Zusammenbruch 2.0

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Ich muss wohl gleich wieder zu mit gekommen sein, denn ich liege immer noch auf dem Boden. Ich rappel mich auf, doch bin immer noch sehr wackelig auf den Beinen. Ich öffne die Tür und gehe auf den Flur.
Es ist leise. Meiner Meinung nach, zu leise für eine Psychiatrie. Ich bekomme Angst. Nein! Regelrechte Panik steigt in mir auf. Was soll ich tun? Ich beschließe jemanden zu suchen und stolpere Richtung Küche. Doch auch dort ist niemand.
Wieder höre ich Stimmen, aber sehe niemanden.
Wo sind sie nur alle hin? Sehr merkwürdig.
Auf einmal höre ich hinter mir eine Tür auf gehen. Sie quietscht. So doll, dass es schon fast in den Ohren weh tut.
Verschreckt drehe ich mich um und sehe wie ein Mann und 4 Jugendliche durch die Tür, auf die Station kommen. Noch einer und noch einer.
Ich glaube es sind jetzt acht oder neun Leute, die durch die Tür gekommen sind. Eigentlich interessiert es mich auch gar nicht, denn ich habe gerade anderes im Kopf.

Ich starre immer noch auf die Tür, als mich jemand von hinten auf die Schultern tippt. Statt vor Schreck zu kreischen oder mich um zu drehen, bleibe ich wie erstarrt stehen und rühre mich kein Millimeter.
"Ganz rugig" sagt eine tiefe, raue Männerstimme zu mir.
"Ich wollte dich doch nur fragen, ob du auch etwas zu essen möchtest."
Ich drehe meinen Kopf langsam zur Seite. Er schmerzt. Wahrscheinlich noch immer vom sturz.
Ich weiß nicht was ich jetzt tun soll. Soll ich antworten? Soll ich einfach gehen? Am besten rennen. Weg von hier. Weg von all diesen Menschen. Weg von mir selbst.
Ich habe noch gar nicht zu Ende Gedacht, als der Mann mit einem Tablett aus der Küche kommt.
Das er sich überhaupt bewegt hat, habe ich gar nicht mit bekommen.
Er stellt das Tablett auf den Tisch. Das essen darauf sieht aus, wie schon ein mal - Nein - zwei mal gegessen.
Ich setze mich auf einen der zwölf, mit rotem Stoff überzogenen Stühlen.
Der Mann grinst mir zu und geht wieder zurück in die Küche.

Ich nehme die Gabel und stochere im Essen herum. Der Mann kommt mit einer Flasche wasser und zwei Gläser zurück. Er setzt sich an die Ecke, genau Schräg neben mir und starrt mich an.
Ich bekomme so ein merkwürdigen Druck im Bauch.
Als wenn all meine Gefühle, Wut, Angst, Traurigkeit und Verzweiflung auf einmal hinaus brechen wollten.
Ich fange an zu weinen. Erst eine, dann zwei Tränen. Es werden immer mehr und meine Wangen fangen an zu brennen.

Ich nehme den Teller der vor mir steht und schleudere ihn durch den Raum.
Was ist los mit mir?
Warum mache ich dass?
Der Mann berührt mich vorsichtig mit seiner Hand an meinen linken Oberarm. Wahrscheinlich versucht er gerade mich zu beruhigen, doch es gelingt ihm nicht. Im Gegenteil.
Ich springe auf, renne zur Eingangstür und schlage auf sie ein. Die Scheibe zerspringt. Meine Hände bluten.
Ich schreie.
Warum tue ich das alles?
Das bin nicht ich.
Das tut mein 'anderes' ich.
Plötzlich höre ich, wie ich deinen Namen rufe.
Zwei weitere Personen kommen auf mich zu gerannt.
Was soll das?
Was wollen die von mir?
Ich trete immer noch auf die Tür ein. Auf ein Mal werde ich nach hinten gezogen. Ich falle.
Was soll das?
Ein Betreuer schmeißt sich auf mich.

Völliger zusammenbruch.

Auf einmal stehst du vor mir. Ich starre dich an. Langsam werde ich  ruhiger, nur weil du vor mir stehst und mit mir redest. Der Betreuer geht von mir runter. Ich reiße mich los und renne in deine Arme. Du hältst mich fest. Du sagst mir, dass ich jetzt mit den anderen in 'mein' Zimmer gehen soll, um mich zu beruhigen. Du musst jetzt wieder gehen und vor allem sagst du mir, dass du von meinem derzeitigen Verhalten enttäuscht bist. Ich schaue dir in die Augen. Ich hoffe dort irgendetwas zu sehen, so wie sonst auch immer. Doch ich sehe nichts. Nur Wut. Du drückst mich von dir weg.
Was jetzt mit mir passiert, weiss ich nicht. Es ist mir auch egal. Ich denke gerade nur an deine Worte.

Es kann nicht sein! Nein! Du darfst nicht gehen! Das kannst du nicht machen! Bitte nicht!

Sie bringen mich in das Zimmer zurück und legen mich auf das Bett. So eine komische, ältre Frau setzt sich dazu. Sie versucht mit mir zu reden. Ich sehe, dass sich ihre hellen Lippen bewegen, aber ich höre ihre Stimme nicht.
Was soll das?
Jetzt schaut sie zu den anderen und sagt ihnen irgendetwas. Diese schauen sie mit ungläubigen Blicken an, doch verschwinden aus dem Raum.  Erst jetzt bemerke ich, dass ich immer noch am weinen bin.
Ich schaffe es nicht, mich selber zu beruhigen. Als wäre dies das Stichwort gewesen, kommt ein Betreuer mit einer Spritze in den Raum.
Und schon wieder schlafen, denke ich, aber diesmal schlafe ich davon nicht ein. Ich höre plötzlich auf zu weinen. Ich verstehe die Frau. Sie will mit mir über dich reden. Warum du mir so wichtig bist und warum ausgerechnet du..
Ich weiß es ja selber nicht. Es ist einfach so.
Sie erzählt auch viel von sich, dass sie damals im selben alter ähnlich empfunden hat, wie ich. Erst zweifle ich stark daran, da ich dass schon oft gehört habe, doch alles was sie von sich erzählt, passt auch zu mir. Auf einmal sagt sie, dass sie gehen muss, aber morgen wieder kommt.
Ich bin zwar irgendwie traurig darüber, aber bin ich auch so müde, dass ich erst einmal schlafen muss.
Ich fange an zu träumen;

Mir ist kalt. Ich höre Schlurzen über mir. Eine Träne Tropft mir ins Gesicht. Ich mache die Augen auf. Ich sehe dich. Du hältst meinen Kopf in deinem Schoß. Meine Arme und Beine sind eiskalt.
"wo bin ich?"
Zwei Menschen, die ich zuvor noch nie gesehen habe kommen in den Raum. Es ist das Mädchen Bad der geschlossenen Station.
"Warum liege ich hier? Und warum weinst du?"
Die zwei Menschen heben mich gemeinsam hoch und tragen mich in das Ärzte Zimmer. Meine Arme fühlen sich nass an.
Noch ein Mann kommt in das Zimmer. Er wickelt Druckverbänder um meine Arme.
"Wo bist du? Was ist passiert?"
Ich bin völlig verwirrt. Zwei Sanitäter kommen in das Zimmer.
"Was wollen die denn noch hier?"
Sie heben mich auf eine Trage.
"Was soll das? "
Ich bekomme Angst!
Sie zieh mir die Hose aus.
An meinen Oberschenkeln machen sie auch Druckverbänder drum.
Ich kann mich nicht wehren.
Plötzlich kommst Du rein.
Du hast eine Tasche bei dir. Du gibst sie den Sanitätern. Sie schieben mich in den Flur.
Mir wird schwarz vor augen.
Ich höre noch wie jemand ruft:
"LOS!! SCHNELL!!" und dann ist alles schwarz.

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