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Phil

„Bis Morgen Tail!", rief ich meinem besten Freund noch zu und machte mich dann auf den Heimweg. Kühler Wind wirbelte um mich herum, als ich aus der High School trat.
Vor dem Tor konnte ich schon Spikes schrottigen Wagen sehen. Ein Lächeln trat auf mein Gesicht. Spike behandelte mich immer wie einen kleinen Bruder, er hatte mich wohl sehr gern, was auch auf Gegenseitigkeit beruhte. Er war außen ziemlich unnahbar, aber wenn man erst mal den harten Kern geknackt hatte, kam sein weiches Herz zum Vorschein.
Ich stieg in den Wagen und ließ meine Schultasche von der Schulter gleiten.

Wir waren schnell am Waldrand, wo Spike das Auto parkte. Gemeinsam stapften wir zwischen die großen Bäume, dorthin, wo das Sonnenlicht nur begrenzt hinkam.
Der Wald war meine Heimat, nicht jedoch Glendoms. In Glendoms hatte ich eigentlich ein tolles Leben gehabt, aber eines Tages verliebte ich mich in ein Mädchen. Doch ausgerechnet sie war zu schwach für Glendoms und wurde einfach verbannt. Ich sah sie nie wieder und das brach mir fast das Herz.
Ich floh nur drei Tage später wie Spike und Johanna, deshalb erwischte ich sie noch auf ihrem Weg. Ohne viel zu fragen ließen sie mich mit sich reisen, und ich war dafür dankbar.

„Geh gleich rein, es regnet sowieso gleich. Ich muss nochmal in die Stadt, unsere Mikrowelle hat gestern den Geist aufgegeben.", sagte Spike zu mir und riss mich damit aus meinen Gedanken.

„Wird gemacht."
Ich dachte an Luna, und mein Herz schlug schneller. Ihre Gesellschaft war so beruhigend und einfach, deshalb freute ich mich auf sie.

Luna

Gegen Nachmittag kam Phil wieder, er machte einen müden Eindruck, ließ sich aber nichts anmerken. Johanna und er warfen sich nur einen kurzen Blick zu, anscheinend war ihr Verhältnis nicht gerade gut.

Um nicht zu abweisend zu wirken, sprach ich Phil an, als Johanna kurz nach draußen verschwand.
„Hey, wie war die Schule?"

„Wie immer. Meine Kreativität kann ich da leider nicht so gut ausarbeiten wie hier."
Er schmunzelte.

Lächelnd schlang ich die Arme um meine Knie.
„Erzähl mir was über deine Erfindungen. Irgendwas."

„Gerne. Siehst du die Kartons da drüben?"
Er zeigte auf einen Stapel Pappkartons, die krumm und schief an der Wand gestapelt waren. Ich nickte.

„Okay. Jetzt schau dir das Stück Wand rechts daneben an. Fällt dir was auf?"

Konzentriert sah ich an die unscheinbare, graue Wand. Schon wollte ich mit den Schultern zucken, als ich eine winzige Hervorhebung in der Mitte des Wandstücks sah.
Ein aufgeregtes Keuchen entfuhr mir, als ich blitzschnell aufsprang und hinüberlief. Tatsächlich konnte ich einen kleinen Knopf ausfindig machen, der genau die gleiche Farbe wie die Wand dahinter hatte.
„Drück drauf.", raunte Phil mir zu, der jetzt hinter meinem Rücken stand. Zögernd presste ich meinen Finger auf das kalte Metall. Kaum hatte ich das getan, fielen die Kartons neben uns rumpelnd in sich zusammen und ich machte erschroken einen Satz nach hinten, nur um gegen Phils Brust zu stoßen. Verlegen richtete ich mich auf.
„Ähm. Tut mir leid...", meine Stimme klang ungewohnt piepsig. Er erwiderte nichts sondern sah mich nur seltsam an. Ich wusste nicht, wohin mit meinen Händen, deshalb drehte ich mich schnell zu den Kartons um, die auf dem Boden lagen.
Dort wo sie gestanden hatten, tat sich nun ein kleines Loch vor uns auf, groß genug, dass ein Mensch durchklettern konnte. Der kleine Zwischenfall war vergessen, neugierig steckte ich meinen Kopf in die Öffnung.

„Los, geh schon rein, ich weiß doch, dass du vor Neugier platzt.", lachte Phil und gab mir einen leichten Schubs.
Ich musste unwillkürlich grinsen.
Wie schaffte er es, meine Laune immer wieder zu heben?
Meine Finger suchten Halt und dann stieg ich vorsichtig durch das Loch. An einem Luftzug spürte ich, dass Phil mir folgte. Im nächsten Moment wurde es hell und ich sah, dass ich in einem kleinen und engen Gang stand. Verdunkelte LED- Lichter beleuchteten die Umgebung spärlich.
„Unser Notausgang. Nur für Mitglieder.", murmelte Phil leise. Seine Lippen waren ganz nah an meinem Ohr, und ich musste daran denken, dass ich wohl wieder dieses Kribbeln im Bauch gespürt hätte, wenn Dylan hier wäre und das tun würde. Dylan. Der Gedanke an ihn brachte mich fast um den Verstand. Ich atmete tief durch und drehte mich dann zu Phil um.
„Wer sagt, dass ich ein Mitglied bin?"

Phil

Stumm sah ich sie an und dachte fieberhaft nach. Warum musste ich mich denn immer verplappern?
Jetzt gab es kein Zurück; ich musste ihr die Wahrheit sagen.

„Spike...Er will dich für unsere Sache gewinnen. Nur deshalb bist du hier. Er weiß längst, dass du keine Spionin bist, er behält dich nur hier, damit du siehst, wie gut wir Blacker es haben. Und...Luna, ich will auch dass du bei uns bleibst."
Die Worte waren gesagt, nichts konnte sie mehr rückgängig machen. Luna sah mir starr in die Augen, unfähig, ein Wort zu fassen. Ich hatte alles vermasselt. Sie würde wohl nie bei uns bleiben, so wie ich es mir wünschte, seit ich sie kennengelernt hatte. Ein paar Stunden zuvor erst hatte sie mich das erste Mal mit ihren stechend blauen Augen gefesselt, und etwas in mir wollte, dass sie das öfter tat.

Aber das würde nie geschehen, nicht nach dem, was ich gerade in meiner Dummheit förmlich herausgeschrien hatte. Mutlos ließ ich die Schultern hängen und senkte den Kopf. Alles war vorbei. Schon heute würde sie gehen, ich könnte sie nie wieder ansehen.

„Na ja, wir werden sehen. Noch ist nicht alles vorbei."
Mein Kopf schnellte blitzschnell hoch, wie um die Worte einzufangen, die so eben aus ihrem Mund gekommen waren und mein Herz schneller schlagen ließen. Was hatte sie gerade gesagt? Niemals war das echt gewesen, ich musste träumen.

„Was denn? Zeigst du mir jetzt eure Küche? Ich hab Hunger!", grinste sie und ich konnte nicht anders, als sie glücklich anzulächeln. Nun hatte sie mich auch einmal zum Lachen gebracht.

Luna

Spike behielt mich also nur hier, weil er wollte, dass ich seinem Beispiel folgte und mich von Glendoms los sagte. Und Phil wollte es auch. Aber wollte ich es denn? Woher sollte ich wissen, ob Spike die Wahrheit sagte, was Glendoms anging? Vielleicht log er. Die Entscheidung lag ganz bei mir. Aber was war mit Chelsea? Würde sie mit mir kommen, wenn ich mich für die Blacker entscheiden würde? Oder war sie zu sehr von Glendoms abhängig, vor allem weil sich auch ihr Freund Glenn innerhalb von Middleforest befand.

Außerdem müssten wir ständig auf der Flucht sein, um Glendoms nicht in die Fänge zu geraten. Ich schloss gequält die Augen.

Heute doch noch ein Kapitel, weil ich so ein schlechtes Gewissen hab. Votes erwünscht....

Der Wolf mit den blauen Augen / Luna Kju I    [ABGESCHLOSSEN]✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt