünsche mich an einen anderen Ort. Als sie mir das dicke, runde Ultraschallgerät ein führt, verkrampft mein ganzer Körper. Gleichzeitig denke ich nur an das Baby, in mir drin. Es ist zu dessen wohl. Ich stehe es nur seinet wegen durch.
Als alles vorbei ist und ich mich wieder angezogen, vor dem Bürotisch befinde, erzählt die Ärztin mir, dass ich eindeutig schwanger sei. Um genau zu sein in der 12. Woche.
Sie sagt mir, dass es zu spät sei um abzutreiben. Es gäbe allerdings noch andere Möglichkeiten dieses Kind los zu werden. Zum Beispiel über eine Adoption. Doch dies kommt für mich gar nicht in frage. Dieses unschuldige Baby kann nichts dafür wie es gezeugt wurde und von wem es stammt. Es kann nichts dafür!

Zurück in der Klinik habe ich nur das Bild von dem Baby in meinem Kopf. Den Mutterpass, den ich bekommen habe, wo alle Daten drinne stehen, wurde mir abgenommen. Ich habe nur dieses Bild in meinem Kopf. Dieses Baby wird es gut haben. Dieses Baby wird ein tolles Leben führen können. Diesem Baby wird es an nichts fehlen. Ich werde dieses Baby lieben und beschützen. Ich weiss noch nicht wie aber irgendwie werde ich es schaffen.

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