Einfach nur frei sein

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Ich träume davon, wie wir beide am Strand spazieren gehen. Plötzlich fängt es an zu Stürmen, aber du sagst nichts, und gehst einfach weiter, als wenn nichts wäre. Ich schaue auf den Boden und bemerke das wir den Strand schon hinter uns gelassen haben, ebenso den Hafen. Wir gehen einen Steg entlang.
Das irritiert, aber verunsichert mich nicht.

Wir gehen stumm neben einander her. Ich spüre plötzlich, dass meine Füße nass werden. Dass Meer ist gestiegen und das Wasser schwappt schon über den Steg. Es zieht sich an meiner Hose hoch. Es ist merkwürdig warm und obwohl mittlerweile ziemlich starker kalter Wind aufgezogen ist, friere ich nicht. Ich glaube, dass du von all meinen Gedanken überhaupt nichts mit bekommst, denn du gehst immer noch stumm neben mir her. Du bist wohl selber in deiner eigenen Gedankenwelt.

Auf einmal bleibst du ruckartig stehen. Als wüsstest du was gleich passieren wird, siehst du mir in die Augen und hältst meine Hände in deinen.
Du flüstert mir etwas zu. Ich verstehe kein einziges Wort, doch das merkst du nicht. Auf einmal, ohne jeglichen Grund, rutsche ich aus und falle mit dem Kopf gegen einen Stein.

Ich sehe uns von oben. Wie ich da liege und du neben mir stehst. Du flüsterst mir etwas zu und gibst mir einen Kuss auf die Stirn. Du stehst wieder auf und lächelst. Auf einmal Wird mir eisig kalt. Es fühlst sich an, als würde die Kälte des Meeres mich einschließen wollen.
Ich treibe auf dem Wasser davon. Sobald ich aus deiner Sichtweite bin, verschwinden die grauen Wolken und die Sonne kommt hervor. Sie blendet mich. Als wenn sie direkt über mir wäre.

Ich schlage die Augen auf. Irgendetwas steckt in meinem Hals. Ich muss würgen. Da bemerke ich den Schlauch, der in meinem Hals steckt. Ich ziehe mir den Schlauch raus. Mein ganzer Hals brennt, als wären dort tausend, kleine Glasscherben. Mir schießen die Tränen in die Augen.

Ich schaue mich in dem Zimmer um.
Es ist ein Einzelzimmer. Die Wände sind weiß, genauso die Decke, die Lampe, die an ihr befestigt ist und das Bett auf dem ich liege. Alles ist weiß. So steril.
Auf einmal kommt eine Krankenschwester ins Zimmer. Als sie merkt, dass ich zu mir gekommen bin, geht sie wieder hinaus und holt einen Arzt.

Nun stehen sie alle um mich herum und schauen mit ausdrucksloser Miene auf mich hinab.
Wo bist du? Ich brauche dich doch! Du kannst mich doch jetzt nicht alleine lassen!
Ich fühle mich so alleine, ängstlich, verlassen, einsam und schwach. Nicht so kraftlos wie Normalerweise, sondern wirklich schwach.

Mir wird von der Krankenschwester erklärt, dass ich im Krankenhaus bin und dass ich jetzt erst mal Ruhe benötigen würde. Ich solle versuchen ein wenig zu schlafen, um wieder zu Kräften zu kommen.
Das klingt ja gut und schön, aber ich will, dass du bei mir bist!
Ich versuche die Krankenschwester zu fragen, wo du bist, doch statt meiner normalen Stimme, kommt nur ein krächtzen aus meinem Hals.
Wieder packt mich die Angst. Als wüsste sie, was ich sagen wollte, grinst sie mir zu, nickt ganz kurz und geht mit dem Arzt aus dem Zimmer.

Jetzt fühle ich mich nicht nur allein und einsam, sondern bin es auch, Wortwörtlich. Ich lausche den Stimmen aus dem Flur. Ich verstehe nicht was sie sagen, also lausche ich dem Summen der Deckenlampe und dem piepen der Monitore neben mir.
Erst jetzt bemerke ich, dass ich eine kanüle in meiner linken Hand habe, die an einem Tropf befestigt ist, und ich überall mit Kabeln bedeckt bin.

Wieder bekomme ich es mit der Angst zu tun. Ich stelle mir vor, wie erleichternd es wäre, jetzt alle Kabel von mir zu reißen und einfach los zu laufen. Egal wo hin. Einfach nur weg von hier. Weg von mir selbst. Aber ich glaube, dass ich dazu noch zu schwach bin. Ich bin noch so müde.

'Wie konnte das alles wieder passieren? Du weisst doch dass ich nicht mehr kann. Das ich keine Kraft zum kämpfen habe. Also warum lässt du zu, dass ich weiterhin so ein scheiss leben führen muss? Warum hast du dafür gesorgt, dass ich hier her gebracht wurde? Hier her, wo mir geholfen werden kann körperlich zu Kräften zu kommen - so weit es meine Psyche zu lässt. Willst du mich auch noch quälen? Warum tust du mir das an?'

Ich setze mich ein Stück auf. Mein Kopf ist wie ausgeschaltet. Auf einmal merke ich, wie ich mir mit der rechten Hand die Kanüle raus ziehe. Ich ziehe mir meine Jogging Hose und meinen Kaputzenpulli mühsam über. Die Kabel kann ich erst ganz zum Schluss abreissen, da die Monitore wahrscheinlich anfangen werden zu piepen.
Ich ziehe mir noch schnell meine Schuhe an. Wie die hier her gekommen sind, weiss ich auch nicht.
Noch einmal durch atmen. Ich reiße in einem Ruck alle Kabel von mir und gehe zur Tür. Noch etwas wackelig auf den Beinen, öffne sie ein Stück. Ich lausche und spickte um die Ecke. Da niemand zu hören oder zu sehen war, rannte ich mit all meiner Energie los. Ich höre die Monitore piepen, und so ein rotes Licht über der Zimmertür auf blinken.

Ich fühle mich leicht wie eine Feder. Ich renne und meine Beine schaffen es tatsächlich mich noch zu tragen.
Auf einmal höre ich Wie jemand meinen Namen ruft. Irgendetwas löst es in mir aus, denn ich bleibe stehen und schaue zurück. Da stehst du. Völlig entsetzt von meinem Verhalten.
Oh nein! Warum?
Ich drehe mich um und laufe weiter. An der Tür, zu den Treppen angelangt, höre ich, wie du immer wieder meinen Namen rufst. Während ich mühsam die Tür öffne, blicke ich nach hinten und sehe wie du mit dem Arzt auf mich zu gelaufen kommst. So schnell wie nur möglich renne ich die Treppen runter.

Im Erdgeschoss angekommen, rast mein Herz. Meine Lunge brennt und ich ringe nach Luft. Mein Kopf, wie üblich, zerspringt jeden Moment wegen dem ganzen Druck.
Ich laufe zum Ausgang. In dem Moment sehe ich zwei Polizisten, die hinein gehen. Ich senke mein Tempo und gehe mit schnellen Schritten an ihnen vorbei.
Als sie hören und sehen wie du und der Arzt hinter mir her rennen und meinen Namen ruft, machen sie kehrt und machen es dir gleich. Ich fühle mich gefangen. Ich merke, wie mir schlecht wird und ich mich wohl jeden Moment übergeben werde. Ich höre deine Stimme hinter mir.
Ich schließe die Augen und lasse mich einfach von meinen Füßen tragen. Der kühle Wind in meinem Gesicht, gibt mir das Gefühl wirklich zu fliegen. Es ist so schön. Ich bin so leicht. So frei. Frei von all den Erinnerungen. Von all dem Schmerz. Ich höre und sehe rein gar nichts. Ich fühle nichts. Nur Zufriedenheit.
Ich renne weiter. Immer, immer weiter. Wie schön sich das anfühlt.

Auf einmal falle ich. Ich höre Autos die hupen und andere die bremsen und dessen reifen quietschen. Leute, die schreien.
Ich öffne die Augen. Ich bin verwirrt.
Wo bin ich? Was ist los?
Ich liege auf dem Gehweg. Vor mir sehe ich die Psychiatrie.
Bin ich wirklich so weit gelaufen?
Erst jetzt bemerke ich den Streifenwagen neben mir. Zwei Polizisten steigen aus. In mir steigt die Panik auf. Ich will hier weg, doch mein eines Bein hält mich nicht mehr. Die ersten Tränen kullern über meine Wangen. Eine der Polizistinnen kommt zu mir. Sie soll gehen. Sie sollen alle gehen. Ich will alleine sein. Ich will wieder frei sein. Warum checkt ihr das nicht? Ich will doch einfach nur meine Ruhe!
Der andere Polizist geht zurück zum Streifenwagen und schickt die ganzen Gaffer weg.
Die Polizistin hockt sich neben mich. Sie schaut mich an und redet mit mir. Ich höre ihre Stimme, doch in meinem Kopf kommt nichts an.
Was sagt sie bloß?
Aber laut ihrer Reaktion, ist sie nicht sauer, sondern leicht besorgt und auf irgend einer Art und Weise beruhigt ihre Stimme mich. So sitzen wir da, auf dem Boden. Nach gut 5 Minuten, kommst du aus einem Auto gestiegen. Du kommst auf mich zu und siehst echt sauer aus. Du sagst mir, dass du sehr enttäuscht von mir bist. Ich fange wieder an zu heulen. Die Polizistin und du helft mir zum Streifenwagen zu kommen. Zusammen fahren wir, ohne noch ein Wort gesagt zu haben zurück ins Krankenhaus.

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